Wer komponiert besser? Johann Sebastian Bach oder Johann Adolph Scheibe? Die Mezzosopranistin Laila Salome Fischer macht den Test und vergleicht bei den Herrenchiemsee Festspielen zwei ungleiche Rivalen.
Bildquelle: Ekaterina Krylova
BR-KLASSIK: Laila Salome Fischer, bei den Herrenchiemsee Festspielen singen Sie Werke von Johann Sebastian Bach und Johann Adolph Scheibe. Das Programm trägt den bezeichnenden Titel "Ungleiche Rivalen". Scheibe hat damals Bachs Kompositionsstil kritisiert, hat ihn als verworren, finster und schwülstig bezeichnet. Bach soll sich über diese Kritik so geärgert haben, dass er wiederum die Werke von Scheibe kritisiert hat. Jetzt ist es nicht einfach, Komponisten und Werke gegeneinander aufzuwiegen. Aber wie geht es Ihnen persönlich, wenn Sie die Werke der beiden im direkten Vergleich miteinander singen?
Laila Salome Fischer: Dass Bach und Scheibe Zeitgenossen waren, ist manchmal schwer zu glauben, weil sie so unterschiedlich waren. Genau das ist auch genau der Disput. Bach hat für damalige Verhältnisse relativ altmodisch komponiert. Für uns heutzutage ist es natürlich undenkbar, Johann Sebastian Bach zu kritisieren, er gilt sozusagen als "Gott" unter den Komponisten. Aber für seine späteren Zeitgenossen war die Musik alt und schwülstig. Sie wollten tendenziell Richtung Wiener Klassiker gehen. In dieser Phase hat Johann Adolf Scheibe komponiert. Deswegen ist es sehr interessant, die beiden Komponisten gegenüberzustellen, um zu sehen, was eigentlich die musikalische Mode dieser Zeit war und welche Musik es in die Ewigkeit geschafft hat. Ich würde sagen, Bach hat den Zeitwettlauf gewonnen.
Bach hat für damalige Verhältnisse relativ altmodisch komponiert.
BR-KLASSIK: Wie geht es Ihnen stimmlich mit den beiden Komponisten?
Laila Salome Fischer: Ich singe die Scheibe-Stücke sehr gerne, sie sind wirklich eine Entdeckung. Ich habe mich tatsächlich erst durch dieses Programm mit Scheibe als Komponisten auseinandergesetzt. Wir haben wirklich kleine Juwelen entdeckt und sie singen sich sehr angenehm. Bach liebe ich natürlich auch, da ist eine Tiefe drin, die noch mal in eine andere Richtung geht. Bei Scheibe ist die Musik wesentlich leichtfüßiger. Wir haben eine sehr dramatische Arie im Programm: Maria betrauert den Tod ihres Sohnes Jesus. Selbst diese Arie hat eine Leichtfüßigkeit, die so im Kontrast zum Text steht. Aber das finde ich gerade sehr bezaubernd an diesem Stück und für mich auch sehr berührend.
Mittwoch, 17. Juli, 19:00 Uhr
Münster Frauenchiemsee
"Ungleiche Rivalen"
Werke von Johann Sebastian Bach und Johann Adolph Scheibe
Laila Salome Fischer, Mezzosopran
Concerto Köln
Max Volbers, Leitung
Weitere Informationen
BR-KLASSIK: Sie beschäftigen sich viel mit Barockmusik und der entsprechenden Aufführungspraxis, haben unter anderem mit Jordi Savall zusammengearbeitet. Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Barockmusik?
Laila Salome Fischer: An der Barockmusik liebe ich es, dass wir als "reproduzierende Künstler" ganz anders kreativ sein können, weil wir versuchen müssen zu verstehen, was die Komponisten eigentlich wollten. Natürlich gibt es Schriften, wo man ungefähr erahnen kann, wie es damals aufgeführt worden ist. Aber wir haben sehr viel Verantwortung, den richtigen Ton zu finden. Im Gegensatz zu allem, was danach kommt, wo es viele Aufnahmen gibt, wo wir Hörgewohnheiten haben. Da ist es auch schwerer, sich davon zu lösen. Das Tolle an der Barockmusik und auch allem davor ist, dass wir so viel zu entdecken haben und so frei sein können.
