Er hat in allen wichtigen Opernhäusern der Welt gearbeitet und weltweit Anerkennung gefunden: Dirigent Seiji Ozawa. Entscheidende Impulse bekam er als Assistent von Leonard Bernstein und Herbert von Karajan. Am 6. Februrar starb Ozawa an Herzversagen. Er wurde 88 Jahre alt.
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Noch im hohen Alter hat Seiji Ozawa sein Saito Kinen Orchestra geleitet. Gegründet hatte es der japanische Pultstar 1984 zum Gedenken an seinen Lehrer Hideo Saito, bei dem Ozawa in Tokio Komposition und Dirigieren studierte. Ein eigenes Festival für sein Projektorchester hat er im japanischen Matsumoto auch noch etabliert.
Seiji Ozawa lernte das Dirigieren bei Leonard Bernstein und Herbert von Karajan. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Geboren wurde Seiji Ozawa 1935 in der damals von den Japanern besetzten Mandschurei als Sohn eines buddhistischen Vaters und einer christlichen Mutter. Ost und West waren für Ozawa nie ein Gegensatz: Geprägt vom Dialog der Kulturen, sang er als Kind im Kirchenchor, spielte Orgel - und beschäftigte sich gleichzeitig mit traditioneller japanischer Musik. Auch als seine Karriere immer internationaler wurde, ließ Ozawa den Kontakt zu seiner Heimat nie abreißen.
Eigentlich wollte Ozawa Pianist werden. Nach einer Handverletzung beim Rugby-Spiel verlegte er sich aufs Dirigierstudium. Die entscheidenden Impulse bekam er als Assistent von Leonard Bernstein in New York und bei Herbert von Karajan. "Als ich dann nach Europa kam zu Herrn von Karajan, machte der mich mit Mahlers 'Lied von der Erde' bekannt, mit der Fünften Symphonie von Sibelius, mit Richard Strauss, Brahms und Wagner", so erzählte Ozawa einmal im Interview mit BR-KLASSIK. "Ich lernte von Karajan musikalische Linienführung, die Kunst der Phrasierung. Das habe ich in Japan so hervorragend nicht lernen können. Für mich war es herrlich, 1959 und 60 in Berlin bei Karajan zu studieren. Da hat sich ein Traum erfüllt."
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Beethoven's Symphony No. 8 (Seiji Ozawa, Boston Symphony Orchestra)
Eine Schlüsselrolle nahm Ozawa ab 1970 als langjähriger Leiter des Tanglewood Festivals ein, macht sich dort als Nachwuchsförderer einen Namen und wird für sein Engagement durch die Errichtung der Seiji Ozawa Hall geehrt. Die ist seither auch die Sommer-Residenz des Boston Symphony Orchestra, das Ozawa nach Stationen in Chicago, Toronto und San Francisco knapp drei Jahrzehnte lang leitet – mit nachhaltigem Erfolg. Ozawas Ära in Boston steht für die Brillanz amerikanischer Spitzenorchester.
In der Sendereihe "Klassik-Stars" würdigt BR-KLASSIK den verstorbenen Dirigenten Seiji Ozawa: am Montag, den 12. Februar 2024 ab 18:05 Uhr im Radio.
Wiener Neujahrskonzert mit Seiji Ozawa, 2002. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Wie sein Lehrmeister Karajan sollte auch Ozawa ein großer Operndirigent werden. Direkt nach dem Ende seines Jobs in Boston 2002 übernahm Ozawa den vakanten Posten des Musikchefs der Wiener Staatsoper – seinen Einstand dort hatte er bereits 1988 mit einer bis heute maßstabsetzenden Produktion von Tschaikowskys "Eugen Onegin" gegeben.
Als "wildes Energie-Bündel, als Hunderttausend-Volt-Dirigent" hat der Musikkritiker Joachim Kaiser Ozawa einmal bezeichnet. Eine schwere Krebserkrankung 2010 konnte Ozawa nach längerer Auszeit überwinden. Nicht nur, dass Seiji Ozawa ein riesiges Repertoire von Beethoven bis Bernstein beherrschte, er war auch der erste japanische Dirigent von Weltrang. Als Mensch hingegen war Ozawa ein bescheidener Star – sein stets freundlicher, von japanischer Höflichkeit geprägter Umgang mit Sängerinnen und Kollegen ist legendär.
