BR-KLASSIK

Inhalt

Nürnbergs Musiktheater im Dritten Reich Oper, Macht und Propaganda

War die Kultur Opfer oder Dienerin des nationalsozialistischen Regimes? Forscher aus Nürnberg und Bayreuth gehen dieser Frage nach. Im Fokus ihrer Arbeit steht das Musiktheater Nürnberg, das eine große Rolle beim Reichsparteitag spielte.

Das Nürnberger Opernhaus unterm Hakenkreuz | Bildquelle: © Stadtarchiv Nürnberg

Bildquelle: © Stadtarchiv Nürnberg

Es ist die Stadt der Meistersinger, aber auch die Stadt der Reichsparteitage. Jahrhunderte liegen zwischen diesen beiden Seiten der Nürnberger Stadtgeschichte. Und doch haben sie sehr viel miteinander zu tun. Von 1935 an eröffnete Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" jedes Jahr in Nürnberg die Reichsparteitage der NSDAP.

Hitler plante Opernvorstellung selbst

Die ganze Parteiprominenz war verpflichtet, am Vorabend der Reichsparteitage die Vorstellung der "Meistersinger" zu sehen. Die Sängerbesetzung für diesen Abend bestimmte Hitler selbst. Und das hatte weitreichende Folgen, weiß Dominik Frank. Der Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth beschäftigt sich intensiv mit der Geschichte des Nürnberger Musiktheaters im Dritten Reich. Beim Durchsichten der Korrespondenzen stellte er fest: Um Hitlers Wunsch zu erfüllen, mussten alle anderen Opernhäuser ihre Dispositionen ändern, damit die gewünschten Sänger an diesem Abend in Nürnberg auftreten konnten. "Da denkt man sich, das kann eigentlich nicht sein, dass der sogenannte Reichskanzler und Führer nichts Besseres zu tun hat als eine Opernaufführung zu besetzen", so Frank.

Musiktheater und Ideologie

Reichsparteitag 1936 / Aufmarsch der SA vor Hitler / Foto 8. Reichsparteitag der NDSAP 'Parteitag der Ehre', Nürnberg, 8. bis 14. September 1936. - Hitler nimmt auf dem Hauptmarkt die Front der vorbeimarschierenden Formationen ab: Aufmarsch der SA. | Bildquelle: dpa/akg-images Reichsparteitag in Nürnberg 1936 | Bildquelle: dpa/akg-images Kultur wurde im Dritten Reich durchaus gefördert. Welche Absicht aber verfolgten die Nationalsozialisten damit? Sollte über bestimmte Inszenierungen eine politische Botschaft transportiert werden? Gab es ab 1933 Symbole wie Hakenkreuze oder Uniformen auf der Theaterbühne? Offensichtlich nicht - das zumindest zeigen die bisherigen Forschungen. Scheinbar ging es den Nationalsozialisten weniger um die Inszenierung konkreter ideologischer Inhalte, als vielmehr um die Inszenierung des kulturellen Erfolgs. Und die Rechnung scheint aufgegangen zu sein. Silvia Bier, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bayreuth, erklärt: "Wenn man als Zuschauer vor dieser blühenden Theaterlandschaft steht, verbindet man Positives mit diesem politischen System."

Subtile Propaganda

Die Propaganda war also eher eine subtile. Und sie funktionierte auch ohne politische Symbolik oder Ideologie im Theater. Umgekehrt sei das bestehende System des Nationalsozialismus auf der Bühne natürlich auch nicht in Frage gestellt worden, sagt Silvia Bier. "Es gab kein Korrektiv oder ein kritisches Bewusstsein, was Theater ja oftmals heute schafft - oder zu schaffen versucht."

Das ist eine sehr subtile Art von Propaganda.
Dominik Frank, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am 'fimt' der Universität Bayreuth

Die Strategie, welche die Nationalsozialisten damit verfolgten, unterschied sich also deutlich von der "Holzhammerpropaganda", wie sie beispielsweise im Volksempfänger oder in den Wochenschauen benutzt wurde. "Die wurde für das Opernpublikum als nicht angemessen beurteilt", sagt Dominik Frank. Das ließe sich anhand der Akten der Reichsdramaturgie nachvollziehen, aber auch an Statements von Hitler und Goebbels persönlich: "Man dachte, in die Oper geht eher die sogenannte Elite der Gesellschaft und die werden wir mit dieser Holzhammerpropaganda sowieso nicht kriegen", so Frank. Deshalb habe man sich für eine eher subtile Art von Propaganda entschieden.

Opernhäuser spielten mit

Wie in den meisten deutschen Opernhäusern mittlerer Größe lautete auch in Nürnberg der Pakt zwischen den Nazis und dem Kulturbürgertum: Wir bieten euch ein blühendes Theaterleben, ihr lasst euch unterhalten ohne kritisch zu hinterfragen. Diese Strategie wurde 1944 allerdings - mit der kriegsbedingten Schließung der deutschen Bühnen - obsolet.

Umfassendes Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt "Musiktheater in Nürnberg von 1920 bis 1950: Inszenierung von Macht und Unterhaltung" beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit das Musiktheater im Nationalsozialismus zu Propagandazwecken eingesetzt wurde. Beteiligt sind an dem Projekt das Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth in Thurnau (fimt), das Staatstheater Nürnberg sowie das Dokumentationszentrum Reichsparteitage der Stadt Nürnberg. Die Forschungsergebnisse sollen 2018 in einer großen Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Gefördert wird das Projekt zudem durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Sendung: Das Musik-Feature am Freitag, 22. September 2017, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK. Sie können die komplette Sendung hier noch bis zum 29. September anhören.

    AV-Player