Eine Frau liebt einen Mann. Der ist nicht abgeneigt, ihr sozial aber nicht ebenbürtig. Gut, dass es da eine Möglichkeit gibt, schnell Geld zu machen. Mit Glücksspiel und Zauberkarten. Leider muss dafür jemand sterben, der Strudel beginnt. Am Sonntag hat die Neuproduktion von Tschaikowskys "Pique Dame" in der Regie von Benedict Andrews Premiere an der Bayerischen Staatsoper. Ein Vorbericht.
Bildquelle: © Wilfried Hösl
Vorbericht
"Pique Dame" an der Bayerischen Staatsoper
So schwarz wie das Pik auf einer Spielkarte, genau so schwarz ist die Geschichte, ist die Szenerie, sind die Seelen. Regisseur Benedict Andrews rührt dafür zusammen mit Bühnenbildner Rufus Didwiszus in den dunkelsten Farbtöpfen: "Das wird auf jeden Fall eine große Klarheit haben, keine vollgestopften Räume", sagt Didwiszus im BR-KLASSIK-Gespräch, "das sind natürlich alles Symbole, die zur Verlorenheit der Figuren passen." Verloren wirken auch die eher unspezifischen Plätze. Wo man nie so recht weiß, ob es Tag oder Nacht ist.
Die Premiere der Tschaikowsky-Oper dirigiert der Usbeke Aziz Shokhakiamov. Für ihn ist das Problem der Figuren so simpel wie fatal: "Die Leute reden einfach nicht miteinander. Sei es, weil es nicht üblich ist wegen ihrer unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, oder weil sie eben extra als Persönlichkeit so angelegt sind. Es gibt keinen einzigen anständigen Dialog zwischen den Figuren, der dazu dient, ihre Probleme zu lösen!"
Es gibt keinen einzigen anständigen Dialog, der dazu dient, Probleme zu lösen
Szene aus "Pique Dame" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl Alle Figuren wirken seltsam verschlossen. Manche haben ein dunkles Geheimnis. Und Einer von denen geht über Leichen: Hermann, oder auf Russisch GERMANN. Der Deutsche war früher ein gieriger Kartenspieler. Und irgendwie juckt ihn das Glücksspiel immer noch. Wenn nur nicht dieses Risiko dabei wäre. In München singt und spielt Tenor Brandon Jovanovich diese Partie: "Das ist so eine herausfordernde Rolle, weil schier unfassbar viele Gefühle drinstecken. Die dramatische Linie verlockt dazu, dass man sich in den Melodien verliert. Tatsächlich gibt es aber jede Menge Gefühlsausbrüche aus Leidenschaft, aus Besessenheit, aus einer gewissen Verrücktheit. Das macht es enorm schwer."
Herrmann schmiedet einen Plan. Er baggert die hübsche Lisa an und umgarnt sie mit Kosenamen: Schönheit, Göttin, Engel. Tatsächlich interessiert ihn aber nur Lisas Großmutter. Violeta Urmana übernimmt die Rolle der rüstigen Dame. "Die Partie ist nicht lang, aber man spricht die ganze Oper über diese Lady. Die hat wohl einiges angestellt, als sie jung war. Und es geht immer um sie. Und hier ist sie noch aufgewertet in dieser Produktion."
In der Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper ist Peter Tschaikowskys "Pique Dame" mit Asmik Grigorian, Brandon Jovanovich und Violeta Urmana in den Hauptrollen besetzt. Am Pult steht der usbekische Dirigent Aziz Shokhakimov.
BR-KLASSIK überträgt die Premiere live im Radio – am 4. Februar 2024 ab 18:00 Uhr.
Violeta Urmana und Brandon Jovanovich in "Pique Dame" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: W. Hösl Scharf ist Herrmann nicht auf die 80-jährige Gräfin, scharf ist er auf ihr wohlgehütetes Geheimnis: Sie kennt drei Zauberkarten, die beim Faro-Spiel immer gewinnen! Perfekt für Herrmann, so kann er endlich reich werden ohne ein Risiko einzugehen. Bleibt nur noch das Problem, an die Alte ranzukommen. Hier kommt Enkelin Lisa ins Spiel. Herrmann schmeichelt sich ein. Lisa ist bezaubert und bereit, für den armen Schlucker Hermann allen Luxus hinter sich zu lassen. Für Asmik Grigorian allerdings kein Grund, diese Figur schwach und fremdgesteuert zu sehen: "Ich sehe in Lisa eine ziemlich reife Persönlichkeit. Sie will dieser adeligen, gut situierten und gelangweilten Welt entfliehen. Sie kämpft also gegen die gesellschaftlichen Regeln, an die sie sich nicht halten möchte. Für mich ist sie definitiv eine starke Persönlichkeit und kein Opfer."
Für mich ist sie definitiv eine starke Persönlichkeit und kein Opfer.
Dass die Geschichte auf der Bühne nicht gut ausgeht, ist klar. Die düstere Musik von Tschaikowsky suggeriert das von Anfang an. Für den Dirigenten Aziz Shokhakimov ist die Oper eine musikalische und eine psychologische Herausforderung. Die Arien sind die Spiegel der Seelen, wie er sagt: "Tschaikowsky hat für die Stimmen mit unglaublichen Klangfarben komponiert. Es gibt da auch immer wieder spezielle Akzente in der Partitur. Er geht aber über das Musikalische hinaus, indem er manchmal den Rhythmus ändert, nur um bestimmten Worten eine besondere Gewichtung zu verleihen."
Sie ist so eine Lichtgestalt. Ich liebe sie.
Bei aller Schwarzmalerei auf der Bühne gibt's aber auch ein freudiges Highlight, denn Diese "Pique Dame" von Tschaikowsky ist sowas wie ein Gipfeltreffen der Litauerinnen: Die gefeierte Sopranistin Asmik Grigorian trifft auf ihre erfahrene Kollegin, die Mezzosopranistin Violeta Urmana. Und die Chemie scheint zu stimmen: "Sie ist so eine Lichtgestalt. Manchmal spricht sie, ich schaue sie an und möchte am liebsten anfangen zu weinen. Sie hat so eine Energie! Für mich ist ist sie einer der außergewöhnlichsten Menschen auf diesem Planeten. Ich liebe sie. Und ich bin so glücklich, dass wir zusammenarbeiten."
Sendung: "Allegro" am 1. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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