Während andere Musikverlage klagen, erfreut sich der G. Henle Verlag bester Zahlen. Und das vor allem dank einer sehr erfolgreichen Social Media-Strategie. Die Marke ist so stark wie nie. Grund zu feiern hat Henle also auch unabhängig vom 75. Verlagsgeburtstag.
Bildquelle: Tobias Stosiek
Wenn man wissen will, aus welchen Noten Daniiel Trifonov spielt, muss man sich nur auf die Instagram-Seite des G. Henle Verlags klicken. Dort gibt es ein Foto, auf dem Trifonov grinsend eine Notenausgabe von Schumanns "Fantasie in C-Dur" in die Kamera hält. Nächste Kachel: Hilary Hahn erklärt fröhlich, dass sie jeden Tag mindestens aus einer Ausgabe dieses Verlags spielt. Seinen 75. Geburtstag feiert G. Henle, dieser kleine unter den großen deutschen Musikverlagen, in diesem Jahr. Und es gibt nichts zu klagen, wie der Geschäftsführer und frühere Cheflektor Wolf-Dieter Seiffert erklärt.
Es gehe dem Verlag sehr gut, betont er. "Wir haben in den letzten Jahren sehr viel Zuwachs gehabt, sowohl was Absatz- als auch Umsatzzahlen betrifft. Ich kann es stolz sagen: Wie hatten im Geschäftsjahr 22 den größten Erfolg in der Verlagsgeschichte."
Der Branche geht es schlecht, dem Henle-Verlag geht es gut
Zu tun hat dieser Erfolg auch mit Corona. Die Menschen saßen zu Hause, wussten nicht was sie tun sollten, und ihnen fiel ein, dass sie vielleicht mal ein Instrument gelernt haben. Oder zumindest mal vorhatten, eines zu lernen. Und dafür braucht man Noten. Dass sich diese Menschen aber ausgerechnet die Noten in den ikonischen blau-grauen Umschlägen besorgten, das liegt auch an der sehr jungen, sehr digitalen und sehr sichtbaren Vermarktungsstrategie von Henle.
Wolf-Dieter Seiffert stimmt dieser Erfolg selbstbewusst. Fast überschwänglich sei die Stimmung im Haus. Nun steht das Jubiläumsjahr an. Im Oktober, wenn es auf das eigentliche Gründungsdatum zugeht, sind große Feierlichkeiten geplant. So altmodisch das Wort Urtext klingt, so absolut zeitgeistig präsentiert sich Henle, was die digitale Vermarktung betrifft. Man habe gemerkt, dass die jungen Kundinnen und Kunden mit den klassischen Medien überhaupt nicht mehr zu erreichen seien. Also hat Seiffert eine Social Media-Abteilung gegründet. Und die Nähe, die der Henle Verlag schon immer zu prominenten Musikerinnen und Musikern pflegte, zu einer erfolgreichen Werbestrategie ausgebaut.
Screenshot der G. Henle-App | Bildquelle: Henle-Verlag
"Die schätzen einfach unsere Noten und wir schätzen sie", sagt Seiffert, "und so sind letztlich die großen Musiker Botschafter für den Henle-Urtext. Viele junge Leute bewundern diese großen Musiker, wollen auch so werden." Seit einem Jahr arbeitet Henle aber auch mit einer Reihe von Influencern. Weniger bekannte Musikerinnen und Musiker, die aber eine große Fangemeinde in den sozialen Netzwerken haben. Irgendwie ist das auch eine Art neue Form der Hausmusik. Und die Hausmusik ist für die Musikverlage historisch gesehen sowieso ein unternehmerischer Grundpfeiler. Nur spielt man heute vielleicht nicht mehr nur aus gedruckten Noten.
Fünf Prozent des Marktanteils machen die digitalen Verkäufe im Moment aus. Tendenz steigend. Vor sieben Jahren startete Henle eine App mit Noten fürs Tablet. Auch hier war der Verlag schneller als andere, hat sich mit dieser frühen Hinwendung zum Digitalen ein neues Alleinstellungsmerkmal geschaffen.
Und wo geht es in Zukunft hin für Henle? Zeitgenössische Musik gehört nicht zum Repertoire. Große Orchesterpartituren auch nicht. Die Anzahl der verlegbaren Werke ist begrenzt. "Was auf jeden Fall jetzt ansteht, sind die zwei, drei Großkomponisten des 20. Jahrhunderts, die urheberrechtlich frei werden in den nächsten zehn Jahren. Ich spreche hier von Prokofjew, von Schostakowitsch, von Strawinsky vielleicht noch", erklärt Seiffert.
Und dazu? Keine unbekannten Komponisten oder Komponistinnen. Denn die würden nicht in ausreichender Menge gespielt, auch wenn es da großartige Musik gebe. Henle sieht sich weiter als Lieferant für das Kernrepertoire. Bisher mit großem Erfolg.
Sendung: "Leporello" am 23. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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