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Kritik "L' incoronazione di Poppea" in Hof Moralinsaures Missverständnis

Statt farbenreicher Alter Musik aus dem Frühbarock gab es am Theater Hof zur Spielzeiteröffnung eine Monteverdi-Bearbeitung von Ernst Krenek aus dem Jahr 1937. Diese "Modernisierung" wirkte ziemlich abgestanden, wie auch das Regiekonzept, das sich um eine vermeintlich zeitgemäße Botschaft mühte.

"L'incoronazione di Poppea" von Montverdi am Theater Hof, Inga Lisa Lehr (Poppea), Minseok Kim (Nero), Markus Gruber (Erster Soldat) | Bildquelle: Harald Dietz

Bildquelle: Harald Dietz

Das Theater ist bekanntlich eine "moralische Anstalt", jedenfalls seit Friedrich Schiller es im Juni 1784 dazu ausgerufen hat. Von einer realistischen Anstalt war in diesem Zusammenhang keine Rede. Mit anderen Worten: Alle gezeigten Geschichten sollten die Zuschauer im Sinne der Aufklärung zu besseren, zu edleren Menschen machen. Klingt aus heutiger Sicht verwegen, unangenehm missionarisch und – seien wir ehrlich – auch ziemlich altmodisch. Da war Claudio Monteverdi vor 400 Jahren deutlich moderner. Der nämlich schrieb mit der "Krönung der Poppea" keine moralische, sondern eine poetische Oper, aber die war am Theater Hof leider weder zu hören, noch zu sehen.

Oper in Bearbeitung von Ernst Krenek

"L'incoronazione di Poppea" von Montverdi am Theater Hof, Inga Lisa Lehr (Poppea), Minseok Kim (Nero), Sylwia Pietrzak (Ottavia), Chor | Bildquelle: Harald Dietz Inga Lisa Lehr (Poppea), Minseok Kim (Nero), Sylwia Pietrzak (Ottavia), Chor | Bildquelle: Harald Dietz Machtmenschen, die sich konsequent ihren Weg nach oben bahnen und dabei nach Herzenslust der Liebe frönen, das war dem neuen Intendanten Lothar Krause offenbar nicht ganz geheuer. Also entschied er sich nicht für eine Fassung im Stil des Frühbarock, sondern wählte eine selten zu hörende Bearbeitung von Ernst Krenek aus dem Jahr 1937, und die ist in der Tat moralisch, um nicht zu sagen moralinsauer bis zur Ungenießbarkeit. Das Bemerkenswerte daran: Sie klingt trotz ihrer Ruppigkeit und Kälte abgestandener und ferner als die Alte Musik des 17. Jahrhunderts. Da dürfte sich mancher Zuschauer gefühlt haben, als ob ihm statt einer prächtigen Villa von Andrea Palladio ein schmuckloser Bauhaus-Bungalow vorgesetzt wurde.

Regisseur Lothar Krause entfernt sich von Monteverdi

Und damit nicht genug: Bei Monteverdi führen Götter und Allegorien in die Handlung ein, allen voran Liebesgott Amor, und erklären dem Zuschauer die Parabel einer Frau, die ausschließlich ihren Leidenschaften frönt und damit gegen Sitte und Tradition ganz nach oben kommt: Karriereorientiert, wie sie ist, wird Poppea an der Seite Neros römische Kaiserin. Gewissensbisse hat sie dabei nicht, warum auch, die Antike war keine moralische Anstalt und Frauen sicher nicht rücksichtsvoller als Männer.

Moralisch, aber nicht Monteverdi

"L'incoronazione di Poppea" von Montverdi am Theater Hof, Andrii Chakov (Ottone), Annina Olivia Battaglia (Drusilla / Pallas Athene) | Bildquelle: Harald Dietz Andrii Chakov (Ottone), Annina Olivia Battaglia (Drusilla / Pallas Athene) | Bildquelle: Harald Dietz Als Regisseur will Lothar Krause das nicht gelten lassen und geht mit Amor, der das alles so energisch am Laufen hält wie den Trojanischen Krieg, hart ins Gericht: Wer so "böse" ist wie Poppea, der darf weder lieben noch glücklich sein. Sie muss jede Menge Konkurrenten erschießen, auch Nero, bevor sie einsam und verhärmt den überdimensionalen Lorbeerkranz aufsetzen darf. Schwer moralisch, aber sicher nicht Monteverdi, denn die Renaissance war das Zeitalter der Machtmenschen, die Erfolg bewunderten und Skrupel verachteten. Insofern war dieser Abend musikalisch und szenisch ein großes Missverständnis, das vom Hofer Publikum allerdings sehr freundlich beklatscht wurde.

Vermeintlich moderne Klänge im Orchester

Klar, mit Monteverdi lässt sich viel anstellen, es ist ja leider kein Orchestersatz überliefert. Spezialisten für Alte Musik haben also freie Hand bei der Instrumentation und wunderbare Bearbeitungen vorgelegt, die einen vom ersten bis zum letzten Ton in den Bann schlagen mit ihrer Poesie, ihrer Farbigkeit, ihrem Weltschmerz, ihrer Überzeitlichkeit. In Hof wollten sie lieber vermeintlich modern sein. Immerhin: Dirigent Peter Kattermann und die Solisten, allen voran Inga Lisa Lehr als Poppea und Minseok Kim als Nero machten ihre Sache außerordentlich gut. Es wäre ihnen zu wünschen gewesen, sie hätten ein Stück von Paul Hindemith oder Erich Wolfgang Korngold zu singen gehabt. Auch Krenek hat seine Verdienste, etwa die Jazzoper "Jonny spielt auf", aber Monteverdi zu verschlimmbessern war gewiss nicht seine stärkste Idee.

Sendung: "Allegro" am 23. September 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Dienstag, 24.September, 16:32 Uhr

Bea

einseitig

Bühne und Kostüme werden mit keinem Satz beleuchtet.

Dienstag, 24.September, 11:01 Uhr

Trappe

Ist dies Musikjournalismus geworden?

Ich schließe mich meinem Vorredner an. So schlechte Kritiken wie aktuell gab es früher nicht. Da müssen Schlagworte für die Beurteilung herhalten. Ob gut oder schlecht ist nicht interessant, sondern ist durch die Begründung kann daraus ein Eindruck transportiert werden. In dieser Oberflächlichkeit sollte man nicht agieren. Es gibt viele schöne andere Berufe...

Sonntag, 22.September, 10:15 Uhr

Claudio

Qulität der Kritik

Zwei Sänger eines großen Casts werden erwähnt und es heißt: "machten ihre Sache außerordentlich gut". Das soll eine Musiktheaterkritik sein? Wäre es nicht Aufgabe einer Musiktheaterkritik über Sänger/innen zu schreiben, wie gut oder schlecht sie gesungen haben und dies einzuordnen? Das gilt auch fürs Orcheter und den Dirigenten.

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