Die Klavierlegende Martha Argerich und die venezolanische Pianistin Gabriela Montero spielten am 1. Dezember in der Münchner Isarphilharmonie. Beim gemeinsamen Klavierabend gab es neben verspieltem Mozart auch wilde Tanzrhythmen von Rachmaninow. Was passiert, wenn zwei individuelle Künstlerinnen aufeinandertreffen und ein gemeinsames Ganzes entstehen soll?
Bildquelle: Adriano Heitmann
Ein großer Konzertflügel kann erstaunlich ganz intim klingen. Vielleicht liegt es aber auch an der Vertrautheit, die die beiden Musikerinnen, die an diesem Flügel sitzen, ausstrahlen. Martha Argerich und Gabriela Montero spielen in der Münchner Isarphilharmonie ein gemeinsames Konzert. Argerich, die Klavierlegende, sehr präsent als Solistin, in ihrem Stil, in ihren Interpretationen. Und Gabriela Montero, ebenfalls eine Künstlerin, die einen sehr direkten, sehr energetischen, sehr starken Zugriff auf die Musik hat. Und jetzt müssen sich die beiden die Tastatur teilen.
Aber Martha Argerich ist eben nicht nur eine großartige Solistin, sondern auch eine versierte Kammermusikerin. Man kennt sie als Klavierpartnerin eigentlich fast genauso gut wie als Solistin. Und das war besonders im ersten Teil des Abends zu spüren. Zwei Sonaten von Mozart und die Fantasie in f-Moll von Schubert standen auf dem Programm – alles für vierhändiges Klavierspiel. Und das ist ja irgendwie auch die intimste, radikalste Variante der Kammermusik.
Gabriela Montero | Bildquelle: Anders Brogaard Martha Argerich spielt in diesem ersten Teil das Secundo, also die zweite Stimme, die Bassstimme. Die Mozart-Sonate in D-Dur KV 381 ist sehr leichtfüßig und verspielt. Argerich setzt da schönen, weichen und wohligen Bass, Gabriela Montero eine sehr sangliche, klare Oberstimme. Wunderschön phrasiert von beiden mit einer eleganten Zurückhaltung, die die klassische Schönheit dieser Musik ausformt, sie blitzen lässt ohne sie zu übertreiben. In der zweiten Mozart-Sonate in C-Dur KV 521 taucht dann aber schon eine andere interpretatorische Schwierigkeit auf, wenn in der Durchführung im Kopfsatz kurz ein fugenartiges Thema auftaucht. Die Stimmaufteilung wird zerfurchter, etwas, was die beiden Musikerinnen im Konzert aufgreifen und die Klarheit dieser Musik kurz aufbrechen lassen. Da fährt dann die Mittelstimme zwischen die Sanglichkeit der Oberstimme, der Fokus zwischen erster und zweiter Stimme wandert hin und her und zeigt auch ein bisschen, was da in diesem Konzert noch kommen würde.
Hört man da ein Instrument? Oder zwei Musikerinnen? Im Idealfall wohl genau die Mitte. Dieses Ideal ist aber gleichzeitig sehr schwierig zu fassen. Als Musikerinnen so zu verschmelzen. Nicht nur im physischen Spiel, sondern auch vom Kopf. Eine gemeinsame Stoßrichtung, eine gemeinsame Phrasierung, ein gemeinsamer Atem muss gefunden werden. Trotzdem braucht es Brillanz in den führenden Stimmen. Das gelingt an diesem Abend eigentlich am schönsten bei Schubert. Diese Fantasie hat schon etwas viel offeneres in der Form als Mozart. Etwas Dunkleres, etwas Brodelnderes trifft auf ein Hauptmotiv, das sich wie ein Schluckauf auf eine ganz regelmäßige Bassbegleitung setzt. Martha Argerich und Gabriela Montero haben das wirklich fein gearbeitet. Der wunderschöne Beginn klingt einnehmend schlicht, umso wilder dann die folgenden Variationen und Verdunklungen. Dynamik und Phrasierung sitzen hier, kommen auf den Punkt. Die Musik bleibt so auch in dem Tastengebrodel, das dann da auch in der Mitte auftaucht, nachvollziehbar und vor allem spannend. Der Höhepunkt des Abends, an dem sich individuelle Virtuosität und intimes gemeinsames Musikverständnis getroffen haben.
Schumanns Andante und Variationen für zwei Klaviere op. 46 und Rachmaninows Suite für zwei Klaviere in C-Dur hatten nach diesem Kammermusikflair fast etwas Symphonisches. Faszinierend auch, wie viel luftiger etwa Schumann diese Komposition angegangen ist als Schubert oder Mozart. Es ist der Musik richtig anzuhören, dass sich nun nicht mehr zwei Personen hinter eine Klaviatur drängen und sich auch physisch mit dem Platz arrangieren müssen. Die Musik für zwei Klaviere ist eher wie ein Ping-Pong-Spiel, in dem Motive und Läufe hin- und hergeworfen werden. Ganz paritätisch haben die beiden hier für den zweiten Teil die Stimmen getauscht, Martha Argerich spielt jetzt das Primo.
Der große Klang passt dann auch vor allem zu Rachmaninow, der in irrem Tempo verschiedene Tanzstile wie den Marsch, einen Walzer oder eine Tarantella zitiert, die Motive unter all den Arpeggien nur so aufblitzen lässt. Argerich hat hier eine ganz eigene Beiläufigkeit wie sie ihre Oberstimme zwischen all diesen vielen anderen Tönen herausklingen lässt. Den längeren Noten gibt sie eine Gelassenheit und damit aber auch einen Nachdruck. Alles, was darunter liegt, was die Stimmen vernebelt, einhüllt und wieder hochschwemmt, das darf sein und klingen und den Raum erfüllen. Trotzdem bleiben die Linien und Richtungen dieser Musik klar, sind die Ahnung und die Verheißung, die in dieser Musik liegen, spürbar. Ein besonderes Konzert, das mit einem gar nicht alltäglichen Repertoire von der intimen und berührenden Begegnung zweier Künstlerinnen erzählt. Entsprechend viel Applaus gab es – in ähnlicher Lautstärke wie bei einem Popkonzert.
Sendung: "Allegro" am 2. Dezember 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Montag, 02.Dezember, 23:16 Uhr
Marie-Christine Federle
Zugabe
Sehr geehrte Frau Argauer,
mich würde interessieren, welches Stück als Zugabe gespielt wurde. Haben Sie dazu eine Information?
Freundliche Grüße
Liebe Frau Federle, das war die Zugabe: J.S. Bach/György Kurtág: "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit", BWV 106. Viele Grüße vom Team BR-KLASSIK
Montag, 02.Dezember, 16:45 Uhr
Editha Majer
Ärgerlich/Montero
Ich würde mir sehr wünschen, dass das Konzert auf BR klassik kommt. Ich lebe am Bodensee und kann nicht einfach nach München ins Konzert. Ich bin grosser Fan von BR Klassik.
Montag, 02.Dezember, 15:32 Uhr
Dr. Martin Müller
Rezension Argerich/Montero
Ich habe das Konzert nicht gehört, finde die Kritik fundiert, kompetent und gut verständlich, auch in der Länge gut.