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Kommentar zu Stadtratsbeschluss Münchner Gasteig wird generalsaniert

Eine Überraschung war es nicht: Es bleibt bei der Generalsanierung – so wie eigentlich bereits 2020 beschlossen. Einen entsprechenden Beschluss hat der Münchner Stadtrat mit großer Mehrheit gefasst. Ein gutes Signal für die Kulturlandschaft der Landeshauptstadt? BR-KLASSIK-Autor Bernhard Neuhoff kommentiert.

Der Gasteig in München | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Gut gemacht! Wir alle brauchen Lob. Auch Politikerinnen und Politiker sollen mal eins kriegen, wenn sie es verdienen. Verdienen sie es? Naja. Die Entscheidung für die Generalsanierung des Gasteigs kommt nach Jahren des mutlosen Gewurstels. Weil durch politische Fehler und den Ukraine-Krieg die Baukosten rasant gestiegen sind, stand der fatale Plan im Raum, statt einer wirklich begeisternden und zugleich nachhaltigen Neugestaltung eine bloße Mogelpackung zu beschließen, die sogenannte Grundsanierung. Damit wäre mehr oder weniger nur die marode Haustechnik ausgetauscht worden, der Rest, auch die Akustik der Philharmonie, wäre beim schlechten Alten geblieben. Das wäre eine Riesendummheit gewesen. Aus zwei Gründen. Erstens wäre die sogenannte Grundsanierung nur etwa 15 Prozent billiger gewesen. Zweitens wäre sie im Ergebnis 100 Prozent schlechter als das, was jetzt, Gott sei Dank, beschlossen wurde.

Gasteig = Kultur für alle

Münchner Philharmoniker mit Gergiev im Gasteig | Bildquelle: © Andrea Huber Gasteig ist Heimat der Münchner Philharmoniker | Bildquelle: © Andrea Huber Um das zu verstehen, muss man nochmal kurz erklären, was eigentlich das Tolle am Gasteig ist. Und was er, entgegen den kurzsichtigen Vorurteilen ausgerechnet bei einigen Mitgliedern der SPD-Stadtratsfraktion, gerade nicht ist: Der Gasteig ist alles andere als ein elitärer Hochkulturbunker. Er steht für das, was früher, in den aufbruchsfreudigen 70er-Jahren mal ein großes Versprechen der SPD war: Kultur für alle. Klar, der alte Gasteig hatte architektonische und akustische Mängel (eine Trutzburg, draußen mit hochgezogener Zugbrücke zur Stadt und drinnen mit Pauschal-Akustik). Umso eindrucksvoller ist, wieviel er trotzdem von dem großen Versprechen einlösen konnte: Kultur für alle! Der Gasteig vermeidet eine entscheidende Schwäche der meisten anderen Konzertsäle dieser Welt: Er ist nicht nur abends belebt. Und er bedient nicht nur die Klassik-Fans. Er verbindet Weltklasse-Institutionen der klassischen Musik wie die Münchner Philharmoniker und die Musikhochschule mit einem bunt gescheckten Publikum und einer in jedem Sinn diversen Vielfalt an Bedürfnissen und Nutzungen. Was oft übersehen wird: Auch das Münchener Kammerorchester sucht seit Jahren händeringend nach Probenräumen. Und dann die Stadtbibliothek! Die größte in Deutschland. Sie braucht dringend mehr Publikumsfläche. Denn München wächst, und zwar rasant. Dazu die Volkshochschule, die freien Veranstalter, das Filmfest, die Bücherwoche und, und, und …

