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Kritik – Liederabend Münchner Opernfestspiele Standing Ovations für Kaufmann-Ersatz Beczała

Nach der Absage von Jonas Kaufmann begeisterte Einspringer Piotr Beczała das Münchner Publikum. Mit einem Kontrastprogramm: Statt Schubert gab es einen tiefen Blick in die slawische Seele.

Piotr Beczala und Helmut Deutsch verneigen sich vor dem Flügel | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Absagen tun immer weh. Vor allem von Jonas Kaufmann. Einmal natürlich den Fans, die einem Abend mit ihrem Star oft wochen- und monatelang entgegenfiebern. Aber natürlich ebenso den Künstlern und Künstlerinnen selbst. Und so hatte es sich auch Jonas Kaufmann nicht einfach gemacht und noch zwei Tage vor seinem geplanten Münchner Festspiel-Liederabend mit Klavierbegleiter Helmut Deutsch geprobt, ehe er letztlich doch auf seinen Körper hören musste. Denn der Tenorstar kämpft leider noch immer mit den Nachwehen eines multiresistenten Keims, der ihn zuletzt mehrfach zum Pausieren gezwungen hatte.

Piotr Beczala | Bildquelle: Jean Baptiste Millot Bildquelle: Jean Baptiste Millot Die Enttäuschung währte jedoch nicht lange. War es der Bayerischen Staatsoper doch gelungen, mit Piotr Beczała kurzfristig einen ähnlich hochkarätigen Ersatzmann aus dem Hut zu zaubern, der von den Opernfans für das mutige Einspringen mit begeistertem Applaus empfangen wurde. Genau wie Helmut Deutsch, dem man hier ebenfalls ein Kompliment aussprechen muss. Angesichts der Tatsache, dass er keine 48 Stunden zuvor noch Schubert geprobt hatte und sich nun auf neue Komponisten und einen neuen Partner einstellen musste. Wobei auch er und Beczała sich natürlich bestens kennen und schön öfter gemeinsam Liederabende zusammen bestritten haben, an die das Duo nun mit einer Mischung aus Routine und Adrenalin anknüpfte.

So klingt eine slawische Seele

Vergleiche mit dem ursprünglich angekündigten Programm im Münchner Nationaltheater erübrigten sich dabei von vornherein, weil statt durchgeistigtem deutschem Kunstlied nun ein tiefer Blick in die slawische Seele geboten wurde. Stücke von Piotr Beczałas polnischen Landsmännern Mieczysław Karłowicz und Stanisław Moniuszko, sowie Kompositionen aus der Feder von Dvořák, Tschaikowsky oder Rachmaninow. Dass der Abend dabei sehr mit heißer Nadel gestrickt wurde, war der Darbietung dabei aber nur selten anzumerken. Etwa dann als im Tschaikowsky-Block plötzlich die Noten für das letzte Lied abhandengekommen waren und die für das Umblättern zuständige junge Dame flotten Schrittes das fehlende Blatt organisierte. Ein kurzer menschelnder Moment, der die Konzentration jedoch keineswegs störte, sondern zwischen den melancholischen Gesängen für ein kurzes befreiendes Lachen alle Anwesenden sorgte, ehe die ausgewählten Rachmaninow-Stücke einen hoch emotionalen Schlusspunkt setzten.

Smartphone statt Programmheft

Einziger Wermutstropfen war da die Tatsache, dass auf die Schnelle leider kein Programmheft mehr gedruckt werden konnte und man auf das Smartphone angewiesen war, wenn man die Übersetzung der im Internet gesuchten Texte mitlesen wollte. Aber selbst mit rudimentär bis gar nicht vorhandenen Polnisch- oder Russischkenntnissen, war hier durchwegs zu spüren, wie sehr sich Beczała den Werken vom Text her nährte und mit subtilen Akzentuierungen spielte. Und wieviel Emotion von ihm in die einzelnen Lieder gelegt wurde. Nicht nur in Tschaikowskys russischer Vertonung von Goethes "Nur wer die Sehnsucht kennt", mit der es zumindest indirekt dann doch noch eine kurze ehrfurchtsvolle Verneigung in Richtung Schubert gab.

Beczała kann auch Operette

Piotr Beczała hat sich in den letzten Jahren immer weiter ins dramatische Fach vorgetastet. Mit Rollen wie dem Lohengrin in Bayreuth oder seinem Radames bei den Salzburger Festspielen. Ähnlich wie viele andere Kolleginnen und Kollegen gönnt aber auch er sich immer wieder Liederabende, um die Stimme neu zu eichen. Und obwohl sein Tenor in der Mittellage an Substanz und beinahe schon baritonaler Färbung gewonnen hat, besitzt er noch die nötige Geschmeidigkeit, um neben der kraftvollen Attacke in Dvořáks "Zigeunerliedern" auch immer wieder mit leisen und gefühlvollen Tönen zu berühren. Ebenso wie mit den vom Festspielpublikum vehement eingeforderten Zugaben, die sich vom folkloristisch angehauchten Moniuszko bis hin zu Lehárs "Dein ist mein ganzes Herz" spannten. Dargeboten mit zartestem tenoralem Schmelz, von Helmut Deutsch überaus delikat begleitet und von der begeisterten Menge mit stehenden Ovationen belohnt.

Kommentare (1)

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Mittwoch, 26.Juli, 22:51 Uhr

Brigitte Kaufmann

Konzert / München/ Piotr Beczala

Ich habe das Konzert nicht hören können, aber ich wußte das Herr Beczala es meistern würde und sein erschienenes Publikum nicht entäuschen würde ?????

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