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Von Vivaldi bis Beethoven Die schönsten Vogelrufe in der Musik

Sie zwitschern, pfeifen, trällern: Die Singvögel geben wieder ihr Frühjahrskonzert. Kein Wunder, dass Komponisten sich seit Jahrhunderten von Vögeln inspirieren lassen. Wir stellen Ihnen fünf musikalische Vogelrufe vor.

Stieglitz | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Jan Novak

Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Jan Novak

Antonio Vivaldi: Flötenkonzert "Il gardellino"

Der Stieglitz ist ein richtiger Supervogel: Er schütze vor Pest, helfe bei Schwindsucht und in gebratener Form lindere er Bauchschmerzen. Weit über das Mittelalter hinaus hat man dem Vogel mit dem blutroten Gesicht viele heilsame Fähigkeiten zugeschrieben. Den Komponisten Antonio Vivaldi interessieren weniger die "Doktorspielchen" des Stieglitzes als vielmehr dessen musikalisches Talent!

Stieglitz (Carduelis carduelis) | Bildquelle: picture alliance/dpa | Patrick Pleul Der Stiegliz ist ein Ganzjahressänger. Vivaldi widmet dem quirligen Vogel gleich ein ganzes Flötenkonzert: "Il gardellino". | Bildquelle: picture alliance/dpa | Patrick Pleul Denn der Stieglitz ist ein quirliger kleiner Vogel. Genau das imitiert auch die Flöte in den beiden schnellen Sätzen aus Vivaldis Flötenkonzert "Il gardellino": Die Finger hüpfen über die Löcher, die Zunge des Flötisten oder der Flötistin kommt ordentlich ins Flattern bei Vivaldis Turbo-Trillern. Und so klingen die musikalischen Verzierungen dem Original zum Verwechseln ähnlich. Das Orchester hält sich dabei vor allem im ersten Satz dezent im Hintergrund, bleibt anmutig und luftig. Schließlich will es dem kapriziösen, effektvollen Flötengesang nicht die Show stehlen. Zusätzlich schafft es damit Räumlichkeit. Schließt man die Augen, sieht man den "Gardellino" von Ast zu Ast hüpfen, wie er zielstrebig und mit tänzerischer Leichtigkeit in eine Baumkrone flattert und Ausschau hält.

Im Kontrast zu dieser Quietschlebendigkeit steht der ruhige und bedächtige zweite Satz. In einem schier endlosen Luftstrom schafft die Flöte eine besinnliche Atmosphäre und singt, wie es die Bezeichnung "Cantabile" vorgibt. Vielleicht träumt der Stieglitz ja auf seinem Schlafast von Balz und Paarung? Auf jeden Fall spielt hier die symbolische Bedeutung des Vogels mit hinein. Der Stieglitz steht für Ausdauer, für Fruchtbarkeit, langen Atem und für Beharrlichkeit!

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Stieglitz, Kuckuck, Nachtigall: Der Flötist Stefan Temmingh und die Sopranistin Dorothee Mields laden ein zur barocken Vogelhochzeit. Das virtuose Konzeptalbum "Birds" verbreitet Frühlingsgefühle und macht gute Laune.

Madonna mit dem Stieglitz, Raffael Santi, 1506–1507, Öl auf Holz, Galleria degli Uffizi, Florenz | Bildquelle: gemeinfrei "Madonna mit dem Stieglitz", Ölgemälde von Raffael | Bildquelle: gemeinfrei Der Stieglitz ist auch ein beliebtes Motiv in der christlichen Ikonographie. Das weiß Antonio Vivaldi als geweihter Priester. Gemeinsam mit der Taube wird die Finkenart im christlichen Kontext am häufigsten von allen Vögeln abgebildet: Michelangelo gibt einem Knaben auf einer seiner Skulpturen einen Stieglitz in die Hand, Raffaels Ölgemälde "Madonna mit dem Stieglitz" hängt in den Uffizien in Florenz. Auch auf Wandgobelins zieht er seine Kreise! Weil er gerne an Disteln pickt, versinnbildlicht der Stieglitz, auch Distelfink genannt, den Leidensweg von Jesus und die Auferstehung. Ganz schön viel Projektionsfläche bietet das kleine gefiederte Tierchen also.

Dass der Stieglitz ein Ganzjahressänger ist, und – außer bei der Mauser – nie den Schnabel hält, macht ihn allzeit gegenwärtig. Genau das ist auch einer der Gründe, weshalb er bis in unsere Zeit noch in manchen Ländern in  Volieren gehalten wird. Vivaldi jedenfalls lässt "Il gardellino" im Finale des gleichnamigen Konzerts noch mal so richtig "die Sau raus". Wilde Sprünge über mehrere Oktaven, aufsteigende Läufe, jubilierendes Tirilieren loten das Potential der Flöte voll aus.

