Er war ein Urgestein der Münchner Jazz-Szene. Heute ist der Posaunist und Pianist Hermann Breuer im Alter von 80 Jahren gestorben, wie seine Tochter, die Saxophonistin Carolyn Breuer, uns mitteilte. Erst im Dezember war eine schwere Krankheit bei ihm diagnostiziert worden.
Bildquelle: Audi AG
Die Münchner Jazz-Szene trauert. Denn ein Musiker, der diese Szene wesentlich mitgeprägt hat, ist in der Nacht zum 25. Januar 2023 gestorben: der Posaunist und Pianist Hermann Breuer. Als eine der wichtigsten Identifikationsfiguren der Münchner Szene galt er – und zwar in und zwischen vielen Stilen. Der frühere Jazz-Moderator des Bayerischen Rundfunks, Joe Kienemann, sagte einmal: Hermann Breuer sei in Personal-Union der begehrteste Dixieland-, Swing-, Mainstrem-, Bebop-, Latin-, Funk-, Combo- und Big-Band-Posaunist der stark besetzten Münchner Szene. Einer, der Vieles konnte und für viele ein wichtiger Einfluss war. Es dürfte nur wenige regelmäßige Münchner Jazzkonzert-Besucher geben, die den Mann mit dem kräftigen, in schwungvollen Wellen nach hinten gekämmten weißen Haar und dem borstigen Schnurrbart nie in einem Konzert erlebt hatten. Denn bis vor etwa zehn Jahren war Hermann Breuer stets aktiv in vielen unterschiedlichen Bands.
Am 27. Oktober 1942 wurde Hermann Walter Breuer in München geboren. Er wuchs in Schwabing auf und hatte sehr früh mit Musik zu tun. Schon mit vier fing seine Mutter an, ihm das Klavierspiel beizubringen. Auf dem Gymnasium lernte er zusätzlich auch Posaune und Geige zu spielen. Als Schüler entdeckte er den modernen Jazz für sich. Er machte unter anderem mit dem Saxophonisten Joe Viera Musik, dem späteren Programmgestalter und Mitbegründer der Internationalen Jazzwoche Burghausen. Und mit dem Bassisten Ernst Knauff, dem späteren Gründer des berühmten Münchner Jazzclubs "Domicile".
Anfang der 1960er-Jahren verdiente er sich als Pianist erste Sporen. Von 1962 an besuchte er die Musikhochschule in der Münchner Arcisstraße, schrieb sich dort pro forma für Posaune ein und arbeitete bereits in Clubs als Jazzpianist. Damals war er auch schon Mitglied im Quintett von Joe Haider, einem Bandleader, der noch heute als Pianist bekannt ist, aber damals auch Vibraphon spielte. Wenig später zog es Breuer kurze Zeit an den Rhein. In Köln traf er in der damals bereits sehr am Puls der Zeit fühlenden Szene mit Musikern wie dem Multi-Instrumentalisten Gunter Hampel, dem Trompeter Manfred Schoof und dem Saxophonisten Gerd Dudek zusammen. 1964 ging er wieder nach München zurück, wo er neben dem Domicile auch in anderen Clubs zu hören war.
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Bildquelle: Christian-Wurm-Sammlung, Jazz Referat des BMR e. V.
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Bald spielte er Musik in unterschiedlichen Stilen, etwa in Soul-Bands bei Auftritten in den Clubs amerikanischer Soldaten, pflegte mit der Gruppe "Sinto" und anderen Musikern Latin-Sound und war im Laufe seines Musikerlebens unverzichtbarer Mitspieler in diversen Big Bands – etwa derjenigen des nach München gezogenen amerikanischen Trompeters Al Porcino und derjenigen des Schlagzeugers Harald Rüschenbaum. Als in den 1970er-Jahren die Aufnahme-Studios in München besonders boomten, wurde Breuer auch immer wieder für Produktionen von Film,- und Disco-Musik engagiert. 1973 hatte er aufgehört, öffentlich Klavier zu spielen, um sich ganz auf die Posaune zu konzentrieren. Im Alter wechselte er wieder ans Klavier, weil er mit seinem Posaunenspiel nicht mehr zufrieden war.
"Ich habe sogar in Tanzkapellen gespielt und würde nicht sagen, dass ich da gelitten habe", sagte er in einem Interview mit dem Münchner Musikjournalisten Ssirus W. Pakzad. Und im Gespräch mit Marcus Woelfle, wie Pakzad einer der Moderatoren der BR-KLASSIK-Jazztime, amüsierte er sich über den Studio-Perfektionismus und die Angewohnheit, am Bildschirm Töne daraufhin zu überprüfen, ob sie "falsch" sind, statt sie nach dem Gehör zu beurteilen. Hermann Breuer, der Vielgefragte, war auch Pädagoge. Er unterrichtete zunächst an Joe Haiders "Jazz School Munich" und schließlich bis 2008 am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium, das später in der Hochschule für Musik und Theater München aufging. Seinen klar konturierten Ton, der kraftvoll swingte und so schnörkellos wie biegsam war, gab er also auch an jüngere Generationen weiter. Besonders viel Einfluss hatte Breuers Kunst auf die 1969 geborene Tochter des Posaunisten und Pianisten, die Saxophonistin Carolyn Breuer, die seit gut zwei Jahrzehnten zu den bekanntesten Jazz-Protagonisten aus München gehört und unter anderem mit dem Amsterdamer Concertgebouw-Orchester und der WDR-Big-Band in Köln zusammengearbeitet hat. Mit ihr zusammen wirkte er unter anderem an dem Stück "Der kleine Erdbär" mit, einem "Jazzical" für Kinder. Im Interview mit Ssirus W. Pakzad sagte Breuer unlängst scherzend: "Mit 70 ist man alt, mit 75 ein Greis, und mit 80 erreicht man schon das Methusalem-Alter". Letzteres konnte der leidenschaftliche Musiker Hermann Breuer leider nur noch ganz kurze Zeit genießen.
Ich habe sogar in Tanzkapellen gespielt und würde nicht sagen, dass ich da gelitten habe.
Sendung: "Leporello" am 25. Januar 2023 um 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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