Sie gilt als Königin der Blockflöte, er als Magier der Bratsche. Dorothee Oberlinger und Nils Mönkemeyer – ein perfektes Duo. Letztes Jahr haben sie ihr gemeinsames Album "Dance for Two" herausgebracht. Im Interview verraten sie, warum der Tanz das Fitnesscenter der Barockzeit war und warum sie als Duo am ehesten Tai-Chi zusammen tanzen. Am Sonntag geben Dorothee Oberlinger und Nils Mönkemeyer ein Konzert in der Nürnberger Meistersingerhalle.
Bildquelle: Johannes Ritter
BR-KLASSIK: Dorothee Oberlinger und Nils Mönkemeyer, Sie sind ein ungewöhnliches Duo – mit Blockflöte und Bratsche. Wie haben Sie sich denn gefunden?
Dorothee Oberlinger: Nils Mönkemeyer kenne ich eigentlich schon ganz lange. Wir hatten ein gemeinsames Projekt, da war er noch Stipendiat bei der Villa Musica und wir haben mit Reinhard Goebel zusammen Brandenburgische Konzerte gespielt. Das ist schon ewig her. Und dann haben wir, als Nils eine Residence hatte beim Festival in Mecklenburg-Vorpommern, ein Konzert zusammen gespielt und das hat uns so riesengroßen Spaß gemacht, dass wir uns überlegt haben, etwas für unsere zwei Instrumente zu kreieren. Da gibt es fast nix. Deswegen haben wir uns die Musik quasi selber arrangiert. Und so ist auch unser Duo-Album entstanden.
BR-KLASSIK: Das ist komisch, denn die Besetzung klingt ja sehr schön. Aber es gibt niemanden, der für diese Besetzung geschrieben hat. Warum?
Nils Mönkemeyer | Bildquelle: Irène Zandel Nils Mönkemeyer: Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass viele Komponistinnen und Komponisten für eine bestimmte Gelegenheit schreiben. Und bei der Bratsche sind wir Solisten und Solistinnen erst seit kurzer Zeit wirklich aktiv. In der Barockzeit war das eher untypisch. Trotzdem wundere ich mich selbst. Denn das Schöne an dieser Kombination ist: Wir haben so viele verschiedene Möglichkeiten. Dorothee kann die Flöten wechseln und hat darum alles zur Verfügung – von tiefsten Basstönen bis höchsten Soprantönen, und verschiedenste Farben. Und die Bratsche ist ja per se ein Instrument, das sozusagen eine männlichere oder eine weiblichere Stimme perfekt abbilden kann. So können wir auch innerhalb des Duos ganz toll die Rollen tauschen und wechseln.
Es wurde höchste Zeit für ein solches Projekt.
BR-KLASSIK: Musikalisch muss es im Duo passen, aber natürlich auch menschlich. Können Sie jeweils drei Charaktereigenschaften nennen, die Sie besonders am Gegenüber schätzen?
Dorothee Oberlinger: Bei Nils würde ich sagen: extrem kreativ, spontan und manchmal auch verrückt.
Nils Mönkemeyer: Bei Dorothee würde ich sagen: extrem herzlich, total frei im Geist und eine Person, bei der ich mich absolut sicher fühle, musikalisch alles auszuprobieren.
BR-KLASSIK: Man spürt schon, das matcht, wie man heutzutage auf Neudeutsch sagt. Das Stichwort "frei" ist gerade gefallen. Ich finde, Sie wirken beide sehr frei auf Ihren Instrumenten. Es geht nicht immer nur darum, dass es jetzt superschön und glatt klingt, sondern es geht um eine Ausdrucksweite, die bei Ihnen gefühlt gar keine Grenze hat. Wie haben Sie sich diese innere Freiheit erarbeitet? Ich glaube, das ist nichts, was man im Studium einfach so lernt ...
Dorothee Oberlinger: Das hat auch mit den Lebenswegen zu tun. Ich bin mit der Blockflöte aufgewachsen, habe mit fünf Jahren angefangen, das Instrument zu spielen. Und im Studium bin ich nach Amsterdam gegangen, wo man fast gar keine Barockmusik mehr gespielt hat, was ja das typische Repertoire für das Instrument ist. Sondern man hat versucht, wirklich die Grenzen auszuloten – zur ganz frühen Musik, aber auch zur absoluten Neue-Musik-Avantgarde-Improvisation. Das hat für mich die Grenzen des Instruments gesprengt. Das waren sehr wichtige Inspirationen für mich. Und eigentlich ist es bis heute so, dass ich immer wieder versuche, neue Klänge für mein Instrument zu finden.
Nils Mönkemeyer: Das finde ich sehr interessant, weil ich mich genau an einen Schlüsselmoment erinnere. Das war in einem Klassenkonzert in der Hochschule noch am Anfang meines Studiums. Ich habe ein Stück von heute aufgeführt und plötzlich war dieses Gefühl von Tradition, Erwartungen und Hörerwartungen irgendwie weg. Ich habe mich nur noch gefragt: Wie kann man neue Klänge erzeugen? Das hat mir ein Gefühl von unendlicher Befreiung und Freiheit gegeben.
BR-KLASSIK: Sie haben gemeinsam ein Album aufgenommen, das auch vom Repertoire her sehr frei und offen ist: "Dance for Two". Wenn Sie sich jetzt als tanzendes Paar visualisieren, was tanzen Sie?
Nils Mönkemeyer: Hoffentlich einen ganzen Kanon an Tänzen. Nur einer ist ja langweilig.
Dorothee Oberlinger | Bildquelle: © Dorothee Oberlinger Dorothee Oberlinger: Ich würde sagen, es ist auch ein bisschen Tai-Chi dabei. Wir haben zum Beispiel von John Cage "Dream" arrangiert. Das hat er für seinen Partner Merce Cunningham geschrieben. Und der muss extrem langsam und geführt getanzt haben – sehr spacig. Im Prinzip reicht die Palette von da – und für uns atmet das eben auch Ewigkeit die Geschichte des Tanzes – bis hin zum Volkstanz. Den hat Konstantia Gourzi in ihre Kompositionen einfließen lassen, die sie uns gewidmet hat. Oder auch die Werke von Bartók, die wir bearbeitet haben. Da geht es wirklich zur Sache; man kann sich echt warm tanzen. Der Tanz war quasi das Fitnesscenter der Barockzeit.
Der Tanz war quasi das Fitnesscenter der Barockzeit.
Nils Mönkemeyer: Das mit Tai-Chi finde ich ein schönes Bild. Wir spielen ja jetzt auch beide melodische Instrumente, wo der Dialog sehr stark zum Tragen kommt. Und da habe ich das Gefühl, es geht natürlich um einen Tanz der Energien – von den zwei Stimmen und auch von uns beiden, wie wir gemeinsam Musik erzeugen. Im Tai-Chi geht es ja auch um die ewige Lebensenergie. Deswegen - ein sehr schönes Bild. Wir tanzen Tai-Chi!
Sonntag, 3. November 2024 um 19 Uhr
Nürnberg, Meistersingerhalle, Großer Saal
Nils Mönkemeyer, Dorothee Oberlinger & Festival Strings Lucerne
Daniel Dodds, Violine und Leitung
Olga Watts, Cembalo
Werke von Schumann, Schubert, Bartók, Telemann und Dvořák
Sendung: "Leporello" am 31. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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