Isarphilharmonie ist und bleibt Zwischenlösung

Diese erstaunliche Vielfalt macht den Gasteig so lebendig und demokratisch. Wer dagegen einwendet, dieser große Tanker sei zu zentralistisch, übersieht die Chancen der räumlichen Nachbarschaft. Hier setzt der wirklich überzeugende und jetzt zum Glück beschlossene Umbau-Plan an: Ein gläsernes Band verbindet alle Institutionen und öffnet die Kulturburg zur Stadt. Dass man ganz Unterschiedliches am gleichen Ort erledigen, erleben und erfahren kann, genau das macht urbane Zentren lebendig. Manche fragen, ob das Interim in Sendling, der sogenannte Gasteig HP8 mit der Isarphilharmonie, die aufwändige Generalsanierung nicht überflüssig macht. Nur: Wegen der baulich zwingenden Sanierung (Brandschutz, Wasserschäden, geänderte juristische Vorgaben bei den Zufahrten etc.) wurde das Interim ja überhaupt erst gebaut. Wer es zur Dauerlösung umfunktionieren will, möge mal mit einer Dozentin der Musikhochschule sprechen, die im zweiten Stock der Interimsräume das Dröhnen des Schlagzeugs im ersten Stock ertragen muss. Diese containerartigen Räumlichkeiten sind weiß Gott nicht für die Ewigkeit erschaffen worden ...

Klick-Tipp:

Lesen Sie hier einen ausführlichen Artikel über die Münchner Isarphilharmonie, Gasteig-Interimsspielstätte seit 2021.

Gasteig könnte Münchens Centre Pompidou werden

Und auch der geplante Neubau eines Konzerthauses im Münchner Werksviertel macht die akustische Verbesserung der Philharmonie im Gasteig nicht überflüssig: Dessen Grundidee war es ja gerade, dass Weltklasse-Orchester wie das BRSO und die Münchner Philharmoniker einen eigenen Saal benötigen. Dass dafür auch genügend Nachfrage geweckt werden kann, beweisen gerade die Münchner Philharmoniker recht eindrucksvoll in der Isarphilharmonie. An dieser Stelle gebührt auch den Philharmonikern ein großes Lob: Ihnen gelingt es, dank geschickter Programmdramaturgie und exzellenter Jugendarbeit, das Interimsquartier mit einem erstaunlich jungen Publikum zuverlässig zu füllen.

Und das ist ein gutes Vorzeichen für den jetzt beschlossenen Umbau des Gasteig. Er könnte dieses größte Kulturzentrum Europas in seiner stadträumlich im Wortsinn herausragenden Lage am Isarhochufer nahe dem Deutschen Museum auf Jahrzehnte zu einem kreativen Motor der Stadtgesellschaft machen. Dieses Haus wird Menschen mit den unterschiedlichsten Gelüsten und Geschmäckern anlocken.

Das Restaurant auf dem Dach mit spektakulärem Blick auf Isar, Stadt und Alpen kann man jetzt schon erleben. Es wird den Gasteig auch zum touristischen Anziehungspunkt machen. Was Paris mit dem Centre Pompidou vormacht – München wird es ein Stück weit nachmachen. Wenn nur jetzt alles gut geht mit dem neuen Finanzierungs- und Vergabe-Modell! Daumen drücken lohnt sich. Denn Kultur ist für alle da. Mit dem neuen Gasteig könnte das funktionieren – und sogar richtig Spaß machen. Das wird sich auszahlen, denn Kreativität und Begegnung sind das Herz unserer Demokratie.

Sendung: "Leporello" am 20. Dezember ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Freitag, 22.Dezember, 21:34 Uhr

Bernd Müller

Ja, aber...

Auch ich begrüße die Entscheidung sehr, aber in einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen: Doch, der neue Gasteig macht einen weiteren Saal im Werksviertel überflüssig. Berlin macht es vor: Dort teilen sich die Philharmoniker, das RSO und das DSO die Philharmonie. Und soo gut besucht sind die Konzerte der Philharmoniker (und des BR) momentan bis auf ein paar Ausnahmen auch nicht.

Donnerstag, 21.Dezember, 16:11 Uhr

Siegfried Metzger

Gasteig-Generalsanierung

Na endlich !!!!!!!!!!!

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