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Dirigent Wolfgang Sawallisch Weggefährten erinnern sich

Blumen auf der Bühne hat er gehasst, die musikalische Perfektion geliebt. Diese Woche wäre er 100 Jahre alt geworden. Sänger Jan-Hendrik Rootering und Marjana Lipovšek und Orchestermanager Kurt Meister erinnern sich zu diesem Jubiläum an den großen Dirigenten Wolfgang Sawallisch.

Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Aufnahme bei einer Orchesterprobe, 1986. | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Es war 1982 als der Sänger Jan-Hendrik Rootering gerade im Bayerischen Rundfunk in München eine Schallplatte aufgenommen und dabei einen unerwarteten Anruf von seiner Agentur bekommen hat. Er möge doch mal bitte schnell zur Bayerischen Staatsoper rüberfahren, Herr Sawallisch möchte ihn hören. Jan-Hendrik Rootering ist also hingefahren, hat Wolfgang Sawallisch vorgesungen und dachte sich: "Naja, da wird er jetzt sagen: Junger Mann, machen Sie mal schön weiter und melden Sie sich dann in ein paar Jahren noch mal." Doch direkt danach kam das Vertragsangebot für die Aufnahme von Dvořáks "Stabat Mater" und gleichzeitig ein Angebot für einen festen Vertrag an der Bayerischen Staatsoper.

Wolfgang Sawallisch ist indirekt schuld daran, dass ich singe.
Sänger Jan-Hendrik Rootering

Jan-Hendrik Rootering verdankt Wolfgang Sawallisch seinen Sängerberuf

Jan-Hendrik Rootering | Bildquelle: Baisja Chanowski Wolfgang Sawallisch holte 1982 den Sänger Jan-Hendrik Rootering an die Bayerische Staatsoper. | Bildquelle: Baisja Chanowski Zu dieser Zeit war Dirigent Wolfgang Sawallisch schon gut zehn Jahre als Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper im Amt. Und für Sänger Rootering hat damals die Zusammenarbeit mit seinem "Lieblingsdirigenten" begonnen, wie er Sawallisch bezeichnet. "Die Aufnahme des 'Tannhäuser' aus Bayreuth war letztlich der Grund, dass ich überhaupt diesen Beruf ergreifen wollte", erzählt Rootering. "Mein Vater war Opernsänger und das hat mich aber eher daran gehindert, diesen Beruf auch zu ergreifen, weil ich nicht nur die Sonnen-, sondern auch die Schattenseiten gesehen habe. Aber letztendlich hat mich die Musik so gefesselt, dass ich das dann unbedingt wollte. Also Wolfgang Sawallisch ist indirekt schuld daran, dass ich singe."

Für Marjana Lipovšek war Wolfgang Sawallisch wie Familie

Marjana Lipovšek, Mezzosopran | Bildquelle: © Damil Kalogjera Wolfgang Sawallisch hat in seiner Funktion als GMD Opernsängerin Marjana Lipovšek nach München geholt. | Bildquelle: © Damil Kalogjera Er habe ihn als einen sehr humorvollen, tief denkenden und wissenden Mann wahrgenommen. Und: Korrektheit, Präzision, Zuverlässigkeit habe er von ihm gelernt, sagt Rootering. Und so hat ihn auch die Opernsängerin Marjana Lipovšek in Erinnerung. Nur, dass das erstmal nicht so ganz zu ihrem eigenen Stil gepasst habe. "Er war wirklich schwierig, dadurch dass er so perfektionistisch und so analytisch war. Das war nicht meins. Ich war eher gefühlsmäßig. Aber irgendwie haben wir uns dadurch gut ergänzt." Die Freundschaft zwischen Familie Sawallisch und Marjana Lipovšek initiierte schließlich Wolfgang Sawallischs Ehepartnerin. "Seine Frau hat mich gemocht. Und wenn seine Frau einen mag, dann akzeptiert er einen und so langsam kam ich in diese Kreise und das war sehr schön. Sie waren am Ende fast wie Eltern zu mir."

Sie waren am Ende fast wie Eltern zu mir.
Opernsängerin Marjana Lipovšek über Wolfgang Sawallisch und seine Frau Mechthild

Orchestermanager Kurt Meister über Tourneen mit Sawallisch

Intendant des Qatar Philharmonic Orchestra | Bildquelle: picture-alliance/dpa Kurt Meister erlebte Wolfgang Sawallisch als Fagottist und Orchestervorstand des Bayerischen Staatsorchesters. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Marjana Lipovšek erinnert sich auch an eine wunderbare Zeit während einer Japan-Tournee mit Wolfgang Sawallisch, die Oper "Frau ohne Schatten" im Gepäck. Und auch ehemaliger Fagottist und Orchestervorstand des Bayerischen Staatsorchesters, Kurt Meister, berichtet von Tourneen, auf denen er Wolfgang Sawallisch als "ganz neuen Menschen" kennengelernt habe. "Man hat gemerkt, wenn er plötzlich die Last der Verwaltung nicht hatte. Er wurde ganz locker – können Sie sich vorstellen, dass Sawallisch plötzlich im Buschhemd zur Probe kam? Er war wirklich wie ausgewechselt und das hat sich auch in der Musik niedergeschlagen."

