Wenig geht voran auf den bayerischen Theaterbaustellen, trotz hoher Kosten und vollmundiger Absichten. Kaum ein Zeitplan wird eingehalten, Architekturbüros wechseln, Projekte werden aufgeschoben, Schuldzuweisungen weitergereicht. Nur ein Blick über die Grenze nach Österreich verspricht Trost.
Bildquelle: picture alliance / Wolfgang Maria Weber | Wolfgang Maria Weber
Dieser Traum wird tatsächlich wahr: Der Theaterzuschauer rollt mit seinem Auto in ein großzügiges (und preiswertes) Parkhaus, fährt mit dem Aufzug auf die Dachterrasse, wo ein niveauvolles Restaurant vor und nach der Vorstellung ein Menü bereithält, und begibt sich dann auf seinen Sitzplatz mit viel Beinfreiheit in einem akustisch hervorragenden Saal. Wohlgemerkt, alles unter einem Dach. Keine Zuschauerin muss ihre Winterstiefel an der Garderobe ausziehen und vor den neugierigen Blicken des Publikums in die Goldsandalen schlüpfen. Ja, am Landestheater Linz (Baukosten zwischen 2008 und 2013 rund 186 Millionen Euro) herrschen diesbezüglich paradiesische Zustände, während mehrere bayerische Bühnen seit Jahren mit abgelegenen Ausweichquartieren hadern, deren Fassaden vom "diskreten Charme" des Wellblechs geprägt sind.
Das Staatstheater Augsburg ist seit 2016 geschlossen. Eventuell wird es 2030 wiedereröffnet. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Ulf Vogler In Augsburg zum Beispiel wird seit Jahren in einer Industriehalle im Textilviertel gespielt, womöglich noch bis 2030. Die Kosten sind zum Verdruss von Stadträten und Bürgern explodiert, von ursprünglich geschätzten 186 Millionen Euro auf zuletzt 417 Millionen Euro – Ende offen. Intendant André Bücker im vergangenen Juli gegenüber dem BR: "Wir wissen im Prinzip noch gar nicht, ob es tatsächlich auch so teuer wird, dass muss man sagen. Die Baustelle ist, obwohl das Große Haus seit 2016 geschlossen ist, noch nicht allzu weit fortgeschritten, es sind auch noch gar nicht so viele Gelder geflossen." Die unerwartete Trennung von einem renommierten, auf Theaterbauten spezialisierten Architektenbüro dürfte zum Baufortschritt nicht unbedingt beigetragen haben. Hinter den Kulissen war in den Kreisen der Stadträte von angeblich unterschiedlichen Honorar-Vorstellungen und einem "Alleingang" des Augsburger Baureferenten die Rede, obwohl offiziell Stillschweigen vereinbart worden war. Mit viel Glück wird der Opernball 2030 im sanierten Stammhaus am Augsburger Kennedyplatz stattfinden.
Das Würzburger Mainfrankentheater wird voraussichtlich 2029 wiedereröffnet. | Bildquelle: BR / Pirmin Breninek Glück, das bei Theatersanierungen hierzulande allerdings bisher weitgehend ausblieb. Unwillkürlich denkt man an die Lotto-Werbung: Die Chancen liegen offenbar auch hier bei 1 zu 140 Millionen, zum Beispiel am Mainfrankentheater in Würzburg. Dort wurde das Architekturbüro während der Bauarbeiten nach erheblichen Querelen ("mangelhafte Performance") und einer nachfolgenden Insolvenz ebenfalls geschasst. Das Große Haus soll in Würzburg 2029 öffnen – sieben Jahre nach dem ursprünglich geplanten Datum.
