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Kritik – "The Faggots and Their Friends" in Bregenz Die Heteros sind schuld

Auf der Werkstattbühne der Festspiele am Bodensee machte queeres Agitprop-Theater aus Manchester Station: Regisseur Ted Huffman und Komponist Philip Venables rechnen mit dem Patriarchat ab – was etwas "retro" nach den 70er-Jahren klingt.

Szene aus "The Faggots And Their Friends Between Revolutions", Bregenzer Festspiele 2023 | Bildquelle: Tristram Kenton

Bildquelle: Tristram Kenton

Wahrscheinlich kennt jeder irgendeinen Macho, der mit einem monumentalen Schüsselbund herumläuft und damit seine Bedeutung unterstreicht: Wer dermaßen viele Türen öffnen kann, der muss ja was zu sagen haben. Das ist dann auch eine Art "Schlüsselgewalt". Zwar nicht die aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, aber die aus der Geschichte des Patriarchats. Und so singen die Zuschauer bei den Bregenzer Festspielen, angeleitet von den Mitwirkenden dieser Premiere, munter gegen die toxische Männlichkeit an und rasseln dabei mit ihren Schlüsseln, die hier sinnbildlich für Macht und Unterwerfung stehen.

Abrechnung mit dem heterosexuellen Mann

Ja, das ist simpel gedacht und gemacht, und nicht gerade komplex ist auch die Botschaft dieser 100-minütigen Performance mit dem Titel "The Faggots and Their Friends Between Revolutions", frei übersetzt "Die Schwuchteln und ihre Freunde zwischen den Revolutionen". Gemeint ist ein Schimpfwort für queere Menschen, das diese zumindest im englischen Sprachraum längst für sich gekapert und gegen die Mehrheitsgesellschaft gewendet haben. Letztlich geht es um eine Abrechnung mit dem heterosexuellen Mann, der für so ziemlich alle Schandtaten der Menschheit verantwortlich gemacht wird: Den Kapitalismus, den Krieg, die Umweltzerstörung, den Rassismus.

Früher war alles besser

Szene aus "The Faggots And Their Friends Between Revolutions", Bregenzer Festspiele 2023 | Bildquelle: Tristram Kenton Bildquelle: Tristram Kenton Früher war alles besser, so dieses grelle Agitprop-Theater nach einer gleichnamigen Bilderbuchsatire für Erwachsene aus dem Jahr 1977 von Larry Mitchell und Ned Asta. Es ist ein Klassiker der Emanzipationsliteratur. Bevor die bösen Männer die Macht an sich rissen, lebten die Faggots in einem glücklichen Urzustand. Dann kamen drei Revolutionen, wobei erst die Frauen, dann die queeren Menschen unterdrückt wurden. Und als die Heteromänner schließlich auf die Idee kamen, den Faggots dieselben Rechte wie sich selbst einzuräumen, als da wären Kriegsdienst und Eheschließung, da wurde das Patriachat endlich in blutigen Schlachten beseitigt.

"Barocke Fantasie" mit Cembalo und Megafon

Klingt alles schwer nach den 70er-Jahren, als die Schwulenbewegung noch für eine Subkultur kämpfte, die heute nur noch ferne Erinnerung ist. Queere Menschen wollen ja schon lange nicht mehr hinter Türen mit Gucklöchern tanzen und singen, sondern überall dort, wo andere Menschen auch feiern, Spaß haben und glücklich sind. Insofern wirkt der Abend etwas Retro, zumal er als "barocke Fantasie" angekündigt war und tatsächlich auch Cembalo, Laute, Harfe und Querflöte zum Einsatz kommen, allerdings auch ein Megafon.

Musikalisches Fanal

Szene aus "The Faggots And Their Friends Between Revolutions", Bregenzer Festspiele 2023 | Bildquelle: Tristram Kenton Bildquelle: Tristram Kenton Ted Huffmann inszenierte das erstmals in Manchester, die Truppe zog dann weiter nach Aix-en-Provence und Bregenz und wird auch noch in London und Holland Station machen, also in Gegenden, die im weltweiten Vergleich sehr liberal sind. In zwölf Ländern der Erde wird Homosexualität aktuell mit der Todesstrafe geahndet – von Männern, die nur ihre heterosexuelle Identität gelten lassen wollen. Insofern ist so ein musikalisches Fanal, so ein Aufschrei, doch wieder höchst angebracht. Und so predigen die 15 Solisten tapfer an gegen die Machowelt, werben für Toleranz, Harmonie, Schönheit und Frieden. Philip Venabels komponierte dazu sehr plakative Musik: Er lässt auf die Pauke oder Plastikeimer hauen, wenn das Patriachat gegeißelt wird, Harfe und Cello dürfen seufzen, wenn die Faggots wehmütig werden. Zwischendurch wird auch mal gerappt oder zu ein paar Takten Dancefloor-Mucke aufgedreht.

Missionierung der Bekehrten

Würde als Straßentheater vermutlich deutlich plausibler wirken, mit zufälligen, womöglich irritierten Zuschauern. Auf der Werkstattbühne in Bregenz hatte es was Bemühtes, Angestrengtes, nach dem Motto: Auch dieses Festival hakt das Thema Queerness pflichtbewusst mit einem Gastspiel ab und missioniert die Bekehrten. Am Ende sitzen alle im Kreis und flüstern sich aufmunternde Worte zu. Das ist dann wohl wieder der erwähnte Urzustand, die schöne, alte Welt. Aber ehrlich gesagt: Besonders bunt und ausgelassen wirkt sie nicht.

Sendung: "Allegro" am 28. Juli 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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