Das Erzgebirgische Theater in Annaberg-Buchholz ist eines der kleinsten deutschen Opernhäuser. Seit 2021 ist Moritz Gogg dort Intendant. Er hat ein Faible für musikalische Ausgrabungen, die schon für internationales Aufsehen sorgten. Darunter Werke aus den 30er Jahren, die durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten keine Chance hatten, aufgeführt zu werden. Nun ist in Annaberg sogar eine Uraufführung zu erleben: "Don Buonaparte" von Alberto Franchetti. Mussolini ließ eine Aufführung des damals 80-jährigen Komponisten nicht zu. Franchetti war Jude.
Bildquelle: Ronny Küttner
Was passiert, wenn in einer kleinen Gemeinde plötzlich bekannt wird, dass einer der Ihrigen mit einem bedeutenden Staatsmann verwandt ist? In einem Dorf in der Toscana ist Pfarrer Geronimo ein Onkel von Kaiser Napoleon Bonaparte. Und nicht nur das – der berühmte Neffe will seinen Onkel nun auch gleich in Paris zum Kardinal befördern. Die Dorfbewohner bewerben sich bei ihrem Pfarrer gleich um künftige Stellen in Paris und auch die örtliche Mafia macht sich bemerkbar. Aber Geronimo bleibt in der Toscana und preist die Armut und das Landleben seiner Heimat. "Duo Buonparte" – die Komödie von Giovacchino Forzano diente 1941 als Drehbuch für einen erfolgreichen Film, doch die gleichnamige Opernkomposition von Alberto Franchetti blieb unaufgeführt. Der damalige Ministerpräsident Italiens, der Faschist Benito Mussolini, ließ eine Aufführung des jüdischen Komponisten nicht zu.
Nach 82 Jahren wird diese Oper nun zum ersten Mal gezeigt. Der Verdienst kommt vor allem dem Schriftsteller und Komponisten Helmut Krausser zu, der eine Doppelbiographie über zwei Komponisten geschrieben hat: "Die ungleichen Rivalen Puccini und Franchetti". Darin erzählt Krausser vom bewegten Leben Franchettis, der ein Sohn des Eisenbahnmilliardärs Baron Raimondo Franchetti war. Helmut Krausser ist über den Sohn Alberto Franchettis an die Partitur gekommen und hat sie editiert.
Szene aus der Oper "Don Buonaparte", die am 14. Oktober 2023 ihre Uraufführung am Erzgebirgetheater hatte | Bildquelle: Ronny Küttner Vom künftigen weiteren Erfolg dieser Musikkomödie des einst so erfolgreichen Komponisten Franchetti ist das Erzgebirgische Theater überzeugt. Und tatsächlich liegt das Werk bei der Erzgebirgischen Philharmonie und dem musikalischen Leiter Jens Georg Bachmann in guten Händen. Bachmann dirigiert temperamentvoll und vor allem in den großen Chören voll Energie, farbenreich lyrisch, dann wieder spöttisch. Aber dennoch: "Don Buonaparte" ist, verglichen mit Puccinis "Gianni Schicchi", ein eher konventionell geratenes Alterswerk und kein Aufsehen erregendes Meisterwerk.
Eine weitere Produktion ist dennoch wünschenswert, um die, wie das Theater ankündigt, "historisch orientierte" Inszenierung und Ausstattung von Lev Pugliese ein wenig zu relativieren und zeitgemäßer zu gestalten. Pugliese führt in historischen Landschaftsbildern eine harmlose Idylle vor. Die großen Widersprüche, die in der Oper hevorbrechen, sind humorig zugekleistert: Lob der Heimat und gleichzeitig der Wunsch, mit dem Besatzungssoldaten auszuwandern. Lob der Armut und gleichzeitig Verstrickung mit der Mafia. Solidarität im Dorf und gleichzeitig Verspottung. Das Ensemble des Erzgebirgischen Theaters ist an musikalische Entdeckungen mittlerweile gewohnt und ist trotz der altväterlichen Kostüme mit viel Spielfreude dabei. Insbesondere Lászlo Varga wirkt in der großen Rolle des Don Geronimo jugendlich und doch gleichzeitig abgeklärt sowie weise – ein Spielmacher wie Prospero in Shakespeares "Sturm". Das Uraufführungspublikum war begeistert und bedachte diese Opernentdeckungsreise mit viel Beifall.
Sendung: "Allegro" am 16. Oktober 2023, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Dienstag, 17.Oktober, 18:57 Uhr
Thomas Thielemann
Inszenierung
Aber gerade in der "hystorischen Orientierung " der Inszenierung lag der Reiz des Abends. Schon der Verfertiger einer einer, übrigens wünschenswerten Aufnahme in einen Spielplan kann nicht so unbeschwert arbeiten wie Pugliese .
Dienstag, 17.Oktober, 13:50 Uhr
Helmut Krausser
Der Unterschied zwischen Puccini und Franchetti ist die schnelle Eingängigkeit. Gianni S. ist recht nett, aber doch eine der schwächeren Opern des Meisters. Don Buonaparte hingegen ist groß. Man muss es eben mehrmals hören, um das Genie der motivischen Verwebung zu begreifen.