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Zum Tode des Jazzfestivalgründers Helmut Viertl Ohne ihn gäbe es die Jazzwoche Burghausen nicht

Wie jetzt bekannt wurde, ist der ehemalige Organisations-Chef der Internationalen Jazzwoche Burghausen, Helmut Viertl, im Alter von 86 Jahren gestorben. 1970 gründete der gebürtige Oberpfälzer zusammen mit dem Jazzmusiker und -pädagogen Joe Viera das inzwischen traditionsreichste Jazzfestival in Bayern. Außerdem war Viertl Gründer des sehr angesehenen "Birdland"-Clubs in Neuburg an der Donau. Er zählte zu den wichtigen Motoren des Jazzgeschehens in Bayern.

Bildquelle: Sigrid Resch

Nachruf auf Helmut Viertl

Gründer der Jazzwoche Burghausen ist tot

"Wenn i g‘wusst hätt‘, wie groß das wird, des Ganze, dass das an solchen Umfang annimmt - hätt ich’s ned ang‘fangt." So sprach nur er. Unmissverständlich. Ungeschönt. Und eindeutig regional gefärbt sowieso. Der gebürtige Oberpfälzer Helmut Viertl war ein Leidenschafts-Mensch. Lässiger Scheitel, große Brille, stattliche Gestalt, gern eine Weste überm karierten oder gestreiften Hemd. Verbal zeigte er stets Kante. Und Jazzmusik war seine Passion. Wenn es swingte, dann mochte er es.

LÄNGSTE BURG EUROPAS – LANGLEBIGES FESTIVAL IN BAYERN

Er war einer, der viel dafür tat, dass swingende Musik in Bayern Verbreitung fand. Ohne Helmut Viertl gäbe es die Internationale Jazzwoche Burghausen nicht, die seit 1970 besteht und heute das am längsten kontinuierlich bestehende Jazzfestival in Bayern ist. Zusammen mit dem künstlerischen Leiter Joe Viera prägte Viertl zweieinhalb Jahrzehnte lang das Profil dieses Festivals am südöstlichen Ende Bayerns in der Stadt mit der längsten Burg Europas.

Festival-Idee beim Warten am Bahnhof mit Musiker Joe Viera

Der gebürtige Oberpfälzer Helmut Viertl wurde in den frühen 1960er-Jahren als Gerichtsvollzieher nach Burghausen an der Salzach versetzt. Den Ort fand er damals, wie er sagte, "ein furchtbares Nest! Viel kann man da nicht anfangen." Das tat er aber einige Jahre später doch. Er gründete 1968 in Burghausen einen Jazzclub, nachdem er von einer damals von der Stadt organisierten Veranstaltung mit Musik, die er nicht wirklich als Jazz gelten lassen wollte, schwer enttäuscht gewesen war. Dieser Jazzclub war auch Ausgangspunkt für die Gründung der Internationalen Jazzwoche Burghausen im Jahr 1970.

Joe Viera und Helmut Viertl, die Gründer der Jazzwoche Burghausen, aufgenommen im Jazzkeller Burghausen. | Bildquelle: Robert Piffer Bildquelle: Robert Piffer Ende 1969 hatte Helmut Viertl den Münchner Jazzpädagogen und -musiker Joe Viera zu einem Vortrag in die kleine Stadt an der Salzach eingeladen. Am Tag nach dem Vortrag brachte Viertl den Gast zum Bahnhof, wo die beiden Männer eine ganze Weile warten mussten, bis Viera in einen Zug steigen konnte. Denn nur sehr wenige Züge fuhren damals von diesem Ort am südöstlichen Ende Bayerns Richtung München. Viertl und Viera kamen ausführlich ins Gespräch. Helmut Viertl erzählte darin auch davon, dass er gern etwas "Größeres" mit dem Jazz in Burghausen aufziehen wolle. Viera darauf, noch aus dem anfahrenden Zug winkend: "Ich mach mit". Und schon fünf Monate später fand die erste "Jazzwoche Burghausen" statt - im März 1970.

Grosser Coup: Ella Fitzgerald und Count Basie

Schnell avancierte dieses Festivals zu den meistbeachteten in Bayern. Im März 2023 wird es die 52. Ausgabe der Veranstaltung geben. Von Anfang an zeichnete der Hörfunk des Bayerischen Rundfunks die Konzerte in Burghausen mit. Später kam auch das Fernsehen hinzu. In Burghausen gastierten Jazz-Stars wie Esperanza Spalding, Terri Lyne Carrington, Betty Carter, Chet Baker, Ray Brown, Baden Powell, Michel Petrucciani, Jamie Cullum und viele andere mehr. Ein besonderer Coup gelang Helmut Viertl und Joe Viera am 9. Oktober 1975: An diesem Tag fand ein Doppelkonzert mit den beiden Jazz-Superstars Ella Fitzgerald und Count Basie statt. Dieses Gastspiel war nicht Teil des Festivals, aber einer der bedeutendsten Jazz-Abende in der Geschichte des jazzbegeisterten Orts Burghausen.