Das Ensemble am Landestheater Niederbayern spielt seit 10 jahren in einem Theaterzelt. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Armin Weigel In Landshut wären sie schon froh, wenn sie überhaupt verlässlich wüssten, wie es weitergeht. Dort spielt das Landestheater Niederbayern seit sage und schreibe zehn Jahren (!) in einem Theaterzelt auf dem Messegelände, ohne dass die Sanierung des Stammhauses im Bernlochner-Komplex überhaupt nur begonnen hätte. 2025 sollen die Bagger endlich anrollen, drei Jahre später (2028) könnte immerhin das Schauspiel wieder in ein frisch renoviertes Kleines Haus einziehen (viel Optimismus vorausgesetzt) - weiter reicht der Blick der Kulturpolitiker bisher nicht, obwohl für den Erweiterungsneubau, wo das Musiktheater unterkäme, bereits ein Siegerentwurf gekürt wurde. Wann der realisiert wird, ist der offiziellen Homepage der Stadt Landshut zufolge bisher "unklar". Im Theater hoffen sie gleichwohl, dass das Gesamtprojekt 2032 abgeschlossen werden kann. Fazit von Geschäftsführer Konrad Krukowski gegenüber der "Passauer Neuen Presse": "Man muss abwarten, wie belastbar die Prognosen sind."
Das Staatstheater Nürnberg soll ab 2026/27 renoviert werden. | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Norbert Probst Bedrückend, solche vagen Perspektiven, zumal, wenn weitere Großsanierungen anstehen, etwa am Staatstheater Nürnberg, wo das Opernhaus ab 2026/27 renoviert werden soll, der Erfahrung nach eher deutlich später. Angesichts wackelnder Kosten- und Zeitpläne fragt sich, wie Deutschland jemals "auferstanden" ist aus Ruinen, um die DDR-Nationalhymne mit dem Text von Johannes R. Becher zu zitieren. André Bücker zur eher abwartenden Haltung der Augsburger Stadtgesellschaft: "In der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es natürlich ein größeres Engagement. Ich glaube auch, dass es kommunikativ nicht ganz optimal gelaufen ist. Man hätte die Bürgerschaft auch in einen solchen Prozess früher einbeziehen sollen."
Das Münchner Nationaltheater muss auch renoviert werden. Wiedereröffnung 2040? | Bildquelle: Wilfried Hösl Bemerkenswert, dass sich buchstäblich niemand sicher fühlen darf in der bayerischen Theaterlandschaft, wenn es um marode Baustrukturen geht. Selbst das Münchner Residenztheater und die renommierte Bayerische Staatsoper müssen in den kommenden Jahren renoviert werden – mit ungewissem Ausgang. Was die Staatsoper betrifft, sollte es mal 2032 mit der Modernisierung losgehen, inzwischen wird eher mit 2040 gerechnet. Der "Bakterienbefall" in den Ölleitungen der Hydraulik, der das Haus Anfang der 1990er Jahre elf Monate lahmlegte, ist noch in unseliger Erinnerung, vergleichbare unangenehme Überraschungen im Zuge der Sanierungsarbeiten sind nicht auszuschließen.
Musterbeispiel an perfekter Infrastruktur: das Festspielhaus Erl | Bildquelle: picture alliance / EXPA / APA / picturedesk.com | EXPA Nirgendwo in Bayern ein Theatergebäude, das es mit dem in Linz aufnehmen könnte, was die sogenannte Infrastruktur betrifft, also das Drumherum vom Parkhaus bis zur Gastronomie. Und woran liegt es? Letztlich wohl am Stellenwert der Kultur in der Politik. Solange konkurrierende Investitionen in Eisstadien, Autobahnen oder Schulen politisch deutlich wählerwirksamer erscheinen, dürfte sich an der Misere wenig ändern, zumal populistische Kritiker schnell mit Bürgerbefragungen bei der Hand sind. Und die privaten Mäzene bauen lieber selbst: Wie gut das funktioniert, lässt sich in Erl bei Kufstein besichtigen. Ein Top-Festspielhaus mit perfekter Infrastruktur, dank eines finanzkräftigen Gönners. Traumhaft, jenseits der Grenze!
Sendung: "Allegro" am 19. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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