Das Tolle an der Barockmusik ist, dass wir so frei sein können.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Amor se la palma | Cesti | Laila Salome Fischer
BR-KLASSIK: Sie haben mit acht Jahren den ersten Gesangsunterricht genommen. War es für Sie da schon klar, dass Sie das Singen auch beruflich machen möchten?
Laila Salome Fischer: Die Faszination für Oper, Musiktheater und Klassische Konzerte war so groß, dass ich tatsächlich insgeheim wusste, dass ich das auch mal beruflich machen möchte. Ich hatte natürlich auch noch andere Kindheitsträume. Aber es war irgendwie immer klar, dass es in diese Richtung gehen wird.
BR-KLASSIK: Sie spielen ja auch Ukulele und singen dazu eigene Stücke, Popmusik, aber eben auch Barockmusik. Wie geht das für Sie zusammen?
Laila Salome Fischer: Im Prinzip ist die Ukulele tatsächlich eine Renaissance-Instrument. Es wurde zumindest in der Zeit entwickelt, weil es eigentlich eine Kopie einer portugiesischen Renaissance-Gitarre war. Deswegen ist es tatsächlich gar nicht so abwegig, die Ukulele zu nehmen. Das habe ich allerdings erst nachträglich mitbekommen, als ich schon längst diese Stücke gespielt habe. Die Ukulele habe ich lieben gelernt, als ich Jugendliche war. Ich habe vorher auch Gitarre gespielt, Klavier und andere Instrumente. Aber die Ukulele hat es mir besonders angetan. Es gibt eine wahnsinnig süße Ukulelen-Szene auf der ganzen Welt, die so offenherzig und warmherzig ist, dass man da nicht mehr raus möchte, wenn man da einmal reingekommen ist. Und ich habe natürlich für mich als klassische Sängerin gedacht: Ja, okay, was mach ich damit? Der erste klassische Versuch war tatsächlich, dass ich die Arie der "Königin der Nacht" gesungen habe, begleitet von der Ukulele. Später bin ich darauf gekommen, dass sich Frühbarock tatsächlich noch ein bisschen besser eignet als Mozart. Und so hat sich das entwickelt. Ich liebe Musik in jeglicher Hinsicht und möchte mich nicht so einschränken lassen. Deswegen genieße ich, dass sich mit der Ukulele alles machen kann, was ich vielleicht auf den Konzertpodien nicht machen kann.
Die Ukulele hat es mir besonders angetan.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Havana - Passacaglia della vita | Camila Cabello - Stefano Landi Ukulele Cover | UkeLaila
BR-KLASSIK: Sie mögen Crossover-Projekte. Auf einer CD mit Musik von Barbara Strozzi haben Sie im Jazz und Barock miteinander kombiniert. Was macht da für Sie den Reiz aus?
Laila Salome Fischer: Ich finde es immer schön zu sehen, dass diese alte Musik nicht tot ist, sondern dass sie lebt. Es gibt Crossover-Projekte, wo man das sehr gut zeigen kann. Es macht einfach Spaß, wie in diesem Fall für die CD Stücke von Barbara Strozzi zu nehmen, sie zu erarbeiten und dann neue Farben zu finden, etwa mit einem Saxofon. Ich mache aber Crossover nicht um jeden Preis. Es muss schlüssig sein und funktionieren. Ich habe auch schon Crossover-Projekte verworfen, weil die Idee im Kopf zwar toll war, aber dann aufgesetzt gewirkt hat. Aber ich liebe es, mit meiner Stimme, zu experimentieren. Richard Strauss singe ich natürlich ganz anders als Arien von Bach oder von Barbara Strozzi. Aber das hört für mich nicht im Bereich der klassischen Musik auf. Es macht mir Spaß, auch noch andere Gesangstechniken auszuprobieren. Ich bin keine Popsängerin, ich bin keine Jazzsängerin, ich weiß, wo meine Grenzen sind. Aber sich damit zu beschäftigen und dieses Instrument "Körper" in jeglicher Form zu benutzen, das macht mir viel Freude.
Sendung: "Allegro" am 16. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)