Als Feminist war der wohl berühmteste Künstler des 20. Jahrhunderts deutlich weniger überzeugend denn als Maler und Grafiker. Am Theater an der Rott widmen sich der spanische Choreograph Daniel Morales Pérez und Sebastian Kamm der schwierigen Beziehung Picassos zu seiner zeitweiligen Muse Dora Maar. Ein umjubeltes Wagnis.
Bildquelle: Sebastian C. Hoffmann
Nein, ein Feminist war Pablo Picasso wohl wirklich nicht, aber was dann? Ein Pferd, ein Stier, eine Taube? Schon eher, meint der spanische Choreograph Daniel Morales Pérez. Für ihn ist der berühmte Maler ein Wesen voller Kraft, voller Gewalt, gefährlich, unnahbar, aber auch liebesbedürftig, hungrig nach Nähe, ausgelassen und hoch emotional. Damit eignet sich Picasso natürlich hervorragend für das Tanztheater, zumal seine siebenjährige Beziehung zur Fotografin Dora Maar ein Kapitel Kunstgeschichte schrieb.
Seine Muse begleitete die Arbeit von Picasso am erschütternden Antikriegsbild "Guernica", machte ihn mit wegweisenden Linken bekannt und ertrug mal mehr, mal weniger seine vielen Seitensprünge. All das ist Thema bei diesem Tanzabend im Theater an der Rott in Eggenfelden, wo es zuletzt Peter Androschs Bieroper oder eine Neuinszenierung der "Fledermaus" gab. Nun also Picasso, einschließlich der berühmten Caféhaus-Szene, in der sich Picasso und Dora Maar kennenlernen: Sie rammt ein Messer zwischen ihre Finger in den Bistrotisch, aus einer Laune heraus. Nicht immer trifft sie daneben, am Ende bluten ihre Hände. Nun ist das Handlungsballett mit Stationen einer Liebe eigentlich längst nicht mehr in Mode, aber wenn es so bebildert wird wie hier, geht der Premierenjubel des Publikums völlig in Ordnung. Picasso als frauenverschlingende Sagen-Gestalt, als Flamenco tanzender Minotaurus, das hat was.
Seine dunklen Seiten machen Picasso als Künstler nicht klein, sondern umgekehrt.
Co-Choreograph Sebastian Kammer: "Das ist ja auch das spannende an diesem Leben, dass er auch seine dunklen Seiten hatte und seine Schattenseiten, seine negativen, nicht rühmlichen Seiten. Das macht ihn ja als Künstler nicht klein, sondern umgekehrt." So habe das künstlerische Team des Abend die Frage beschäftigt, ob es notwendig sei so zu sein, um Künstler zu sein oder ist man so, weil man Künstler ist. "Ich würde sagen, er war ein Frauenheld. Er war ein Mann, der die Frauen geliebt hat und die Frauen wahrscheinlich auch ihn. Er war sicherlich kein Feminist, nein", schließt Sebastian Kammer.
Szene aus "Picasso, Dora Maar, das Pferd und der Stier" in Eggenfelden. | Bildquelle: Sebastian C. Hoffmann Ausstatterin Mariangela Mazzeo hatte eine Art Altar für die Liebe aufgebaut, vor dem Dora Maar sich wehmütig an ihr Leben an der Seite von Picasso erinnert: An die Auseinandersetzungen um die Kunstform Fotografie, die Arbeit an "Guernica", die Bedrohung durch die Nazis und die deutsche Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg, die schrägen Partys der Surrealisten-Szene in Paris. Picasso, der von drei Tänzern dargestellt wird, immer deutlich zu erkennen an seinem blau-weißen Ringelshirt, das ihn zur Stilikone machte. Das steht für seine späten Jahre in Südfrankreich, aber auch für seine mediterrane Lebenseinstellung. Nicht von ungefähr verliebt er sich unter einem weißen Sonnenschirm in Dora Maars deutlich jüngere Nachfolgerin, Françoise Gilot.
In 90 Minuten zeigen Daniel Morales Pérez und Sebastian Kammer ihre Sicht auf den wohl bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts, ohne aufdringlich dessen Werke in den Mittelpunkt zu stellen. Es bleibt bei sehr sparsamen Bildzitaten, um nicht von den Tänzern abzulenken. Die Musik dazu, neben Flamenco-Rhythmen auch spanische und deutsche Balladen bis hin zum Rap, wird hier und da mit zeitgeschichtlichen Audiobruchstücken gemixt: Das Gebrüll faschistischer Diktatoren, Klangfetzen von einem Marsch. Insgesamt für das Theater an der Rott in Eggenfelden ein mutiges und gelungenes Experiment, gibt es hier doch nicht das Publikum, das solche Stoffe auf Off-Bühnen in Berlin oder München gewohnt ist. Tura Gómez Coll, Katharina Mikstetter und Alessia Aurora Rizzi sind ebenso kraftvoll-gefühlsgeladen bei der Sache wie die drei Tänzer, die Picasso in seinen verschiedenen Lebensphasen darstellen, mal als aggressiven Stier, mal als nervöses Pferd, mal als sensible Friedenstaube: Damián Cortés Alberti, Jiaji Cheng und der Bruder des Choreographen, Elias Morales Pérez.
Und wie ist der Inhalt auf den Punkt zu bringen? Im Programmheft steht: Picasso hat nie mit einer Frau Schluss gemacht. Die Beziehungen sind für ihn einfach verblasst, wenn er eine neue getroffen hat. Klingt irgendwie sehr modern!
Sendung: "Allegro" am 15. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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