Am Staatstheater Nürnberg feierte "Die Fledermaus" von Johann Strauss Premiere. Regisseur Marco Štorman verlagerte die Handlung der Operette ins Großraumbüro und auf die Luxusyacht. Eine Inszenierung, die keinen Charme versprühte.
Bildquelle: © Bettina Stöß
Regisseur Marco Štorman versetzt die Handlung seiner Fledermaus-Inszenierung in ein Großraumbüro: Das Ehepaar Rosalinde und Gabriel Eisenstein scheinen in diesem Büro zu arbeiten, Adele ist ihre Assistentin. Dies sind nicht die einzigen Eingriffe ins Libretto, viele Dialoge, nicht nur im ersten Akt, wurden gestrichen, so dass man gar nicht mehr versteht, welche Beziehungen die Personen zueinander haben. Das hat Auswirkungen und lässt viele Musiknummern, zum Beispiel das Terzett "Wie rührt mich dies" ins Leere laufen. Rosalindes Liebhaber Alfred hat seinen großen Auftritt als Getränkeboy. Doch anstatt berühmte Tenorarien zu schmettern, liefert er sehr ungelenk ein Sixpack Coladosen in der Abteilung ab. Das Ganze parodiert eine alte Cola Werbung aus den 90ern. Ein gelungener Gag, der mehrfach wiederholt wird, sich aber schnell abnutzt.
Ein sehr großes Problem für die Sänger ist das Bühnenbild von Márton Agh, das absolut keine Unterstützung bietet. Auf der Vorderbühne reihen sich die Schreibtische aneinander, im erhöhten hinteren Teil, befinden sich zwei Aufzugtüren, die den Auf- und Abtritten dienen. Akustisch miserabel sind die für Büros so typischen Lamellen-Vorhänge, die die Bühne seitlich begrenzen, und zwar nett bespielt werden, nur leider jeglichen Klang schlucken. Hinzu kommt, dass Štorman beinahe alle Hits der Operette auf dem erhöhten hinteren Teil der Bühne anstimmen lässt, wobei die Staatsphilharmonie Nürnberg nicht immer ein sensibler Begleiter ist. Dirigent Sándor Károlyi lässt das Orchester viel zu oft den Gesang übertönen. Generell fehlt den Philharmonikern zu Beginn der Wiener Schmäh. Das ändert sich zum Glück im Laufe des Abends, sodass die berühmte "Fledermaus-Quadrille" das Publikum mitreißt.
Der 2. Akt spielt auf der Luxusyacht von Orlofsky. Der Prinz, hier wohl eher eine Prinzessin, gut gesungen von Corinna Scheurle, scheint gar nicht so vom Leben gelangweilt zu sein, wie es die Rolle eigentlich vorgibt. Stattdessen amüsiert sie sich mit den Gästen. Die verteilen sich auf großzügigen Sitzgruppen im Vordergrund der Bühne. Links und rechts führen Treppen auf eine zweite Ebene. Auf Champagner warten die Gäste zunächst vergebens. Alle halten Pappbecher, wie man sie von Wasserspendern kennt, in den Händen.
Bildquelle: Bettina Stoess Der erste absolute Höhepunkt der Inszenierung ist dann die Adele Arie "Mein Herr Marquis". Chloe Morgan kann in dieser Szene zeigen, was sie stimmlich und darstellerisch zu bieten hat. Kess wickelt sie mit sicheren Koloraturen den eben eingetroffenen Marquis Renard um den Finger und darf auch endlich die Champagner-Korken knallen lassen. Ganz anders geht es Emily Newton als Rosalinde bei ihrem Auftritt mit dem Csardas. Auch ihr bleibt es nicht erspart vom oberen Teil der Bühne ihre Arie anzustimmen, zudem mit einer massiven Skibrille maskiert und gekleidet im ausgebeulten Blaumann. Je weiter Emily Newton sich auf der Bühnen nach vorne kämpft, desto mehr weiß man ihre Stimme zu schätzen. Wesentlich schwerer hat es Joachim Goltz als Eisenstein. Im ersten Akt wurden ihm sämtliche Szenen gestrichen, in denen er sich als stolzer Pfau Adele gegenüber präsentieren könnte. Allein durch seine Spielfreude und charaktervolle Stimme, kann sich sein Eisenstein gegen die banale Regie behaupten.
