Beethovens Klaviermusik kennt er in- und auswendig. Jetzt kommt Rudolf Buchbinder für einen Beethoven-Zyklus nach München. Im Interview erzählt der Pianist, warum er von dieser Musik nie genug bekommen kann.
Bildquelle: Marco Borggreve
Beethoven-Zyklus in der Isarphilharmonie
Interview mit Rudolf Buchbinder
BR-KLASSIK: Herr Buchbinder, Ludwig van Beethoven begleitet Sie seit grob 60 Jahren, immer wieder auch in Zyklen. Gerade waren Sie in New York, letztes Jahr viel in Asien, jetzt spielen Sie in München. Immer wieder werden Sie angefragt, Beethovens fünf Klavierkonzerte aufzuführen. Hatten Sie nie das Gefühl: Och nee, schon wieder?
Rudolf Buchbinder: Nein, wirklich nicht. Ich freue mich jedes Mal darüber und entdecke auch jedes Mal etwas Neues. Das ist nie zu Ende.
Der Pianist Rudolf Buchbinder spielt 2024 Beethovens Klavierkonzerte in München. | Bildquelle: © Marco Borggreve BR-KLASSIK: In Sachen Beethoven haben Sie durchaus ein paar Sätze mitzureden. Sie sind ein exzellenter Kenner von Originalquellen und haben privat viele Notenausgaben und Erstdrucke. Wenn Sie die Chance hätten, in der Zeit zu reisen und Ludwig van Beethoven zu treffen, was würden Sie tun?
Rudolf Buchbinder: Mein Traum wäre, 24 Stunden unsichtbar in der Ecke seines Zimmers zu sitzen und ihm einfach zuzuhören.
BR-KLASSIK: Und Sie hätten überhaupt keine Frage auf der Seele?
Rudolf Buchbinder: Da gibt es so viele … Wobei Beethoven ja alles sehr genau in die Noten geschrieben hat. Es ist unglaublich, wie akribisch er die Pedalisierung vorschreibt. Ein Beispiel: Im dritten Satz der "Waldstein"-Sonate schreibt er eine Viertel und dann eine Viertelpause. Und im nächsten Takt eine Viertel und zwei Achtelpausen, weil er das Pedal erst im letzten Moment weghaben will.
Fünf Klavierkonzerte, vier verschiedene Orchester: Am 6. Februar 2024 startet Rudolf Buchbinder seinen Beethoven-Zyklus in der Münchner Isarphilharmonie. Mehr Infos zu den einzelnen Konzerten.
BR-KLASSIK: Sie kennen ja Beethovens Klaviermusik auswendig. Konsultieren Sie vor Konzerten auch Ihre Privatbibliothek?
Rudolf Buchbinder besitzt viele Notenausgaben und Erstdrucke von Beethovens Kompositionen. | Bildquelle: Marco Borggreve Rudolf Buchbinder: Natürlich. Ich schaue immer wieder genau in die Noten und auch vor allen Dingen in die Erstausgaben, in denen leider viele Fehler sind. Man hat auch vieles übersehen. In Beethovens 5. Klavierkonzert schreibt er mit dicker Tinte: "ligato schwankend". Das ist für die Orchesterbegleitung wichtig. Es gibt im 3. Satz zwei analoge Stellen. Beim ersten Mal ist die Begleitung kurz. Und jahrzehntelang wurde es auch beim zweiten Mal kurz gespielt, bis man endlich das Autograph studierte und herausfand, dass Beethoven darüber eben beim zweiten Mal "ligato schwankend" schreibt. Die zweite Stelle klingt also vollkommen anders.
BR-KLASSIK: Zum Auftakt Ihres Beethoven-Zyklus' in München spielen Sie das 4. Klavierkonzert. Der Anfang des Konzerts ist etwas Besonderes, weil er solistisch beginnt. Was geht da in Ihnen vor? Haben Sie da ein bestimmtes Bild von einer Stimmung, die Sie erreichen wollen?
Rudolf Buchbinder: Dieser Beginn hat für mich etwas unglaublich Sensibles, Introvertiertes. Der erste Satz ist ein sehr romantischer Satz mit sehr vielen Temposchwankungen. Egal, ob ich das mit oder ohne Dirigent spiele: Es ist immer das schwerste von allen fünf Beethoven-Klavierkonzerten.
Beethovens 4. Klavierkonzert ist das schwerste.
BR-KLASSIK: Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie während eines Auftritts mit Beethovens Musik ins Schweben gekommen sind und plötzlich den Überblick verloren haben?
Rudolf Buchbinder: Nein, so etwas darf nicht passieren. Aber es gibt schon einen gewissen Trancezustand. Wenn ich bei einem Klavierabend auf die Bühne komme, registriere ich das Publikum nicht. Ich bin so konzentriert. Erst gegen Ende des Konzerts realisiere ich, dass im Saal ein paar Menschen sitzen.
BR-KLASSIK: Herr Buchbinder, dann wünschen wir Ihnen einen schönen München-Aufenthalt und natürlich einen gelungenen Beethoven-Zyklus. Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Johann Jahn für BR-KLASSIK.
Sendung: "Allegro" am 6. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Donnerstag, 08.Februar, 07:28 Uhr
Trappe
Journalistisch fehlende Qualität
Der Journalist streift nur die Oberfläche. Schade. Buchbinder hat so eine detaillierte Kenntnis über Beethoven, da hätte man durchaus sich mal vorbereiten und tiefschürfend fragen dürfen. Ist das denn so schwer?
Mittwoch, 07.Februar, 12:56 Uhr
Joachim Speichert
Buchbinder und Beethoven
Aus meiner Sicht ist Rudolf Buchbinder in der Tat DER Beethoveninterpret auf dem Piano. Niemand sonst vertieft sich derartig in die musikalische Welt und die Gedanken des Komponisten. Meine höchste Bewunderung !
Dienstag, 06.Februar, 18:02 Uhr
Martha Ostertag
Buchbinder ist sicherlich einer der besten lebenden Pianisten. Ein ehrlicher, bescheidener Musiker, der ohne große Show auskommt und seine Arbeit in den Dienst der Musik stellt. Da könnten sich manche jungen eine Scheibe abschneiden.
Allein hätte ich mir etwas tiefgehendere Fragen gewünscht ...