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Dirigentin Simone Young beim BRSO Erst Brahms, dann Bayreuth

Sie kann Brahms auf Knopfdruck: Dirigentin Simone Young. Diese Woche springt sie bei zwei Konzerten mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks für den erkrankten Herbert Blomstedt ein. Im Interview blickt die Australierin außerdem voraus: Als erste Frau überhaupt wird sie in diesem Sommer Richard Wagners "Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen dirigieren.

Dirigentin Simone Young | Bildquelle: © Monika Rittershaus

Bildquelle: © Monika Rittershaus

BR-KLASSIK: Letzte Woche kam die Nachricht, dass Sie in Bayreuth den "Ring" übernehmen werden. Hier beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks springen Sie für Herbert Blomstedt ein und dirigieren zwei Brahms-Sinfonien. Da ist ja einiges im Umbruch.

Simone Young: Die Einladung vom Bayerischen Rundfunk kam mir sehr entgegen. Das war eigentlich meine einzige freie Woche bis zum Sommer. Brahms mit diesem Orchester zu machen, war wie ein Geschenk, da habe ich sofort meine Bereitschaft signalisiert. Mit den Bayreuther Festspielen bin ich sehr glücklich. Ich habe eine lange Verbindung mit Bayreuth, die geht zurück zu den Jahren, als ich dort Assistentin bei Daniel Barenboim war. Das ist schon 30 Jahre her. Ich habe in Bayreuth viel recherchiert, sowohl im Festspielhaus als auch in den alten Archiven im Haus Wahnfried. In Hamburg habe ich bereits den gesamten "Ring" an der Staatsoper gemacht. Ich kenne außerdem die ganzen Sänger und viele Orchestermitglieder. Ich freue mich sehr.

BR-KLASSIK: Die Assistenten in Bayreuth haben eine wichtige Funktion. Christian Thielemann hat mal erzählt, dass er eigentlich immer über die Gegensprechanlage bei seinen Assistenten anruft und fragt: "Ist es okay so? Oder muss ich was anders machen?" Und dann glaubt er blind, was die Assistentin oder der Assistent sagt.

Simone Young: Ja, das liegt an der Art des Baus des Festspielhauses. Die Gesangsstimmen gehen meist über den Kopf vom Dirigenten drüber. Man hört die Bühne nicht so gut. Und da muss man immer checken, wie die Balance ist, weil man selber nicht alles so wahrnehmen kann, wie es am Ende klingen soll. Das ist aber nicht anders als in den meisten Orchestergräben. Es gibt wenige Orchestergraben, wo man vom Dirigierpult wirklich gut hört. Da braucht man gute Leute mit guten Ohren, die einem Feedback geben.

Oper ist – besonders bei Wagner – ein Gesamtkunstwerk.
Dirigentin Simone Young

Als Dirigentin des "Rings" in Bayreuth

BR-KLASSIK: Haben Sie sich schon mit der umstrittenen Regiearbeit von Valentin Schwarz auseinandergesetzt?

Simone Young: Auseinandergesetzt noch nicht. Ich habe einiges von ihm in den Videoarchiven gesehen, aber das ist alles ziemlich frisch. Ich habe demnächst aber einen langen Flug nach Australien. Das ist perfekt, um das Ganze von vorne bis hinten anzuschauen.

BR-KLASSIK: Als Dirigent bzw. als Dirigentin gibt es ja sicher auch Wünsche an einen Regisseur, zum Beispiel weil die Akustik beeinflusst ist. Oder man möchte vielleicht ein bestimmtes Tempo haben, und dann kann die Bühnenaktion nicht so lange dauern. Werden Sie dann sagen: "Hey, mach das bitte anders?"

Simone Young: Da muss ich schauen. Oper ist – besonders bei Wagner – ein Gesamtkunstwerk, da muss man mehrere Elemente einbeziehen. Aber ich kenne viele von den Sängern, die an Bord sind. Ich habe schon einiges gehört. Ich habe mit dem Regisseur aber noch nicht zusammengearbeitet. Es ist ja eine existierende Inszenierung, keine Neuinszenierung, da hat man wenig Einfluss. Die Musik steht klar im Vordergrund. Wenn da irgendetwas ist, was die Musik zu schaden bringen kann, dann stelle ich mich quer. Aber ich bin auch offen für neue Ideen, da werden wir schauen. Es ist gerade noch etwas früh, um da etwas Genaueres zu sagen.

Wenn da irgendetwas ist, was die Musik zu schaden bringen kann, dann stelle ich mich quer.
Dirigentin Simone Young

Simone Young bei den Bayreuther Festspielen 2024

Die Australierin Simone Young ist die erste Frau, die Wagners "Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen dirigieren wird. Damit gibt es im Sommer 2024 bei den Festspielen mehr Dirigentinnen als Dirigenten.

Neue Impulse in der Oper erwünscht

BR-KLASSIK: Die Musik steht im Vordergrund, sagen Sie. Viele Opernbesucher kritisieren, dass das angeblich nicht mehr so sei – generell, aber auch auf den "Ring" bezogen.