Sawallisch verlangte immer gute Vorbereitung, volle Konzentration und Aufmerksamkeit. Im Gegenzug bekamen die Musikerinnen und Musiker einen Dirigenten, der sich voll und ganz seiner Aufgabe hingab. Kurt Meister erinnert sich: "Jeder Abend war einfach grandios." Und wer Sawallisch wirklich kannte, der hat auf die Blumenübergabe nach dem Konzert verzichtet. "Das war eines der Dinge, die er hasste. Blumen auf der Bühne. Und: Wenn das Orchester nicht aufstand zum Applaus und ihn feiern wollte. Da wurde er wirklich fuchsteufelswild."

Sendung: "Allegro" am 23. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

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Samstag, 26.August, 14:27 Uhr

Bernhard Zech

Keiner war wie er!

Für mich sind die Wagner/Mozart/Strauss Dirigate unvergessen! Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion in der Reithalle (Heßstr.) wo ich mich für ihn erklärte! Dann meinte nur eine mir unbekannte Frau, ach das sind ja alles Sawallisch-Fans hier! Er war wirklich in erster Linie Mensch und dann erst Musiker!

Donnerstag, 24.August, 14:26 Uhr

Helga Bergmann

Keiner war/ ist wie er!

Ich habe Sawallisch in hinderten Aufführungen erlebt: als Operndirigent, als Kammermusiker und als sensibler Liedbegleiter. Wer die Ära Sawallisch miterleben durfte- - mit all den großartigen Sängern, die er zu einem harmonischen Ensemble vereinte, ist für immer "verdorben". Seit ihm gibt es kaum mehr Dirigenten, die sich ausschließlich um die Musik bemühen und nicht um ihr Image. Sawallisch war völlig uneitel und ein herzlicher Mensch - immer für ein Gespräch mit seinem Publikum offen.
Sein Weggang aus München und dann später sein Tod haben ein großes und schmerzliches Loch in die Musiklandschaft Münchens gerissen.

Mittwoch, 23.August, 11:22 Uhr

Gufo

Perfektionist

Sawallisch war ein Perfektionist durch und durch.Nicht nur in der Musik, auf vielen Ebenen braucht das Land mehr Perfektionisten.

Mittwoch, 23.August, 11:01 Uhr

Alexander Störzel

"Weggefährten erinnern sich"

Als Jugendlicher - mehr im Dico-Outfit - erlebte ich in der Bayerischen Staatsoper sehr viele Aufführungen unter Wolfgang Sawallisch, namentlich die Werke von Wagner und Strauss.
Am Anfang mit Schwierigkeiten bei den beiden Richard´s machten mich seine Dirigate und die damaligen Protagonisten zu einem großen Fan.
Auch wurde er mir sehr sympathisch, als er den damals umstrittenen Lehnhoff/Wonder "Ring" verteidigte und sich hinter sein Team stellte.
Ich bin nicht der absolute Mozartfan, doch habe ich auch herrliche Aufführungen von "Cosi fan tutte", "Don Giovanni" und "Le nozze di Figaro" erlebt, die er nicht nur sensibel, sondern auch spannend dirigiert hat.

Mittwoch, 23.August, 05:16 Uhr

Trappe

Kapellmeister erster Güteklasse

Während heute jeder bekanntere Dirigent als „Star“ medial gefeiert wird, war Sawallisch im besten Sinne des Wortes ein exzellenter Kapellmeister und großartiger Musiker! Mehrere Konzerte habe ich mir ihm erleben können. Er hatte nach dem genialen Kleiber gewiss keinen leichten Start. Er würde aber die heutigen sog. Stars in die Tonne kloppen. Chapeau auf den großen Sawallisch!

Mittwoch, 23.August, 02:13 Uhr

P.S.

Die Lücke klafft noch immer

Was gibt es da groß zu sagen? Ein sehr guter Dirigent, und ein sehr feiner Mensch.

Das deutsche romantische Repertoire, in dem er so sehr zu Hause war, ist seitdem in München von keinem Dirigenten, so sehr er auch gehypt wurde, annähernd so gut bedient worden. Am besten denkt man nicht zu sehr darüber nach, sonst wird man melancholisch...

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