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Zum Tod von Péter Eötvös Drei Leben in einem

Péter Eötvös war Dirigent, Komponist und Lehrer. Und eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Oper, das war für den Ungarn dabei immer das Reizvollste. Und so schrieb Eötvös Bühnenwerke, publikumsnah und verständlich, die fast alle regelmäßig nachgespielt werden. Am 24. März ist Peter Eötvös im Alter von 80 Jahren verstorben.

Péter Eötvös im Februar 2023 | Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com | Karl Schöndorfer

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 Von Transsylvanien aus in die zeitgenössische Musik? Nicht unbedingt der nächste Weg. Aber Péter Eötvös ist ihn gegangen. Und er hat früh damit angefangen: "Ich muss! Als ich vier Jahre alt war, da habe ich schon komponiert. Das kam einfach so: Noten schreiben, Buchstaben schreiben, zur Schule gehen, Klavier spielen. Das gehört zu meinem Leben", erklärte er einst. Seine Musik bewegt sich im bildhaft Bunten und ist damit der Bühne oder dem Kino oft näher als dem Konzertpodium.  

Hungrig nach westlicher Musik

Péter Eötvös, 1944 im damals ungarischen Teil Transsylvaniens geboren, galt als äußerst höflich und um Dialog bemüht. Die Wurzeln seines offenen Denkens finden sich in seiner Kindheit. Die Grenzen in Ungarn in den 1950er- und 60er-Jahren sind eng und der Hunger des jugendlichen Eötvös nach verbotener westlicher Musik ist groß. Die Stücke von Anton Webern lernt er als Underground-Kultur kennen. Seine Vorbilder heißen Stockhausen, Boulez, Miles Davis, aber auch: Béla Bartók.  

Über Köln in die Welt

Schon mit 14 Jahren nimmt Zoltán Kodály Eötvös in seine Kompositionsklasse an der Budapester Musikakademie auf. Mit 22 führt ihn ein Stipendium nach Köln, wo er schnell Kontakt zur Musikavantgarde knüpft. Erst als Pianist im Ensemble von Stockhausen, dann als Tontechniker am Elektronischen Studio des WDR in Köln. 1978, mit 24, dann der Durchbruch: Pierre Boulez holt ihn für ein Konzert nach Paris. Es wird Eötvös die musikalische Leitung des Ensemble Intercontemporain einbringen. Er reist nun als Dirigent um die Welt, bevor er auch als Komponist Erfolge feiert. Heute zählt er zu den größten Komponisten unserer Zeit, schrieb viele Opern. Darunter der große musiktheatralische Wurf: "Drei Schwestern". Nach Anton Tschechow. Die Uraufführung in Lyon 1998: eine Sensation.  

Ein dichtes Leben

Er stand ohne Taktstock vorm Orchester, verabscheute Dogmatismus, und Musik wollte er immer wieder neu entdecken. Sowieso: Musik. Davon nahm er sich nur selten frei. "Manchmal mache ich auch Pause, meistens mit meinem Hund zusammen, oder wenn ich schwimme", sagt er. Aber leider seien diese Pausen selten, weil er ein sehr dichtes Leben habe: "Drei Berufe gleichzeitig, auch als Dirigent und auch als Lehrer", wie Eötvös es selbst ausdrückte.

Letzte Uraufführung des Komponisten

Sein Werk "Valuschka" hatte erst im Februar 2024 Premiere am Theater Regensburg. In der beklemmenden Polit-Satire rechnet der ungarische Komponist mit autoritären Politikern und einer verwahrlosten Gesellschaft ab.

Weltoffenheit und Zirkus

An seinem internationalen Péter Eötvös-Institut förderte er seit 1991 junge Komponistinnen und Dirigenten. Sein pädagogisches Ziel: Weltoffenheit. Und: ein bisschen Zirkus. Denn der ist, laut Eötvös, die Basis aller Künste. "Das, was sie machen ist eigentlich lebensgefährlich. Und diese Funktion, die Lebensgefahr mit der Kunst zu verbinden, das sollte als Grundsatz für alle Künste gelten. Das, was ich komponiere, müsste ich genauso ernst machen wie die Artisten im Zirkus. Sie müssen nämlich immer wiederholen, wenn sie einen Fehler machen, müssen sie noch mal hochklettern und noch mal probieren, sie dürfen nicht die Sachen so lassen oder sagen, aha, das hat nicht geklappt. Also das gilt für alle Künste." Kunst als Drahtseilakt über dem Existentialismus. Oder mittendrin. Péter Eötvös hat genau das gelebt. 

BR-KLASSIK gedenkt Péter Eötvös

BR-KLASSIK widmet die Sendung "Horizonte" am Dienstag, 26. März, 22:05 Uhr Péter Eötvös.

Kommentare (4)

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Mittwoch, 27.März, 16:19 Uhr

Weinkenner

Jahrhundertoper "Tri sestri"

Allein mit seiner Oper "Drei Schwestern" hat Peter Eötvös sich unter die wichtigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte eingereiht. Mehr hätte er gar nicht schreiben müssen, um als eine solche zu gelten. Hat er aber und großartiges ist auch darunter. Er war ein Urgestein und einer der profiliertesten Dirigenten der Neuen Musik. Sein Tod ist allein für diese Szene ein herber Verlust. Ganz zu schweigen von seiner Aufbauarbeit im kulturell reaktionären Klima Ungarns. Da klafft nun eine enorme Lücke. Sein liebenswürdiges Wesen als Mensch war da nur ein angenehmer Begleitaspekt, nicht mehr und nicht weniger.

Mittwoch, 27.März, 10:23 Uhr

Drese

Trauer um Eötvös

Ein herber Verlust für diese Welt mit ihren Klängen ist jetzt dieser Tod. Eötvös' feine Klänge fehlen leider hierzulande überall im Repertoire..

Dienstag, 26.März, 23:08 Uhr

Wassergießer

Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Wasser in den Wein gieße, aber Eötvös als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte zu bezeichnen, ist vermessen. Schönberg, Steve Reich, Grisey, aber Eötvös? Die Dirigate, die ich von ihm erlebt habe, waren eher unglücklich; als er das SWR Symphonieorchester bei dessen Gründungskonzert leitete, waren sich viele Kritiker darüber einig. Als Komponist fand ich ihn nicht wegweisend. Persönlich war er ganz bestimmt ein großartiger Mensch. Was ja das Wichtigste ist.

Montag, 25.März, 16:46 Uhr

NRE

Traurig

Ich habe viele Aufführungen von Eötvös gesehen/ gehört/ erlabt, darunter von ihm selbst dirigierte und sogar Uraufführungen. Unvergessen geblieben ist mir die Aufführung seines Werkes „Atlantis“ in Hamburg (ich glaube unter Metzmacher). Danach war ich Eötvös-addicted.

Eine traurige Nachricht!

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