Budapest, 10. September 1885: Die Komponistin Dora Pejačević wird geboren. Es ist eine außergewöhnliche Familie, in der sie zur Welt kommt. Der Vater ein kroatischer Graf, die Mutter eine ungarische Baroness. Doch ihr privilegierter Stand kann nicht verhindern, dass sie früh abweicht vom aristokratischen Lebensweg. Die junge Gräfin liest Schopenhauer und Nietzsche, interessiert sich für Musik und hinterfragt ihr angenehmes Adelsleben. Bald schon findet sie ihren scharfen Intellekt einen künstlerischen Ausdruck: Mit zwölf komponiert sie ihr erstes Stück. 106 Werke sollen es insgesamt werden.
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Es sind Gegensätze, die ihr Leben bestimmen: Sie bricht mit den Konventionen und stellt ihre Privilegien Frage, etwa wenn sie an eine Freundin schreibt: "Ich verstehe nicht, wie man ohne Arbeit leben kann. Es stimmt doch, dass ich mich nicht mit den Mitgliedern meiner sozialen Klasse verbünde. In allem suche ich nach Substanz und Wert und weder die Normen noch die Traditionen oder die Abstammung können mich hier mit Sand in den Augen blenden."Gleichzeitig ermöglicht ihr erst die hohe gesellschaftliche Stellung den Musikunterricht und die breite intellektuelle Bildung.
Sie spricht Ungarisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Sie macht früh Bekanntschaft mit der europäischen Kunst- und Kulturszene. Lernt Menschen wie Rainer Maria Rilke kennen und studiert mit Anfang zwanzig an den Konservatorien in Dresden und München. Hört dort die Musik von Richard Strauss und sieht zeitgenössische Kunst wie die des Blauen Reiters. Später schärft sich ihr politisches Bewusstsein noch einmal durch die Erfahrung des 1. Weltkrieges. Sie arbeitet als Krankenschwester in Kroatien, komponiert intensiv und beschäftigt sich mit sozialistischen Schriften.
In ihrer Musik spiegeln sich die Gegensätze ihres Lebens. Schwelgende Spätromantik zieht sie in die frühe Moderne. Arnold Schönberg empfiehlt 1916 die Aufführung ihrer Werke, obwohl er eigentlich nicht daran glaubt, dass Frauen über eine schöpferische Kraft verfügten. 1918 stellt Dora Pejačević hingegen ihre Erste Symphonie fertig: Sie steht in f-Moll, zwei Sätze davon werden vom Wiener Musikverein aufgeführt, eine Aufführung im Leipziger Gewandhaus wird nur durch den Tod des Dirigenten Arthur Nikisch verhindert.
Umso überraschender ist, dass Dora Pejačević mit 36 Jahren dann doch noch heiratet und ihr freies Leben für Ottomar von Lumbe aufgibt. Im Januar 1923 bringt sie in einer Münchner Frauenklinik ihren Sohn Theo zu Welt und stirbt kurz darauf mit nur 37 Jahren am Kindbettfieber.
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Pejačević: Sinfonie fis-Moll ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Jader Bignamini
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Sendung: "Allegro" am 10. September 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK