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Kritik - "Die gerissene Füchsin" in Linz Überlebenskampf in der Bronx

Ziemlich heikel, den Titel und den Text einer populären Oper zu ändern. Regie-Legende Peter Konwitschny ging das Risiko ein: Ihm war das "Schlaue Füchslein" von Leoš Janáček zu kindisch. Die modernisierte, deutlich härtere Version überzeugt, trotz einiger Klischees.

Szene aus "Die gerissene Füchsin" in Linz | Bildquelle: Reinhard Winkler

Bildquelle: Reinhard Winkler

Manche Leute denken auch mit 80 noch mal ganz neu nach und scheuen dabei kein Risiko: Regie-Altmeister Peter Konwitschny änderte für seine Inszenierung am Landestheater Linz den Titel und den Text von Leoš Janáčeks Oper "Das schlaue Füchslein". Begründung: Der ursprüngliche Übersetzer des Werks aus dem Tschechischen, der berühmte Literat und Kafka-Freund Max Brod, habe den Stoff verharmlost und verfälscht, weil er in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts unbedingt den westlichen Publikumsgeschmack treffen wollte.

Konwitschny: Sieht die Original-Füchsin unbarmherzig statt liebenswert

Damals lag eine sentimentale Tiergeschichte um eine blitzgescheite, liebenswerte Füchsin natürlich näher als eine ziemlich unbarmherzige Parabel über Leben und Sterben in der wilden Natur. Peter Konwitschny: "Das ist eine Entstellung. 'Schlau' klingt eher liebevoll, kindlich, genauso wie 'Füchslein'. Und da das einfach nicht so ist in diesem Stück, haben wir uns erlaubt, das richtigzustellen. Es ist natürlich schön, wenn man das als Regisseur noch machen darf. Brecht wurde auch mal gefragt, ob man das darf, Shakespeare zu verändern, und daraufhin hat er gesagt, ja - wenn man es kann. Das ist die Antwort, die paradoxe Antwort."

Janáček in Linz: Schäbige Hausruinen statt Waldromantik

Szene aus "Die gerissene Füchsin" in Linz | Bildquelle: Reinhard Winkler Bildquelle: Reinhard Winkler Folglich heißt die Oper bei Konwitschny "Die gerissene Füchsin", was die Titelfigur deutlich abgebrühter, härter und lebensnäher erscheinen lässt. Das erinnert an das Schicksal von "Bambi", einem zeitgleich zur "Füchsin" erschienenen Jäger-Roman von Felix Salten, der von Walt Disney bis zur Unkenntlichkeit verkitscht und entstellt wurde. In Linz konnten sich die Ausstatter Timo Dentler und Okarina Peter die sonst üblichen kindgerechten Tiermasken diesmal also sparen: Statt Waldromantik mit Blätterwerk und Gesträuch waren schäbige Hausruinen unter einem maroden Strommasten zu sehen. Auch eine Art Wildnis, wie Peter Konwitschny erklärt: "Bei uns sind es eben keine Tiere, sondern die Armen in der Bronx. Da gibt es ein paar reichere Leute, den Förster, den Pfarrer, den Schulmeister. Ich habe noch kein Stück gemacht, wo die Autoren auf der Seite der reicheren Leute gewesen wären."

Konzept geht auf: Kontwitschny modernisiert entschieden

Das Konzept geht auf, auch, weil Konwitschny gemeinsam mit Christoph Blitt den Text entschieden modernisiert hat (einschließlich "Arschloch"-Flüchen). Sicher, der vielfach gerühmte Regisseur spart hier und da nicht mit Klischees, wenn er die Abenteuer seiner "gerissenen Füchsin" beschreibt: Ihre Mutter ist eine heroinsüchtige Prostituierte, die Füchsin selbst ruft die Hühner zum Klassenkampf auf und ist eine unerschrockene Feministin, die allerdings auf Geburtenkontrolle verzichtet. Es geht um Männerfantasien und Straßengewalt, den Überlebenskampf ums nackte Dasein, der Janáček bei der Komposition so wichtig war. Allerdings lässt er das Werden und Vergehen in slawischer Tradition poetisch-schwermütig klingen, nicht erbarmungslos.

Janáčeks Musik: Mehr Tongemälde als Oper

Trotzdem ist die modernisierte, kältere Interpretation plausibel, erstens, weil das Verhältnis des Menschen zur Natur heutzutage zwangsläufig ein anderes ist als vor 100 Jahren, zweitens, weil Janáček eigentlich gar keine Oper, sondern ein Tongemälde komponiert hat, bei dem die Zwischenspiele mindestens ebenso relevant sind wie die kurzen Dialogszenen. So melancholisch, wie die Musik ist, passt sie zum trostlosen Unterschichten-Leben in den Großstädten unserer Gegenwart, ob in der Bronx oder in Gelsenkirchen.

Berührend-selbstbewusst: Carina Tybjerg Madsen als Füchsin

Szene aus "Die gerissene Füchsin" am Landestheater Linz | Bildquelle: Reinhard Winkler Bildquelle: Reinhard Winkler Dirigent Markus Poschner machte das eindrucksvoll deutlich: Er vermied passend zur Regie jede Süßlichkeit, alles Erbauliche an Janáčeks Partitur. So gedeutet, hätte sie glatt einen Krimi der "Schwarzen Serie" Hollywoods untermalen können. Carina Tybjerg Madsen in der Titelrolle der Füchsin war eine berührend-selbstbewusste "Mutter Courage" auf dem Schlachtfeld der irdischen Existenz. Auch alle anderen Solisten machten ihre Sache sehr gut, darunter Adam Kim als Förster und Seung Jick Kim als Fuchs. Sonderapplaus gab es für Breakdancer und den vielköpfigen Kinderchor. Insgesamt ein erfrischend experimentierfreudiges und mutiges Opernexperiment, das weniger umstritten war als zu erwarten gewesen wäre.

Sendung: "Allegro" am 31. März 2025 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 31.März, 10:56 Uhr

Gerd

Ich komm da nicht mit

Also der Wechsel vom Adjektiv "schlau" zu "gerissen" wird problematisiert (wobei man übrigens übersieht, dass letzteres eine Doppelbedeutung hat, die unnötige Verwirrung stiftet, aber geschenkt, das regt mich nicht auf). Aber dass die Mutter des Füchsleins (!) eine "heroinsüchtige Prostituierte" ist, ist völlig unproblematisch?

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