Fünf Jahre lang war Joana Mallwitz Generalmusikdirektorin in Nürnberg. Nach ihrer ersten Saison durfte sie sich schon "Dirigentin des Jahres" nennen. Jetzt hat sie sich mit einem letzten Konzert in Nürnberg verabschiedet.
Bildquelle: Ludwig Olah
Abschied zu nehmen, fällt selten leicht. Vor allem, wenn man in fünf Jahren, die im Rückblick viel zu kurz erscheinen, so eng zusammengewachsen ist, wie dies Joana Mallwitz und der Staatsphilharmonie Nürnberg gelang. Und auch, wenn das endgültige Lebewohl erst nach dem großen Klassik Open Air am 30. Juli ausgesprochen wird, wurde bereits das letzte Philharmonische Konzert ihrer Amtszeit zum hochemotionalen Moment für das Publikum und die Dirigentin selbst.
Ausgewählt hatte sich Mallwitz hierfür Gustav Mahlers vierte Sinfonie. Ein Werk, bei dem das Orchester in seiner vollen Stärke gefordert war, gleichzeitig aber reichlich Gelegenheit bekam, seine durch die gemeinsame Arbeit neu hinzugewonnenen Stärken auszuspielen. Dies zeigte bereits der mit flüssigen Tempi angegangene erste Satz, in dem die Dirigentin immer wieder Momente fand, die Staatsphilharmonie zu kammermusikalisch leichtem Spiel zu animieren. Womit sie sich genügend Steigerungspotenzial ließ, um auch bei den folgenden Klangeruptionen nie ins vordergründig Brutale abzurutschen. Eine kontrollierte Ekstase, bei der Joana Mallwitz wenig dem Zufall überließ und ihre Intentionen mit klarer aber bestimmter Körpersprache an das Orchester kommunizierte. Stets bedacht auf ein transparentes Musizieren, bei dem auch das anfangs noch leicht nervös wirkende Blech bald zu innerer Ruhe fand. Überaus differenziert dagegen von Beginn an die Holzbläser, die ebenso markante Akzente beisteuerten wie Julia Grüter, deren sanft geführter Sopran im letzten Satz den vom Komponisten geforderten "kindlich heiteren Ausdruck" auf den Punkt genau traf.
Auf Mahlers Vierte folgte nach der Pause schließlich noch eine Reihe von Zugaben, die man im Programmheft lediglich als "Herzensstücke" angekündigt hatte. Ein bis zur letzten Minute unter Verschluss gehaltenes Überraschungspaket, das von Joana Mallwitz selbst anmoderiert wurde. Den Beginn machte dabei die Ouvertüre zu Prokofjews "Krieg und Frieden". Der großen Erfolgsproduktion ihrer ersten Nürnberger Saison. Gefolgt von Prokojews Symphonie Classique, die einst das Antrittskonzert der Dirigentin eröffnet hatte und nun den Kreis deutungsvoll schloss.
Lesen Sie hier die Kritik von BR-KLASSIK zu Joana Mallwitz' "Krieg und Frieden" in Nürnberg.
Die "Herzensstücke" waren jedoch nicht nur eine Gelegenheit, um auf Höhepunkt des letzten fünf Jahre zurückzublicken, sondern ebenfalls ein Moment des "Was wäre wenn". Wurde die Gunst der Stunde doch genutzt, um zumindest in Ausschnitten einige Projekte zu präsentieren, deren Realisierung der Pandemie zum Opfer gefallen war. So etwa Schuberts "Unvollendete", die es trotz einer seit Jugendtagen gepflegten Affinität der Dirigentin leider nie ins Programm der Philharmonischen Konzerte geschafft hatte. Oder der ursprünglich als Schlusspunkt der Ära Mallwitz geplante "Parsifal".
Der nun vorgestellte "Karfreitagszauber" zeigte die Dirigentin erneut als detailversessene Klangmagierin, die wie schon zuvor bei Mahler nun ein weiters Mal bewies, dass man Weihe nicht zwangsläufig mit pathetisch breiten Tempi herbeizaubern muss. Stattdessen präsentierte Mallwitz einen schlanken, leicht musizieren Wagner, der es umso mehr bedauern ließ, dass dem Publikum ihre komplette Interpretation des Bühnenweihfestspiels zunächst vorenthalten bleibt. Doch dürfte es lediglich eine Frage der Zeit sein und das größte Rätsel vor allem darin bestehen, welches Opernhaus oder Festival ihr wohl als nächstes ein Angebot man, dem sie nicht widerstehen kann.
Das Nürnberger Publikum und die Staatsphilharmonie feierten Joana Mallwitz an diesem Abend mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und mit stehenden Ovationen, für die sich die scheidende Generalmusikdirektorin sichtlich gerührt und gewohnt unprätentiös bedankte.
Die endgültig letzte Zugabe folgt dann im Sommer mit dem großen Nürnberger Klassik Open Air. Am 30. Juli, live übertragen auf BR Klassik.
Sendung: "Piazza" am 29.04.2023, 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Montag, 01.Mai, 14:08 Uhr
Sängerin
Kann den Enthusiasmus nicht teilen
Wenn jemand von Ihnen, Proben mit ihr erlebt hätte, mitbekommen hätte, wie wenig sie sich mit den Partien befaßt hat, wie wenig sie davon versteht, Sänger zu führen, dann würde es nicht zu seiner Lobhudelei kommen. Frau hin oder her ... Das können sollte entscheiden.
Sonntag, 30.April, 13:00 Uhr
Prunkl Christine
Abschied Mallwitz
Was das "ziehen lassen" betrifft: Ein künstlerischer Weg hat viele Verzweigungen. Es ist ganz normal, sich weiter entwickeln, Erfahrungen machen zu wollen. Das Konzert: Phänomenal.
Samstag, 29.April, 15:20 Uhr
Apfelböck
Mallwitz
Ja mei!
Wenn man so jemand ziehen lässt, kann man nur noch Winke, Winke machen.
Stadt und Staat haben wohl immer noch nicht kapiert, wen Nürnberg und Bayern da verlieren.