Richard-Wagner-Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | mije-shots Dirigentin Simone Young macht im Sommer den "Ring" bei den Bayreuther Festspielen. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | mije-shots Simone Young: Im Operntheater gibt es eine feine Linie, auf der man sich bewegt. Man wünscht sich neue Impulse, man wünscht sich neue Interpretationen. Ein Teil des Publikums möchte aber das sehen, was es schon kennt. Das ist schade, denn dafür haben wir Aufnahmen und Videos. Ich möchte sehr gern mit Regisseuren zusammenarbeiten, die sich mit einem Werk auseinandersetzen und in die Tiefe hineingehen. Viele Opern soll man im Grunde nicht wortwörtlich nehmen. Nur weil da steht "Er hebt ein Schwert in die Luft", bedeutet das nicht, dass derjenige ein Schwert in die Luft heben muss. Verdi hat beispielsweise seine Werke von einem Ort auf einen anderen verlegt, vom 15. Jahrhundert ins 17. Jahrhundert gewechselt, oder ins 12. Jahrhundert. Je nachdem, was die Zensur erlaubt hat. Seine Begründung war, dass die Musik eigentlich den Subtext bildet und dass das Publikum klug genug ist, das zu durchschauen und sich auf das zu fokussieren, was wirklich zählt.

BR-KLASSIK: Jetzt sind in Bayreuth in diesem Jahr erstmals mehr Frauen am Dirigentenpult als Männer. Ist das für Sie eine Nachricht?

Simone Young: Ich halte das für irrelevant. Ich glaube, dass in meinem Fall niemand sagen kann, dass es sich um "diversity hiring" handelt. Ich dirigiere Wagner seit 30 Jahren in den besten Häusern Europas. Ich finde, dass es jetzt richtig ist, und ich freue mich, dass es so toll angenommen wurde, dass ich nach Bayreuth komme. Ob ich da Kollegen oder Kolleginnen treffe, das ist mir völlig egal. Hauptsache ist, dass das Menschen sind, die zur Musik was zu sagen haben. Alles andere ist irrelevant.

Wagner und Brahms: Eine Liebe

BR-KLASSIK: Früher musste man sich entscheiden: Entweder man war im "Team Brahms", oder man war im "Team Wagner". Das war ein schrecklicher Parteienstreit. Und erst die nächste Generation, also Max Reger oder Arnold Schönberg, die haben einfach beides geliebt. Davor war immer ein Kampf zwischen den beiden Gruppen. Es ist doch gut, dass das nicht mehr nötig ist. Sie lieben vermutlich Wagner genauso sehr wie Brahms, oder?

Simone Young: Ich liebe Brahms, ich liebe Wagner. Es gibt viele Komponisten, die ich mag. Ich liebe auch Anton Bruckner. Ich finde, Brahms und Bruckner sind eng verbunden, und Bruckner war ein riesiger Wagner-Fan. Beide haben ihr Wurzeln in Schubert und Beethoven. Gottseidank arbeite ich in eine Zeit, wo es nicht ausgeschlossen ist, dass man beide mag.

Für einen Dirigenten ist sein Instrument das Orchester.
Dirigentin Simone Young

Konzert live im Radio

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielt unter Leitung von Dirigentin Simone Young die Sinfonie Nr. 3 in F-Dur und die Sinfonie Nr. 4 in e-Moll von Johannes Brahms. Die Konzerte finden am Donnerstag, den 18. Januar, und am Freitag, den 19. Januar, jeweils um 20 Uhr im Münchner Herkulessaal statt. Am Freitag überträgt BR-KLASSIK live.

Brahms auf Knopfdruck

BR-KLASSIK: Wir haben hier beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks das Konzept, dass alle vier Sinfonien von Johannes Brahms hintereinander gespielt werden. Sie übernehmen Sinfonie Nr. 3 und Sinfonie Nr. 4. Das BRSO hat eine große Brahms-Tradition.

Simone Young: Es ist ein grandioses Orchester, das weiß jeder. Das animiert einen zu mehr Fantasie und mehr Ideen. Man möchte mehr phrasieren und sich mehr mit der Materie auseinandersetzen. Für einen Dirigenten ist sein Instrument das Orchester. Ich habe eines der besten Instrumente vor mir in dieser Woche. Das macht schon Spaß.

BR-KLASSIK: Sie haben schon gesagt, dass Sie den "Ring" in Hamburg gemacht haben. Sie haben auch schon alle vier Brahms-Symphonien als Generalmusikdirektorin an der dortigen Staatsoper gemacht. Kann man Sie nachts wecken und sagen: "Takt 40, 3. Satz in der Symphonie Nr. 4" – und Sie haben das sofort im Kopf? Oder wie läuft es mit dem Gedächtnis?

Simone Young | Bildquelle: Sandra Steh Bildquelle: Sandra Steh Simone Young: So ein bisschen schon. Fast genau vor einem Jahr bin ich in New York angekommen für den "Rosenkavalier" an der Met. Es war gerade eine Krankheitswelle, und es war niemand da. Mein Mann und ich haben uns gedacht, dass wir dann eben eine kleine Reise nach Washington machen und uns die ganzen Museen anschauen. Ich habe dann den künstlerischen Leiter des Orchesters in Washington angeschrieben und gesagt: "Wie wär's, wir kommen vielleicht fürs Wochenende vorbei. Vielleicht komme ich zum Konzert." Und dann kam die Antwort zurück: "Können Sie nicht heute Abend schon kommen? Der Dirigent ist gerade sehr krank geworden. Morgen gibt es die Generalprobe." So ist es dann auch gekommen. Das war die Symphonie Nr. 2 von Brahms. Es ist wirklich fast so bei Brahms, als könnte man bei mir auf einen Knopf drücken.

Sendung: "Allegro" am 17. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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