Auch wenn Ozawa fraglos zur Elite jener glamourösen Jetset-Dirigenten gehörte, die den Mainstream perfekt zu bedienen wissen, darf man nicht vergessen, dass er überdies ein Anwalt der zeitgenössischen Musik war. Die Liste der von ihm uraufgeführten Werke ist lang.Sie reicht von Cage, Xenakis, Ligeti bis zu Henze und Ozawas Landsmann Tōru Takemitsu. Für immer jedoch wird Ozawas Name mit Olivier Messiaens epochalem Opern-Oratorium "Saint François d'Assise" verbunden bleiben, das er 1983 in Paris überwältigend aus der Taufe gehoben hat.
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Olivier Messiaen: Saint François d'Assise (Scènes franciscaines) — Ozawa, van Dam, etc. (première)
Seiji Ozawa war auch ein zwar seltener, aber gern gesehener Gast beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Sendung: "Klassik-Stars - in memoriam Seiji Ozawa" am 12. Februar 2024 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (7)
Sonntag, 11.Februar, 22:09 Uhr
Lena Mann
Einer der ganz Großen
Das Konzert mit Mahlers Zweiter 1985 zu den Eröffnungswochen der Philharmonie am Gasteig war eines der besten, das ich jemals erlebt habe. Er war ein großer Mensch, freundlich zu allen Sängern, Choristen und Orchestermitgliedern - und natürlich auch zu den weiblichen Entsprechungen. Und einer der wenigen ganz Großen.
Sonntag, 11.Februar, 16:56 Uhr
Trappe
Diskriminierung
Als Mann muss man sich diskriminiert fühlen! Was soll dies, der Plural Sängern vereinte stets beide vorhandenen Geschlechter. Wollen die Journalisten partout durch Neuartigkeit/ Sinnentstelltheit auffallen?
Sonntag, 11.Februar, 07:52 Uhr
paul-ludwig voelzing
ozawa
neusprech bzw. -schreib
Sonntag, 11.Februar, 07:50 Uhr
paul-ludwig voelzing
ozawa fischer völzing
der hinweis von herrn fischer ist nicht nur witzig, sondern auch substantiell! hier schmunzelt man, weil es es selbstverständlich ist, dass mit sänger alle, die singen gemeint sind. das ist bei sängerinnen nicht unbedingt der fall. was aber, wenn die selbstverständlichkeit nicht gegeben ist? dann beginnt plötzlich das interpretieren, wo im bisherigen system klarheit ist. im übrigen verstößt der neprech bzw. .schreib gegen das prinzip der einfachheit. um's kurz zu machen: ich empfehle als lektüre: hans jürgen heringer: richtig gegendert? brey 2022
Sonntag, 11.Februar, 07:30 Uhr
paul-ludwig voelzing
ozawa - fischer
nicht nur zu sängern, sondern auch zu kolleginnen! der satz "als mensch ...legendär zeigt den widersinn des genderns. es widerspricht dem system der deutschen sprache, das nicht auf sexus sondern auf genus ausgerichtet ist. einfach gesagt: der, die, das ist wichtiger als frau-mann. insofern steht (der) sänger für alle, die singen, egal ob frau oder mann, schwarz oder weiß, groß oder klein, dick oder dünn, reich oder arm ... wer heute gendert, müsste morgen, je nach politischem bedarf auch solche "unterschiede" im sprachlichen system verankern.
Freitag, 09.Februar, 14:56 Uhr
Dr. Bernd Fischer
Frage
„Als Mensch hingegen war Ozawa ein bescheidener Star – sein stets freundlicher, von japanischer Höflichkeit geprägter Umgang mit Sängerinnen und Kollegen ist legendär.“
Zu Sängern war er nicht nett?
Freitag, 09.Februar, 14:08 Uhr
Trappe
Dirigent von Weltrang
Er war ein ganz großer Dirigent, auch insbesondere bei den Berliner Philharmonikern hat er später ganz brilliante Konzerte gegeben. Da war die Weltelite vereint.