Susanna Mälkki ist eine der begehrtesten Dirigentinnen dieser Zeit. Aktuell arbeitet die Finnin mit den Münchner Philharmonikern an Werken des 20. Jahrhunderts. Es läuft gut bei ihr – und dennoch wird das neue Jahr für sie vor allem von einem geprägt sein: Veränderung.
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BR-KLASSIK: Susanna Mälkki, es ist nun drei Jahre her, seit Sie das letzte Mal mit den Münchner Philharmonikern aufgetreten sind. Wie laufen die Proben? Haben Sie schnell wieder zusammengefunden?
Susanna Mälkki: Es ist wundervoll, wieder bei den Münchner Philharmonikern zu sein. Und es ist so eine Freude, mit diesem Orchester zusammenzuarbeiten. Durch die Musik ging das Zusammenfinden sehr schnell.
BR-KLASSIK: Sie arbeiten mit den verschiedensten Orchestern auf der ganzen Welt zusammen. Wie bereiten Sie sich auf die Orchester vor, besonders jetzt auf die Münchner Philharmoniker?
Die finnische Dirigentin Susanna Mälkki ist gern in München zu Gast. | Bildquelle: Astrid Ackermann Susanna Mälkki: Ich habe mit dem Orchester schon ein paar Mal gearbeitet und kenne den Klang, das Profil und den Charakter dieses Orchesters. Die Münchner Philharmoniker haben diesen sehr vollen, epischen Klang und verstehen den romantischen Stil von Sibelius so gut. Auf die beiden kommenden Konzerte habe ich mich dennoch etwas anders vorbereitet als sonst. Ich habe stärker meine eigenen Ideen zu Sibelius untergebracht: Veränderungen in der Dynamik, einfach um die Musik etwas klarer zu machen. Mir hat das großen Spaß gemacht. Man muss manchmal die richtigen Punkte in der Musik hervorheben, sonst bleibt es eine dicke Klangmasse.
BR-KLASSIK: Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte im Dezember, er hätte bei der Nachfolge für die musikalische Leitung bei den Münchner Philharmonikern hohe Sympathien für eine Frau auf der Position. Hätten Sie Lust?
Susanna Mälkki: Die Münchner Philharmoniker sind ein fantastisches Orchester und München ist eine der besten Musikstädte weltweit. Ich wäre sehr geschmeichelt und sehr interessiert, wenn sie mich fragen würden. Aber ich sollte mich da zurückhalten. Es gibt verschiedene Gründe für Orchester, sich für unterschiedliche Dirigenten zu entscheiden.
BR-KLASSIK: Sie befinden sich gerade in der letzten Saison als Chefdirigentin des Philharmonischen Orchesters Helsinki. Eine große Ära geht zu Ende. Was sind Ihre Pläne für die kommende Saison?
In Zukunft will Susanna Mälkki sich verstärkt auf das große Orchesterrepertoire und die Oper konzentrieren. | Bildquelle: Stefan Bremer
Susanna Mälkki: Zum einen möchte ich ein anderes Repertoire dirigieren. Ich habe viel zeitgenössische Musik gemacht, viel moderne Musik aus dem 20. Jahrhundert. Vor kurzem habe ich dann Bruckner dirigiert, bin also mehr in das große Repertoire eingestiegen. Das will ich mehr machen. Und natürlich die großen Mahler-Werke.
Zum anderen, und das ist sehr spannend für mich, möchte ich mehr Oper dirigieren. Das ist ein langgehegter Traum von mir. Ich habe in den ganzen Jahren tatsächlich immer wieder Opern dirigiert, aber viele kennen mich nicht damit, weil es bisher nicht meine Identität war. Ich liebe es, mit Sängern zu arbeiten und es gibt so viel Repertoire zu entdecken. Und ich liebe den Dialog zwischen dem Orchester und der Bühne, die Kombination von Text und Musik. Das ist wirklich sehr erfüllend. Deswegen wird es in Zukunft etwas mehr Oper geben.
Ich möchte mehr Oper dirigieren, denn ich liebe den Dialog zwischen dem Orchester und der Bühne.
BR-KLASSIK: Sind Sie auf der Suche nach einem neuen Orchester oder wollen Sie erst einmal mit unterschiedlichen Orchestern arbeiten?
