Sechs Jahre lang leitete Marcello Viotti das Münchner Rundfunkorchester. Als Dirigent sah er sich in der Rolle des "Briefträgers" zwischen Komponist und Publikum. Am 29. Juni wäre er 70 Jahre alt geworden.
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"Erst kommt die Poesie, dann die Musik", hat der Dirigent Marcello Viotti einmal gesagt. Auf seinem Nachttisch lag daher immer ein Gedichtband. "Für mich ist die Poesie unglaublich wichtig, denn sie gibt mir so vieles, das ich vielleicht weitergeben kann."
Am 29. Juni 1954 wurde Marcello Viotti in der französischen Schweiz geboren. Sein Vater war ein italienischer Schmied, er ein musikbegeistertes Kind. Er studierte Gesang, Klavier und Cello und legte eine beispiellose Dirigentenkarriere hin, mit einem Leitungsposten nach dem anderen: Turin, Luzern, München, Venedig.
Weil ich nicht Komponist bin, bin ich nur der Briefträger.
Marcello Viotti, Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, dirigiert ein Konzert. | Bildquelle: BR / Nina Hornung
Marcello Viotti wurde ein Star, hat an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt dirigiert. Er selbst verstand seinen Beruf so: "Ich bin kein Komponist, sondern nur der Briefträger. Aber es ist ein schöner Beruf, Briefträger zu sein. Denn in einem Brief stecken so viele geheimnisvolle Sachen, so viel Poetik, so viele unbeschreibliche, selige Sachen. Auf diesen Beruf kann man sehr stolz sein."
Sein letztes Orchester, das Münchner Rundfunkorchester, hat ihn geliebt: Viotti, den Briefträger, den freundlichen Stardirigenten, der die Botschaft der Komponisten erst zu seinen Musikerinnen und Musikern trug und dann zum Publikum. Als der Bayerische Rundfunk im Jahr 2004 als Sparmaßnahme die Auflösung des Münchner Rundfunkorchesters plante, setzte sich Marcello Viotti vehement dafür ein, diesen Schritt zu verhindern. Letztendlich mit Erfolg.
Marcello Viotti war ein Dirigent der uneitlen Sorte. "Ich glaube, ich bin eher ein introvertierter Mensch", hat er mal gesagt. Viotti hat das Meer geliebt und die Oper. Vor 25 Jahren rief er die Münchner Konzertreihe "Paradisi Gloria" ins Leben, mit geistlicher Musik des 20. Jahrhunderts.
"Divertimento" mit dem Münchner Rundfunkorchester am 29. Juni ab 12:05 Uhr
"Cantabile" zum 70. Geburtstag des Dirigenten Marcello Viotti am 29. Juni ab 13:05 Uhr
"Konzertabend" zum 70. Geburtstag des Dirigenten Marcello Viotti am 30. Juni ab 19:05 Uhr
Marcello Viotti mit seiner Familie bei der Feierstunde des Münchner Rundfunkorchesters aus Anlass seines 50. Geburtstages | Bildquelle: BR / Georg Thum Im Februar 2005 brach Marcello Viotti während einer Probe mit dem Münchner Rundfunkorchester zusammen: ein Schlaganfall. Er starb wenige Tage später, mit nur 50 Jahren. Drei seiner vier Kinder waren damals noch minderjährig. Alle Viotti-Kinder sind selber Musikerinnen und Musiker geworden. Dabei hat ihr Vater sie nicht getriezt, sondern ihnen vor allem Dinge gezeigt, die nichts mit klassischer Musik zu tun haben. Das Meer zum Beispiel. Genau daran denkt sein Sohn, der Dirigent Lorenzo Viotti, am liebsten zurück. "Die Momente, an die ich mich wirklich erinnere, sind die, wenn wir tauchen waren. Er hat sich im Sommer immer fünf Wochen freigenommen und die mit uns verbracht. Er war so leidenschaftlich mit allem und hat speziell für die Familie alles gegeben.“
Sendung: "Piazza" am 29. Juni 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Donnerstag, 27.Juni, 12:52 Uhr
Paul Eifel
Danke
Auf meine Zuschrift hin haben Sie diesen Artikel ergänzt. Vielen Dank dafür!
Generell möchte ich einmal anerkennend erwähnen, dass Sie sehr häufig auch kritische Kommentare und solche, die dem BR oder dessen Klangkörpern nicht so wohlgesonnen sind, veröffentlichen. Ein Zeichen von Offenheit und Liberalität in dieser davon gerade nicht sehr verwöhnten Zeit!
Mittwoch, 26.Juni, 15:22 Uhr
Wilma Berg
Ein wirklicher Maestro
Das waren noch Zeiten mit Maestri wie Viotti! Er war nicht nur ein herausragender Dirigent, nein auch ein liebenswürdiger Mensch, der sich immer Zeit nahm für ein Gespräch mit dem Konzertgängern. Und er stand noch hinter seinem Orchester ... das fehlt heute sehr! Und diese mangelnde Verbundenheit hört man auch.
Dienstag, 25.Juni, 22:19 Uhr
Paul Eifel
Unvollständige Ehrung
Was Sie, auch in anderen Beiträgen zu Viotti, verschweigen, ist, dass er in der Zeit Chefdirigent war, in der die Abwicklung des Münchner Rundfunk-orchesters drohte und durch viele Proteste gerade noch verhindert werden konnte. Beobachter glaubten sogar, dass die Aufregung darum seinen Herzinfarkt wahrscheinlicher gemacht hat.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat sich übrigens an diesen Protesten weder beteiligt noch sonstwelche Solidarität bekundet.
Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben Viottis Einsatz für den Erhalt des Münchner Rundfunkorchesters im Artikel ergänzt.