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Komponist und Nationalsozialist Debatte um Richard Trunk

Richard Trunk war Nationalsozialist der ersten Stunde, schrieb Propagandawerke und war mit Hitler persönlich bekannt. Nach dem Krieg zog er sich nach Rieden am Ammersee zurück. Dort wird seit rund 50 Jahren sein Grab gepflegt. In seiner Geburtsstadt Tauberbischofsheim ist er Ehrenbürger, die Musikschule trägt seinen Namen. Wie geht das zusammen?

Porträt des deutschen Komponisten Richard Trunk, 1934 | Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Knorr + Hirth

Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Knorr + Hirth

1879 kam Richard Trunk in Tauberbischofsheim zur Welt. Ihm sollte ein langes Leben beschert sein, knapp 90 Jahre später fand er am Ammersee seine letzte Ruhe. Was sich dazwischen abspielte, ist Teil der Musikgeschichte im sogenannten Dritten Reich, die mittlerweile gut erforscht ist: "Er war eine große Figur im nationalsozialistischen Musikleben." Wolfgang Rathert ist Professor für Historische Musikwissenschaft an der LMU München und ordnet Trunk historisch ein: "Er war von 1933 bis 1945 an einer der wichtigsten Hochschulen installiert, an jener in München, der 'Hauptstadt der Bewegung'. Außerdem war Trunk als Propaganda-Komponist im ganzen Land bekannt, vor allem mit seinem Werk 'Feier der neuen Front', das bis 1939 überall gespielt wurde."

Trunk war ein glasklarer Nationalsozialist.
Prof. Wolfgang Rathert, LMU München

Richard Trunk hetzte gegen Musik der Weimarer Republik

Besagtes Chorwerk nach Texten von Baldur von Schirach entstand noch vor 1933. NSDAP-Mitglied war Trunk bereits seit 1931. Dazu gibt es aus der Zeit unmissverständliche Reden und Aufrufe – für Rathert besteht kein Zweifel: "Trunk war ein glasklarer Nationalsozialist, hetzte gegen die Musik der Weimarer Republik. Wir haben es hier nicht mit einem Opportunisten zu tun, der irgendwie herumlavierte, sondern mit einem, der sich früh bekannt hat zum System und dann nach dem Krieg sämtliche Schuld und Verantwortung abgestritten hat."

1945 wurde Trunk 65 Jahre alt - bei einer Verurteilung drohte ihm der Verlust seiner Pension. "Er hat dann ein Netzwerk der Entlastung in Gang gesetzt, Gewährsleute aus der Hochschule und ganz Bayern gefunden, die bei der Entnazifizierungskommission zu seinen Gunsten ausgesagt haben. Und das hat funktioniert. Ein typisches Beispiel", so Rathert, der auf andere, weitaus berühmtere Namen verweist.

Ein Blick in die Musikgeschichte: Werner Egk…

Zum Beispiel Werner Egk. Der war noch tiefer verstrickt in den propagandistischen Alltag der Nazis, schrieb entsprechende Bühnenwerke, für die Olympischen Spiele 1936 oder die Hitlerjugend, und stand dann gar auf der sogenannten "Gottbegnadeten-Liste". Nach 1945 durchlief Egk einige Gerichtsverfahren und bestritt zeitlebens, Fehler gemacht zu haben. In Augsburg, wo Egk aufwuchs, war lange eine Grundschule nach ihm benannt. Erst 2024 wurde der Name geändert, nachdem der Stadtrat dies 2019 zunächst abgelehnt hatte.

.. und Hans Pfitzner

Auch der Name Hans Pfitzner wird kontrovers diskutiert. Der Komponist war ebenfalls Teil der besagten Liste von Hitlers Gnaden, schrieb für einen der schlimmsten Nazis überhaupt, den für Polen beauftragten Hans Frank, und war ein notorischer Antisemit und Nazi-Verharmloser – auch und gerade nach dem Krieg bis zu seinem Tod 1949. Zahlreiche Straßen in Deutschland tragen seinen Namen. Seit einer umfangreichen Publikation Anfang der 2000er Jahre laufen Umbenennungsmaßnahmen – mal mehr, mal weniger schleppend, auch in Schondorf am Ammersee, wo Pfitzner einige Jahre lebte.

Richard Trunk: Ehrenbürger in Tauberbischofsheim

"Schleppend" ist ein gutes Stichwort in Sachen Richard Trunk. In seiner Geburtsstadt Tauberbischofsheim ist er Ehrenbürger, die städtische Musikschule ist nach ihm benannt, ebenso eine Straße. "Die Ehrenbürgerschaft erlischt laut Satzung mit dem Tod, daher ist eine Aberkennung gar nicht möglich." Anette Schmidt ist Bürgermeisterin von Tauberbischofsheim und weiß um die Brisanz des Themas.

