Zwischen Grenzgängen und Traditionen: Die in Braunschweig lebende armenische Pianistin und Komponistin Marie Awadis hat gerade ihr erstes Album veröffentlicht - "Études Mélodiques". Eine einzigartige Mischung aus klassischer Musik, US-amerikanischem Minimal und armenischer Folklore.
Bildquelle: Linda Rosa Saal
Als Tochter armenischer Einwanderer kam Marie Awadis im Libanon zu Welt. Es folgten Musikstudium und Auswanderung nach Deutschland. Der Klang ihrer Musik ist versöhnlich und besonders inspiriert von Frédéric Chopin – ebenfalls ein musikalischer Grenzgänger zwischen Ost und West. Marie Awadis komponiert harmonisch zugänglich und bringt ganz subtil die verschiedenen Kulturen und Einflüsse zusammen. "Jedes Stück ist ein Schritt weiter in die Richtung 'okay, das bin ich‘. Man muss einfach mal etwas riskieren, um sich selbst zu erkennen", erklärt sie im Interview mit BR-KLASSIK.
Ihre Musik hat die armenische Pianistin Marie Awadis gerade auf ihrem ersten Album "Études Mélodiques" veröffentlicht, das am 13. September bei der Deutschen Grammophon erschienen ist. Ganz ohne Grenzen mischt sie darauf Minimaleinflüsse und Romantik mit einem "Flair" von armenischer Volksmusik, wie Awadis es selbst ausdrückt. Ganz selbstverständlich überschreitet sie in ihren Kompositionen die Grenzen, die sie auf ihrem bisherigen Lebensweg überschritten hat.
Man muss einfach mal etwas riskieren, um sich selbst zu erkennen.
Schon mit fünf Jahren sang Marie in der armenischen Folk-Band ihres Vaters mit. Es ist ihre erste Erinnerung an die Musik, erzählt sie heute. Mit etwa acht Jahren begann Marie Awadis im Libanon klassischen Klavierunterricht zu nehmen. Und hier, allein an einem Instrument mit dieser für sie neuen Musik, fühlte sich das eigentlich introvertierte Kind plötzlich frei. Also spielte sie Klavier, übte, lernte und beschloss, klassische Pianistin zu werden. Sie studierte erst in Beirut, kam später zu einem Aufbaustudium nach Hannover.
Marie Awadis, Grenzgängerin zwischen Klassik, Minimal und armenischer Folklore. | Bildquelle: Linda Rosa Saal Doch im klassischen Repertoire fand sie nicht mehr das Ungewöhnliche, das sie eigentlich in der Musik suchte. Für ein paar Jahre hörte sie komplett auf Klavier zu spielen. Erst über armenische Kompositionen fand sie zurück zu ihrem Instrument und zu einer neuen Fähigkeit. "Parallel dazu kam Komponieren", erzählt Awadis. "Irgendwann habe ich angefangen, einfach nur meine eigenen Stücke zu spielen."
Ich möchte über die emotionale Ebene Menschen erreichen.
Übers Improvisieren am Instrument entwickelt Marie Awadis heute ihre Stücke. Gerade ist sie selbst ihre einzige Interpretin. Doch sie hat angefangen, auch für andere Instrumente zu schreiben. Streicher interessieren sie zum Beispiel. Denn die geben ihr auch tonal andere Möglichkeiten wie etwa Vierteltonabstände, die die armenische Musik kennt, die aber ein westliches Klavier nicht erzeugen kann. Marie Awadis könnte sich auch vorstellen, noch etwas experimenteller in ihrer Musik zu werden. Die Atonalität der Neuen Musik reizt sie jedoch nicht: "Die harmonische Entwicklung ist sehr wichtig für mich. Ich mag gerne Dissonanzen, aber ich möchte über die emotionale Ebene Menschen erreichen."
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Marie Awadis - Étude No. 10: Void (Official Music Video)
Sendung: "Leporello" am 19. September 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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