Ein wildes Programm, eine beeindruckendes Dirigentin: Die Münchner Philharmoniker unter Nathalie Stutzmann spielen Dowland, Schumann, Mozart und Wagner. Der Zusammenhang erschließt sich nicht ganz, musiziert ist es aber famos.
Bildquelle: Lukas Barth
Dowland, Mozart, Wagner und Schumann, das ist eine ziemlich ungewöhnliche und auch recht eigenwillige Kombination für ein Symphoniekonzert. Und es ist auch nicht so, dass die Stücke eine tiefere Verbindung miteinander hätten. Nein, es ist der Kontrast in den Epochen, Stilistiken und Spielweisen, die Natalie Stutzmann ganz offenbar an dieser Auswahl interessiert hat. Was auf alle Fälle positiv wirkte, das war, dass Wagners Siegfried-Idyll, dieses faszinierende Kleinod für Kammerorchester, das Wagner seiner Frau Cosima als Geburtstagsgeschenk in einer privaten Aufführung in ihrem Haus bei Luzern präsentierte, hier nicht als Einspielstück zu hören war, wie sonst meist üblich, sondern nach Mozarts Sinfonia concertante KV 297b an zweiter Stelle.
Und Nathalie Stutzmann, die gefeierte "Tannhäuser"-Dirigentin in Bayreuth, machte auch in diesem kleinen Werk – im Vergleich zu den Opern – ihre sehr enge Beziehung zu Wagner deutlich. Mit einer hinreißenden Klanglichkeit, perfekt ausgehörten Übergängen, spannend und gestenreich gestalteten Höhepunkten und Umschwüngen. Stutzmann ließ in großer Besetzung wie für eine Oper spielen, aber sie wahrte stets die klangliche Contenance, nichts war lärmig oder überpointiert. Durch ihre plastischen Klangmodellierungen hatte man fast das Gefühl, tatsächlich eine Oper zu hören. Das war wirklich außergewöhnlich und begeisternd. Stutzmann machte selbst mit diesem vergleichsweise kleinen Wagner-Werk einmal mehr unmissverständlich deutlich, dass sie derzeit zu den besten Wagner-Dirigent:innen zählt.
Den Anfang aber machte sie mit Mozarts mit seiner Sinfonia concertante für Oboe, Klarinette, Fagott und Horn – also Bläserquartett – und Orchester. Wobei die jüngere Forschung davon ausgeht, dass diese Komposition gar nicht von Mozart stammt. Andererseits fragt man sich angesichts der deutlich hörbaren Mozart-Nähe schon, von wem sie sonst stammen sollte? Wie auch immer, es handelt sich um ein überaus charmantes, spielfreudiges Stück, das hohe Virtuosität vom Solisten-Quartett und waches Begleiten vom Orchester erfordert. Das Quartett aus den Reihen der Philharmoniker bot exzellente kammermusikalische Feinarbeit und Homogenität im Zusammenspiel. Und auch das Orchester begleitete feinsinnig, wenngleich man insbesondere im ersten Satz durchaus ein wenig mehr Funken aus dem Orchester hätten schlagen können. Da blieb Stutzmann eher zurückhaltend, Originalklang-Spielweise ist offenbar nicht ihr Ding.
Paul Müller, scheidender Intendant der Münchner Philharmoniker, zieht Bilanz.
John Dowland fungierte in diesem Programm dann gewissermaßen als der Überraschungsgast des Abends. Der englische Lautenkönig der Renaissance war hier in einer von Stutzmann arrangierten Streichversion mit seinen wenige Minuten dauernden "Lacrimae Antiquae" zu hören, bevor es ohne Unterbrechung mit Schumanns Zweiter weiter ging. Kann man machen, aber der tiefere Sinn dieser Verschränkung erschloss sich nicht wirklich. Schumann hatte sich vor seiner Zweiten ja viel mit Bach beschäftigt, also wenn schon ein Bezug zur Historie, dann wäre der zu Bach naheliegender gewesen. Sei's drum – ein Hinhörer war der kurze Dowland allemal. Schumanns tragisch-heitere Licht-und-Schatten-Symphonie hatte unter Stutzmanns Leitung Tiefe und Klangfülle, war befeuernd im Scherzo und mit lichter Klarheit im Schlusssatz. Was ein wenig fehlte war das Al-fresco in Schumanns sprudelnden musikalischen Gedanken und Wendungen.
Sendung: "Allegro" am 9. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Montag, 09.Dezember, 19:30 Uhr
Schulte
Übergang Dowland auf Schumann
Ohne Unterbrechung von der Renaissance in die Romantik? Dem Publikum keine Chance geben, Dowland etwas wirken zu lassen - das kann man nicht machen! Ich habe mich außerordentlich geärgert. Und ein großer Teil des Publikums hat es nicht gemerkt und hielt das Ende des ersten Satzes von Schumann für das Ende von Dowland und hat geklatscht. Muss man Dowland und Schumann kennen, bevor man würdig ist, für ein Konzert der Münchner Philharmoniker zu bezahlen?
Montag, 09.Dezember, 05:36 Uhr
Maier lisa
11h phil am 8.12.24
Der uebergang v.dowland zu schumann war kaum hoerbar.so gewollt?die zeit draengte,auch v.3.zum 4.satz fast uebergangslos.naja.etwas zu voll gestopft,sonst aber hervorragend