Aufarbeitung im Stadtrat abgelehnt

Türmersturm in Tauberbischofsheim | Bildquelle: picture alliance/United Archives | Werner Otto In Tauberbischofsheim ist die Städtische Musikschule nach Richard Trunk benannt. | Bildquelle: picture alliance/United Archives | Werner Otto Schon in den 1980er Jahren stand eine Aufarbeitung zur Debatte, damals vom Stadtrat abgelehnt mit folgenden Worten, die im Protokoll nachzulesen sind: "Nachdem Richard Trunk durch Spruchkammerbescheid vom 08. März 1948 in die Gruppe der Mitläufer eingestuft wurde, gibt es für die Stadt Tauberbischofsheim keine Veranlassung, weitere Nachforschungen anzustellen." Bis heute wird Trunk prominent auf der Website der Stadt als ehemaliger Ehrenbürger genannt.

"Ja, das könnte man vielleicht angehen in Zukunft", so Schmidt, die hörbar um Worte ringt und vor allem in der Frage nach Umbenennung der Musikschule eine ambivalente Meinung hat: "Uns geht es ja um die Musik, um den Komponisten, und da hat er ja nicht so viel falsch gemacht." Gleichzeig distanziert sie sich von "allem, was Trunk im Nationalsozialismus getan hat" und spricht dabei auch für den Stadtrat.

Umbenennung der Musikschule in Tauberbischofsheim: Ja oder nein?

Für Wolfgang Rathert von der LMU München passt das nicht zusammen. Er spricht sogar von einem "Skandal", unter diesem Namen die musikalische Förderung zu preisen. Wenige Wochen nach dem BR-KLASSIK-Gespräch teilt Anette Schmidt per E-Mail mit: "Ich habe unser Interview zum Anlass genommen, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei bin ich zu der Erkenntnis gekommen, die Namensänderung unserer Musikschule vorzubereiten und einen entsprechenden Antrag in den Gemeinderat einzubringen."

Richard Trunks Grab in Dießen am Ammersee

Anruf bei der Kollegin im Süden Bayerns, bei Sandra Perzul, Bürgermeisterin von Dießen am Ammersee. Nach dem Krieg zog sich Trunk dorthin zurück, lebte im Weiler Riederau, wo er Anfang der 1950er Jahre ebenfalls zum Ehrenbürger ernannt wurde. "Für unsere Gemeinde ist die Ehrenbürgerschaft von Richard Trunk kein Thema", betont Perzul und verweist auf die Eingemeindung. Seit 1978 gehört Rieden (und Riederau) zu Dießen. Da die Satzung nur lebende Ehrenbürger vorsieht, stand die Frage nach Aberkennung nie im Raum.

Testamentarisch verordnete Grabpflege

Marienmünster in Dießen am Ammersee | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Martin Siepmann Die Gemeinde Dießen am Ammersee lässt Richard Trunks Grab noch bis Sommer 2025 pflegen. | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Martin Siepmann Problematischer ist das Grab, um das sich Dießen kümmert, allerdings auf Veranlassung von Tauberbischofsheim. Der Hintergrund: Der gesamte Nachlass ging an die Geburtsstadt Trunks. Die Witwe, die einige Jahre nach ihrem Mann starb, veranlasste jedoch, das Grab am Ammersee weiterhin pflegen zu lassen. Bis heute: "Da dieses Grab als ganz normales Grab geführt ist, wurde niemand darauf aufmerksam," sagt Perzul. Erst durch die BR-KLASSIK-Anfrage prüfte die Gemeinde den Sachverhalt genauer: "Wir haben der Stadt Tauberbischofsheim am 18.12.2024 schriftlich mitgeteilt, dass das Nutzungsrecht der Grabstelle Trunk zum 21.07.2025 ausläuft und die Marktgemeinde Dießen am Ammersee nicht beabsichtigt, die Grabpflege über den 21.07.2025 hinaus zu übernehmen", so Perzul.

Die Bürgerschaft muss sich fragen: Will sie diesem Komponisten, diesem Nationalsozialisten weiterhin ein Denkmal setzen?
Prof. Wolfgang Rathert, LMU München

Richard Trunk als warnendes Beispiel?

Die Grabfrage scheint damit geklärt. Doch Professor Rathert fordert ein größeres Signal: "Es geht nicht darum, Trunk aus der Geschichte zu löschen. Aber er muss uns ein warnendes Beispiel sein, wie leicht es der Kunst fiel, sich propagandistischen und menschenverachtenden Zwecken zu unterwerfen." Er regt eine öffentliche Diskussion in Tauberbischofsheim an, möglicherweise mit unabhängigen Gutachtern. "Die Bürgerschaft muss sich fragen: Will sie diesem Komponisten, diesem Nationalsozialisten weiterhin ein Denkmal setzen? Mir ist kein anderer Fall in Deutschland bekannt, wo das noch so besteht – diese Art der 'pervertierten Gedächtniskultur'."

Sendung: "Leporello" am 25. Februar 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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