Wer sich jetzt auf den komödiantischen Höhepunkt der Fledermaus im 3. Akt freut, wird bitter enttäuscht: Kein Frosch und kein Gefängnis – wie durch einen Traum befinden sich am Ende der Operette sämtliche Darsteller in einem Bühnenbild wieder, das sich am ehesten als eine Fantasie – vielleicht alkoholbedingt – von Eisenstein deuten lässt: eine Mischung aus Büro und Luxusyacht, die sich dramaturgisch relativ unmotiviert auflöst. Wenn man in ein geniales Stück, wie die Fledermaus eingreift, dann muss man schon eine geniale Idee haben, die auch logisch umzusetzen ist. Die Handlung nur einfach in ein Büro zu verlegen, reicht da sicherlich nicht aus und lässt das Publikum mit vielen Fragezeichen zurück.
Sendung: "Allegro" am 27. November 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (7)
Montag, 27.November, 12:23 Uhr
Ernst-Michael Schwarz
Fledermaus
Degoutant
Montag, 27.November, 10:06 Uhr
Suse
Irritierend
Ich stimme diesem Kommentar aus vollem Herzen zu. Die ganze Vorstellung war irritierend und hat nichts von dem Charme der eigentlichen Geschichte versprüht. Ich war sehr enttäuscht. Manchmal sollte man die Stücke einfach lassen, wie sie sind und nicht auf Zwang alles modernisieren. Das Orchester war sehr gut und die Sänger haben ihr Bestes gegeben trotz der Umstände ....Rosalinde hat mir leid getan, bei ihrem Auftritt als Fürstin.Sie sah aus wie ein Minion
Montag, 27.November, 09:28 Uhr
Peter Dennerlein
Enttäuschende Premiere der Fledermaus
Von einer modernistischen Inszenierung getötete Fledermaus.
Von der Leichtigkeit und dem hintersinnigen Frohsinn nichts zu spüren.
Einzig der Chor und das Orchester konnten gefallen.
Gerettet hat das diese Aufführung aber auch nicht.
Sonntag, 26.November, 22:38 Uhr
Peter Schieber
Fledermaus
Danke für den Bericht. Wir werden alle vorgemerkten Termine löschen und uns statt dessen eine DVD aus Mörbisch einlegen.
Sonntag, 26.November, 14:20 Uhr
Annette Schuler
Fledermaus
Als Zuschauer fühle ich mich betrogen um weite Teile der Operette und genötigt eine Fülle von Albernheiten ohne echte Komik zu sehen. Schade! Nach der Lucia/Luca wieder keine erfreuluche Vorstellung.
Sonntag, 26.November, 13:26 Uhr
Peter Dennerlein
Premiere Fledermaus Nürnberg
Wir waren selten so enttäuscht.
Das Orchester war zu keinem Zeitpunkt fähig die Dynamik der Musik zu transportieren, von Lebensfreude und Charme ganz zu Schweigen.
Die Stimmen gingen komplett verloren, waren teilweise nur zu erahnen.
Der Sinn der Inszenierung hat sich uns nicht erschlossen. Alles was die Fledermaus ausmacht war nicht vorhanden.
Diese Sucht der Persiflage hat der Aufführung jeglichen Charme und Esprit genommen.
Einfach sehr sehr schade und ein Abend zum vergessen.
Sonntag, 26.November, 13:09 Uhr
Besucher1
Daneben
Ausnahmsweise finde ich diese Kritik ziemlich daneben.
Das Orchester hat fantastisch gespielt unter dem jungen neuen Dirigenten, dessen einstand das immerhin auch war und die Stimmung im Publikum war nicht mehr so ausgelassen und begeistert seit Joana Malwitz gegangen ist. Das Bühnenbild hat mich auch nicht vom Hocker gerissen, dass dadurch der Abend aber zerstört wurde, kam wohl nur beim Kritiker, nicht aber beim Publikum so an. Schade, dass man da kein gutes Wort finden kann, auch nicht für den tollen Dirigenten und die Staatsphilharmonie. Sehr schade