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Geigerin Tianwa Yang im BR-Studiokonzert Sanft und skeptisch

Als "Stolz Chinas" wurde Tianwa Yang einst bezeichnet. Da war sie 13 und auf dem Weg zum Geigenstar. Das ist sie jetzt. Mittlerweile lebt und lehrt die 35jährige allerdings hier. Im Interview mit BR-KLASSIK spricht sie über ihre Herkunft und kritisiert die musikalische Frühförderung in Deutschland.

Tianwa Yang | Bildquelle: © Andrej Grilc

Bildquelle: © Andrej Grilc

"Niederschmetternd brilliant" sei ihr Spiel, so schreibt es Harald Eggebrecht, Streicherpapst der Süddeutschen Zeitung. Das klingt ein bisschen arg martialisch. Aber ist natürlich als Kompliment gemeint. Sicher ist: Tianwa Yang zählt zu den besten Geigerinnen ihrer Generation. Und daran ist auch der Zufall schuld.

Ambivalente Gefühle gegenüber China

Die Eltern hatten mit Musik nicht viel zu tun: Der Vater repariert Autos, die Mutter arbeitet als Buchhalterin. Aber das Schicksal will’s, dass Pekings einziger Musikkindergarten unmittelbar in der Nähe ist – und man dort ihr Talent entdeckt. Sie sei gewissermaßen "von der Gesellschaft" gefördert worden, erklärt Tianwa Yang im Interview mit BR-KLASSIK. "Meine Eltern haben kaum für Geigenunterricht bezahlt. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen." Viel Dankbarkeit schwingt mit, wenn sie davon erzählt.

Ich vermisse eigentlich nichts aus meiner Heimat
Tianwa Yang über China

Mittlerweile ist das Verhältnis zu China allerdings abgekühlt. "Ich vermisse eigentlich nichts aus der Heimat", erzählt die Geigerin, das Essen vielleicht ausgenommen, die Familie natürlich auch. Vor knapp drei Jahren war sie zum letzten Mal in Peking, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Seitdem blickt sie aus der Distanz auf ihr Heimatland. Vor allem jetzt, nach den jüngsten Protesten gegen die strikte Corona-Politik im Land. Mit vielen im Westen lebenden Chinesinnen und Chinesen teile sie das Privileg, durch die Medien unterschiedliche Perspektiven auf die Situation dort zu bekommen – ein Privileg, das die Menschen im Land nicht hätten. Die Kommunikation mit Familie und Freunden vor Ort mache das "nicht immer einfach", so die Geigerin ohne ins Detail zu gehen.

Alles strahlte eine unglaubliche Ruhe aus
Tianwa Yang über ihr Ankommen in Deutschland

Seit 2003 lebt Tianwa Yang in Deutschland. Mit gerade mal 16 zieht sie von Peking nach Karlsruhe, aus einer Stadt mit 30 Millionen in eine Stadt mit 300 000 Einwohnern. Ein Kulturschock. "Wahnsinnig ruhig", das sei ihr erster Eindruck von Deutschland gewesen. "Alles strahlte eine unglaubliche Ruhe und Gemütlichkeit aus. Und ich empfand es so, dass ich auf einmal Zeit hatte, innezuhalten und nachzudenken." Und natürlich weiter zu musizieren. Tianwa Yang hat Weltkarriere gemacht in den letzten zwei Jahrzehnten. Und sie hat sich als Lehrerin einen Namen gemacht. Erst in Karlsruhe selbst, dann in Bern – und seit 2018 ist Yang Professorin an der Musikhochschule in Würzburg.

Grosse Solistin, gefragte Pädagogin

Eine pädagogische Methode habe sie nicht, sagt sie, Individualität gehe über alles. Jede Schülerin, jeder Schüler brauche eben etwas Anderes. "Natürlich gibt es sowas wie eine technische Basis – andererseits gibt es auch große Musiker, die mit einer Haltung spielen, wo andere nur staunen, wie die das durchhalten." Soweit, so flexibel. "Diskutierend begleiten", so drückt sie ihr pädagogisches Credo aus. Aber bei aller Diskussionsfreude – auch Tianwa Yang hat ihre Überzeugungen. Etwa, dass keine Musik entstehen kann, wo die Erfahrungen fehlen. Und damit meint sie nicht die, die man am Instrument sammelt. Musik sei schließlich eine Sprache, die vom Leben erzähle. Da ist relativ klar, was zuerst kommt.

Yang kritisiert mangelhafte Musikvermittlung in der Schule

Ok, es riecht ein bisschen nach Sozialkitsch – aber vielleicht hat die pragmatische Klugheit, mit der Tianwa Yang erzählt, ja auch mit ihrer Herkunft zu tun. Von "einfachen Verhältnissen" spricht sie selbst. Und man ertappt sich bei dem Gedanken, wie unwahrscheinlich eine Karriere wie die ihre eigentlich in Deutschland wäre. Ganz ehrlich: Wie groß ist die Chance, dass ein Kind aus einem Elternhaus ohne akademischen oder bildungsbürgerlichen Hintergrund ein Musikinstrument lernt? Wohl eher eine rhetorische Frage.

Auch Tianwa Yang sieht in diesem Punkt Nachholbedarf. Ihre eigenen Studierenden strebten entweder Solokarrieren an oder wollten ins Orchester. Unterrichten, zumal Kinder, wolle dagegen niemand. Das sage auch etwas über die gesellschaftliche Wertschätzung von Musikvermittlung aus. Lehrer als Loser. Der geringe Stellenwert des Musikunterrichts an Schulen mache die Sache auch nicht besser. "Und das ist schade", so die Geigerin, "denn hier geht es nicht nur um die nächste Generation von Musikern sondern auch von Zuhörern."

Tianwa Yang im BR-KLASSIK-Studiokonzert

Am Dienstagabend spielt die Geigerin zusammen mit ihrem Klavierpartner Nicholas Rimmer im Studio 2 im BR-Funkhaus am Münchner Hauptbahnhof. Wildes Programm: Bartók, Bloch, Antheil, Janáček und Ravel. Musik aus einer, wie Yang sagt, "unheimlich vielseitigen Zeit". Los geht’s um 20 Uhr. Mehr Informationen finden Sie hier.

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