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Premierenkritik - "Salome" in Immling Brutal und abgründig

Liebliche Landschaft, brutales Bühnengeschehen: Das Immling Festival eröffnet in diesem Jahr mit Richard Strauss' "Salome". Regisseur Ludwig Baumann kehrt alle darin angelegten Abgründe heraus. Eine Herausforderung im Chiemgauer Idyll.

Bildquelle: Immling Festival

Premierenkritik

"Salome" in Immling

Gut Immling strahlt in frühsommerlicher Blütenpracht, und das Publikum strömt aus den Transfer-Bussen zu Alphornklängen bestens gelaunt auf den Hügel mit der Reithalle, die nun wieder das Chiemgauer Festspielhaus ist. Drinnen startet die 27. Festivalausgabe. Allerdings aus kompletter Dunkelheit heraus mit einem von Ludwig Baumann und seinem Regieteam aus elektronischen Loops und Videos eingespielten szenischen Prolog zu Richard Strauss' abgründiger Salome: Ein Gefangenenlager, misshandelte Gestalten, Wachen mit Maschinengewehren – alle in schwarzen Gewändern und mit bleichen Gesichtern. Hier geht es brutal zu, wird von Kameras überwacht, aufgezeichnet und nach Bedarf auch aus dem Überwachungsraum abgespielt.

Lidia Fridmann mit facettenreichem Sopran

Auch Prinzessin Salome wird gefilmt, während sie sich bei der Festtafel auf der seitlichen Bühnenempore langweilt. Geschickt werden verschiedene Spielebenen ausgeleuchtet, im Zentrum der breiten Immlinger Bühne ist eine schwarze Scheibe das Zentrum des Dramas.

Hier leidet der verliebte Hauptmann Narraboth bis zum Selbstmord und wird auch Jochanaan vor aller Augen mit der Axt geköpft werden.  Vorher lässt der Waliser Rhys Jenkins aus seinem Käfig heraus mit mächtig dröhnender Stimme seine Prophezeiungen ertönen, und Lidia Fridmann als Salome beginnt katzenhaft und mit unerschöpflich facettenreichem Sopran ihr tödliches von Begierde und Liebessehnsucht getriebenes Machtspiel.

Zwei pausenlose Stunden in einer kaputten Gesellschaft

Kassandra Dimopoulou als Herodias beim Immling Festival 2023. | Bildquelle: Immling Festival Kassandra Dimopoulou als Herodias beim Immling Festival 2023. | Bildquelle: Immling Festival Das Regieteam aus Ludwig Baumann, Mariella Weiss und Linua Land erzählt in den knapp zwei pausenlosen Stunden sehr viel über die Hintergründe dieser erschreckend kaputten Gesellschaft. Zum Schleiertanz zeigen Videos den Missbrauch Salomes seit früher Kindheit kombiniert mit Lidia Fridmanns Ketten-Fesselungsspielen. Jon Jurgens als hervorragender Narraboth wird von Irina Maltseva in der Rolle des Pagen geliebt. Ludwig Baumann hat die Figur geschickt zu einer verzweifelnden Frau umgedeutet – ein starkes Paar! Hans-Georg Priese als durchaus mehrdimensionaler Herodes ist der großartigen Titelheldin ein ebenbürtiger Widerpart. Sängerisch glänzt diese Salome auf sehr hohem Niveau.

Herkulesaufgabe: Strauss' mächtiger Orchesterpart

Der mächtige Orchesterpart ist allerdings die größte Herausforderung für die Immlinger Bedingungen. Cornelia von Kerssenbrock meistert die Herkulesaufgabe beachtlich, an manchen Stellen muss noch etwas nachgeschliffen werden, doch vom flirrenden Irrsinnston über spätromantisches Wogen bis hin zur brutalen Kakophonie ist alles geboten in dieser schonungslos düsteren Immlinger Salome. Starker Tobak im Idyll, aber zum Glück ist draußen die Welt ja wieder in Ordnung – oder?

Sendung: "Allegro" am 12. Juni ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 11.Juni, 13:49 Uhr

G. Henseler

Kritik SALOME. in Immling

Als ich Ihre Kritik der Salome in Immling gelesen hatte, war ich sehr verwundert. In dieser Oper gibt es eine weitere, wichtige Hauptfigur, die der Herodias. Sie war sehr präsent auf der Bühne, stimmlich wie optisch, wurde aber von Ihnen total ignoriert bzw. überhaupt nicht erwähnt.
Ich finde, die wäre einer Kritik ebenso würdig gewesen wie alle anderen ihrer Kollegen auch.
Ich bin von BR - Klassik eigentlich mehr Professionalität gewohnt

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