Susanna Mälkki: Ich stehe an einem Wendepunkt. Ich denke, dass die Karrieren von Dirigentinnen und Dirigenten normalerweise lang sind. Natürlich freue ich mich, bei einem neuen Orchester zu arbeiten. Auf der anderen Seite macht die Arbeit als Freiberuflerin wirklich viel Spaß. Aber wenn man tiefer eintauchen will, ist es gut, langfristig zusammenzuarbeiten. Und das ist wirklich etwas, worauf ich hoffe.
Am 11. und 12. Januar 2023 dirigiert die Finnin Susanna Mälkki die Münchner Philharmoniker mit Werken von Anton Webern, Richard Strauss und Jean Sibelius. Einzelheiten zum Programm finden Sie hier.
BR-KLASSIK: Sie waren vor ihrem Dirigierstudium als Solo-Cellistin tätig. Vermissen Sie es beim Dirigieren manchmal, selber im Orchester zu spielen?
Susanna Mälkki: In gewisser Weise schon. Aber auch wenn ich nicht physisch spiele, hilft mir mein Verständnis für das Gruppengefühl, den Musikerinnen und Musikern die Führung zu überlassen. Als ich noch im Orchester gespielt habe, war es das Schönste, Seite an Seite zu spielen und all diese kleinen Details zu erschaffen. Aber klar: Es gibt das Hoheitsgebiets der Dirigentinnen und Dirigenten. Und es gibt das Hoheitsgebiet des Orchesters. Als Dirigentin mache ich Musik auf eine andere Weise. Zwar bin ich immer noch dieselbe Musikerin, aber ich habe einen anderen Verantwortungsbereich.
BR-KLASSIK: Sie werden beim Konzert mit den Münchner Philharmonikern die Sechs Stücke für Orchester von Anton Webern dirigieren. Inzwischen sind sie über 100 Jahre alt – dennoch gelten sie weiterhin als modern und sind vielleicht auch ungewohnt zu hören. Wie wollen Sie es schaffen, das Publikum an das Stück heranzuführen?
Erst als Solo-Cellistin, nun als Dirigentin: Susanna Mälkki möchte in ihren Konzerten unvergessliche Momente erschaffen. | Bildquelle: Jiyang Chen Susanna Mälkki: Der Schlüssel zu Webern ist die Atmosphäre. Weberns Stücke sind sehr im Jetzt, in der Gegenwart. Deswegen muss das Publikum beim Hören nicht über 12-Ton-Reihen nachdenken, es geht eher um den Eindruck. Webern ist niemals exzessiv, seine Musik hängt eher in der Luft. Auch die Dauer der Stücke ist sehr kurz, einige dauern nur eine Minute. Webern ist so fantastisch darin, wenig zu sagen. Man tritt in eine Blase und eine Atmosphäre ein – und dann ist sie schon verschwunden. Wenn das Publikum also das Gefühl hat, das Stück nicht verstanden zu haben, dann ist das genau der richtige Eindruck. Denn es muss abstrakt sein. Man muss davon eingenommen werden und wenn man sich danach fragt: Was war das? – dann ist es perfekt.
Wenn wir Musiker die Musik lieben, ist die Chance hoch, dass auch das Publikum die Musik liebt.
BR-KLASSIK: Sie sagen oft, dass Sie es schaffen wollen, in Ihren Konzerten einen unvergesslichen Moment zu schaffen. Wann war Ihr letzter unvergesslicher musikalischer Moment?
Susanna Mälkki: Zwei Monate vor Weihnachten war ich in Barcelona und habe dort Puccinis "Il Trittico" aufgeführt – ein absolutes Meisterwerk und ein gewaltiges Stück. Weil es so emotional beladen ist, hatten wir bei den Proben Tränen in den Augen. Ich bin wirklich in der Puccini-Welt geschwommen, das war unvergesslich. Jetzt bin ich wieder zurück bei den Symphonien. Man sollte nie unterschiedliche Welten vergleichen und ich bin sehr dankbar, dass ich beides machen kann. In Symphonien und Instrumentalmusik kann man genauso magische Momente erschaffen. Wir sind Geschichtenerzähler mit Melodien und den Charakteren. Wenn wir Musiker die Musik lieben, ist die Chance hoch, dass auch das Publikum die Musik liebt. Und ich glaube, da wird es diese Woche in München einige dieser Momente geben.
Sendung: "Leporello" am 11. Januar 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK