Musik bereichert das Leben. Auch im Strafvollzug. Das Deutsche Musikinformationszentrum hat gerade ein umfangreiches Dossier dazu herausgegeben. Eine die den musikalischen Alltag den JVAs kennt, ist Annette Ziegenmeyer. Die Lübecker Professorin bringt regelmäßig Musikprojekte in die deutschen Haftanstalten.
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Eher locker swingt Elvis Presley im "Jailhouse Rock". Härter wird es bei der Metal-Band Metallica, die 2003 ihr ihr Video zum Song "St. Anger" in einem Hochsicherheitsgefängnis drehte und dort live vor den Inhaftierten auftrat. Ein bisschen freundlicher waren da ein paar Jahre zuvor die "Bandits". Ein deutscher Film mit Jasmin Tabatabai und Katja Riemann über eine Frauenband, die sich im Gefängnis gründet, ausbricht und auf eine Reise zwischen Flucht und Musiktournee geht. Der Gefängnisalltag hat mit solchen Filmen recht wenig zu tun. Dass Musik aber eine Bereicherung für die Inhaftierten sein kann, steht außer Frage.
Das erlebt Annette Ziegenmeyer in ihrem Alltag. Sie ist Professorin an der Musikhochschule Lübeck und betreut Projekte, mit denen sie und ihre Studierenden in Justizvollzuganstalten gehen. Das Deutsche Musikinformationszentrum hat nun einen umfangreichen Fachbeitrag dazu veröffentlicht, welchen Stellenwert Musik im Strafvollzug, aber auch in Resozialisierungsprozessen hat. Annette Ziegenmeyer macht diese Erfahrungen selbst. Ihre Projekte richten sich hauptsächlich an Jugendliche in Haft.
Musik hat ein identitätsstiftendes Moment.
Neben Konzert von Externen, die in JVAs stattfinden, sind es besonders auch die Projekte, in denen die Inhaftierten selbst kreativ werden, die Ziegenmeyer berühren. Solche Projekte sind oft Chöre, aber – gerade bei Jugendlichen – auch Bands. Das hilft den Haftalltag zu ertragen. "Musik hat ein identitätsstiftendes Moment", sagt Annette Ziegenmeyer, "man trifft sich, man tauscht sich aus." In einem solchen Prozess wird auch das Gruppenverhalten gefördert. Man muss sich loben, man muss Feedback geben. Solches kommt dann aber auch von außen. Etwa wenn plötzlich ein Wärter einem Inhaftierten applaudiert. "Das hilft, die Selbstwirksamkeit und eigene Potenziale zu erkennen", erklärt Ziegenmeyer.
Die Umstände sind für sie und ihre Studierenden aber natürlich speziell. "Das ist schon ein spezielles Setting", erklärt sie. Im Vorfeld müsse mit der Leitung dort gesprochen werden, oft helfen auch Verbindungen zwischen Menschen von außen und innen; etwa Lehrkräfte der Anstalt, die dann auch beim Musizieren dabei sind. "Beziehungsarbeit" und "Vertrauensarbeit", nennt Annette Ziegenmeyer das.
Am beeindrucktesten ist für sie aber meist eine Aufnahmesession, mit der das Projekt in der JVA abgeschlossen wird. Mit großer Ernsthaftigkeit würden die Jugendlichen das angehen, selten brauche man mehr als zwei Aufnahmetakes, berichtet Ziegenmeyer: "Da spürt man das Gefühl: Jetzt muss alles raus. Und da werden durch die Musik sehr persönliche Geschichten erzählt."
Und solche Erfahrungen sind natürlich auch gerade für Resozialisierung wichtig. Das ist der "herausforderndste Teil", wie Annette Ziegenmeyer sagt, denn über die Haftzeit hinausführende Projekte müssen natürlich auch finanziert werden. Doch die Hochschule verfüge zum Glück auch über ein Netzwerk. Wenn die Jugendlichen also auch nach der Haft weiter Musik machen wollen, könnte sie auf jeden Fall erste Kontakte herstellen: "Wir versuchen, gezielt Wege aufzubauen und Perspektiven für die Jugendlichen aufzuzeigen." In der Haft kommen die Musikprojekte auf jeden Fall sehr gut an. "Ich habe nicht einen Durchgang erlebt, in dem das nicht gut angekommen ist", sagt Ziegenmeyer. Denn die gemeinsame Zeit und die Perspektivwechsel, das sei an sich schon eine große Qualität.
Sendung: "Leporello" am 7. Juni ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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