MIT ART BLAKEY VOR DEM BURGHOTEL

Nur mit der enormen Energie, die jemand wie Helmut Viertl hatte, lässt sich an einem Ort mit nicht einmal 20 000 Einwohner so etwas auf die Beine stellen. Dafür erhielt Helmut Viertl im vergangenen Jahr auch den Oberbayerischen Kulturpreis. Viertl war ein Hartnäckiger. Und ein Akribischer zugleich. Und jemand, der keine Störungen duldete, wenn es um die Arbeitsbedingungen für die Musiker ging. Eine Szene 1988 bei der 19. Internationalen Jazzwoche Burghausen: Vor dem "Burghotel" - einer Herberge, die es heute nicht mehr gibt, die aber damals meist die Festival-Wohnstätte berühmter Musiker war - wartete der Autor dieses Textes auf den Schlagzeuger Art Blakey. Er wollte den Musiker ansprechen, um ein eventuelles Interview mit diesem sehr einflussreichen Rhythmus-Mann und Bandleader zu vereinbaren. Er und Blakey gaben sich gerade die Hand, als ein energischer Mensch aus Burghausen dazwischentrat, dem Journalisten den Musiker aus der Hand riss und unumstößlich klarstellte: "Jetz‘ gibt’s goar nix; jetz‘ is‘ glei‘ Soundcheck." Und fort waren der eben noch freundlich lächelnde Schlagzeuger und seine Mitspieler.

FIRST CONTACT: DER ERSTE BRIEFWECHSEL ZWISCHEN HERRN V. UND HERRN V.

50 Jahre Jazzwoche Burghausen | Bildquelle: Haus der Fotografie Burghausen Der erste Brief von Helmut Viertl an Joe Viera. | Bildquelle: Haus der Fotografie Burghausen So etwas konnte passieren mit Helmut Viertl. Aber zum Soundcheck kamen Musiker durch ihn auf jeden Fall rechtzeitig. Viele Jahre später gab es zwischen dem einstigen Organisations-Chef des Festivals und dem Bericht-Erstatter Begegnungen mit ganz anderen Vorzeichen. Helmut Viertl wurde zum unverzichtbaren Helfer bei den Recherchen für das Buch "It has lines in its face" zum 50-jährigen Bestehen der Internationalen Jazzwoche Burghausen (Autoren: Ulrich Habersetzer und Roland Spiegel). Nur durch ihn waren Originaldokumente aus den frühen Jahren und vor allem aus der Gründungszeit des Festivals zugänglich. Mehrere Räume im Keller seines Hauses in einem Ortsteil von Burghausen dienten Viertl als Archiv, und im rustikalen Herzstück des Kellers gab es auch eine einladende Sitzecke. In diesem Keller fanden sich, sorgfältig eingeordnet, sogar noch die ersten Briefe, die die beiden späteren Festival-Partner Helmut Viertl und Joe Viera einander geschrieben hatten - mit Schreibmaschine auf dünnem und Jahrzehnte später sehr vergilbtem Papier. In seinem Brief vom August 1969 hatte Joe Viera in der Anrede den Namen des damaligen Jazzclub-Chefs noch falsch geschrieben: "Viertel". Das tat dem Kontakt jedoch keinen Abbruch. In einem dicken Ringbuch mit Plastikfolien hob Helmut Viertl die frühen Dokumente auf. Darunter fand sich auch die Eintrittskarte für die allererste Jazzwoche Burghausen im März 1970: ein cremefarbenes Stück Pappe, das einfach, aber für damalige Zeiten in ansprechender Schrift gestaltet war und abreißbare Streifen für jeden Festivaltag bot.

EIN FÜLLHORN DER ANEKDOTEN

Als Gesprächspartner war Helmut Viertl ein Füllhorn der Anekdoten. In seiner temperamentvoll eruptiven, auch mit über 80 noch kraftvoll oberpfälzisch klingenden Art zu sprechen, ließ er lustvolle Salven an Information auf das Gegenüber einprasseln. Und bald merkte man: Farbiger, manchmal auch drastischer, konnte einem niemand von der Geschichte eines verblüffend bedeutend gewordenen Jazzfestivals erzählen - einer bemerkenswerten Veranstaltung in einem Kaff, in dem einst so gar nichts los gewesen war. Viele Stunden konnte Helmut Viertl mit Geschichten über den Jazz in seiner Wahlheimat Burghausen füllen - und die Vergangenheit begann, wilde Tänze vor den Augen der Zuhörer aufzuführen. Stark bereichert um Wissen und Zeitkolorit verließ man den ehemaligen Gerichtsvollzieher. Über Geschichte konnte man bei Besuchen in seinem Keller nicht nur viel hören, man konnte sie auch anfassen und riechen. Ohne die Leidenschaft und Akribie Helmut Viertls wäre das Festival nicht nur nicht möglich gewesen - sondern hätte viele Jahre später auch nicht angemessen dokumentiert werden können.

Viertl gründete auch das "Birdland Neuburg"

50 Jahre Jazzwoche Burghausen | Bildquelle: Max Sayle Vom ambitionierten Jazzer zum legendären Festival-Gründer: Helmut Viertl am Vibraphon in jungen Jahren in Neuburg an der Donau. | Bildquelle: Max Sayle Schon vor seiner Zeit an der Salzach hatte Helmut Viertl Jazz-Abende organisiert. Er hob 1958 den Jazzclub "Birdland" in Neuburg an der Donau aus der Taufe, benannt nach einem berühmten Vorbild in New York. Dieser Jazzclub existiert noch immer. Dessen heutiger Chef Manfred Rehm sagt über Helmut Viertl: "Der Helmut konnte wie kaum ein anderer Leute für Musik begeistern."

Die Begeisterung kam auch aus eigener musikalischer Erfahrung. Helmut Viertl spielte in den 1950er Jahren als Vibraphonist in einer Band. Aus der aktiven Festival-Arbeit in Burghausen zog er sich bereits nach 25 Jahren zurück. Er blieb aber leidenschaftlicher Konzert-Hörer und nicht zuletzt auch kritischer Beobachter des einst von ihm initiierten Festivals.

Der Helmut konnte wie kaum ein anderer Leute für Musik begeistern.
Manfred Rehm

Sendung: "Leporello" am 23. Januar 2023 um 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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