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Vivaldi: Cardellino - Anna Fusek with VBO

Ludwig van Beethoven: 6. Sinfonie "Pastorale"

Eine idyllische Szene am Bach hat Beethoven im 2. Satz seiner "Pastorale" vertont. Das Wasser rauscht und plätschert, und ganz am Ende singen gleich drei verschiedene Vogelarten, dargestellt durch die Holzbläser. Ein Vogel ist besonders leicht rauszuhören: der Kuckuck. Lautmalerisch benannt nach seinem auffälligen Ruf. Mit dem zeigt das Männchen an, wer in seinem Revier das Sagen hat. Von April bis in den Sommer hinein ist der Kuckucksruf weit zu hören. Bei Beethoven imitieren ihn die Klarinetten.

Wachtel | Bildquelle: picture alliance / blickwinkel/AGAMI/R. Martin Den typischen "Wachtelschlag" hat Beethoven in seine 6. Sinfonie eingebaut. | Bildquelle: picture alliance / blickwinkel/AGAMI/R. Martin In der Oboe hoch oben auf dem D zwitschert gleichzeitig die Wachtel. Dieser kleine Bodenvogel mit dem unauffälligen braunen Gefieder lebt am liebsten im Verborgenen, auf Trockenwiesen oder Ackerland. Auch wenn die Wachtel sich gut versteckt hält: Hören kann man sie umso besser. Ihr charakteristischer, punktierter Gesang wird auch Wachtelschlag genannt. Diesen typischen Rhythmus hat Beethoven in seiner Pastorale ebenfalls eingebaut.

Der dritte Vogel in Beethovens "Pastorale", die Nachtigall, wird von der Flöte verkörpert. Dieser Vogel hat besonders viele Melodien in petto. Um im Frühjahr ein Weibchen anzulocken, legt sich das Nachtigallmännchen so richtig ins Zeug: Es flötet, es zwitschert und trillert. Das kann schon mal die ganze Nacht dauern. "Sie singt aus vollem Halse ihre stolzen Bravour-Arien", schrieb der Schriftsteller Hans Christian Andersen einst über die Nachtigall. Eine wahre Opernsängerin also! Bei Beethoven darf die Nachtigall leider keine komplexen Melodien vortragen, aber dafür wunderschön tirilieren.

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Beethoven: Symphony No. 6, 2nd movement | Paavo Järvi & the Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Ralph Vaughan Williams: "The Lark Ascending"

Der Gesang der Lerche ist ein ununterbrochenes aufgeregtes Trällern, Zirpen, Rollen. Er scheint oft wie vom Himmel geschickt: die Lerche zwitschert nämlich am allerliebsten im Flug. Sie schraubt sich singend in die Höhe bis zu 200 Meter über den Boden. Da fällt es schwer, den Vogel noch richtig zu erkennen, aber sein Gesang tönt weit über die Landschaft.

Singende Feldlerche (Alauda arvensis) im Flug vor blauem Himmel in der Brutzeit, Hessen, Deutschland, Europa | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Usher Duncan Die Lerche zwitschert am allerliebsten im Flug. Ralph Vaughan Williams hat ihr Trällern im Werk "The Lark Ascending" eingefangen. | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Usher Duncan Der Komponist Ralph Vaughan Williams hat den Lerchengesang in seinem Werk "The Lark Ascending" eingefangen, hier imitiert von der Solo-Violine. Aus dem aufgeregten Gezwitscher entsteht eine lyrische, meditative Melodie, als würde die Lerche gerade wie in Zeitlupe über uns kreisen. Vaughan Williams hat die Lerchenstimme zwar rhythmisch präzise notiert, doch sie klingt improvisiert, wie gerade aus der Luft gegriffen.

Ralph Vaughan Williams war ein genauer Beobachter seiner Umgebung. Er sammelte Volksmelodien und liebte die Natur. Für "The Lark Ascending" ließ er sich zusätzlich vom gleichnamigen Gedicht von George Meredith inspirieren, das diesen einzigartigen Singflug der Lerche beschreibt.

Im Jahr 1914, als Ralph Vaughan Williams das Trällern der Lerche aufs Notenpapier brachte, hörte der Komponist abgesehen vom Vogelgesang noch etwas anderes: das Donnern und Grollen des ersten Weltkriegs. Williams verbrachte gerade im englischen Küstenort Margate seinen Urlaub, als die mächtigen Kriegsschiffe des Landes in See stechen. Vielleicht hören wir deshalb einen Hauch von Melancholie in Williams Komposition. Er scheint sich zu fragen: Wann werde ich die Lerche wohl wieder in Frieden hören können?

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Ralph Vaughan Williams: "The Lark Ascending" mit Arabella Steinbacher | NDR Radiophilharmonie

Ottorino Respighi: Orchestersuite "Gli uccelli"

Es ist ein Fest. Die ganze Vogelschaar kommt angeflattert. Sie singt, zwitschert und stolziert. In Ottorino Respighis Orchester-Suite "Gli uccelli" ("Die Vögel") picken die Hühner um die Wette. Da gurrt die Friedenstaube, der Kuckuck tönt durch den Wald und die Nachtigall trällert ihr schönstes Lied. Tiefe Streicherklänge zaubern einen magischen Klangteppich.

In den 1920er Jahren hat Respighi Vogelstimmen-Werke früherer Kollegen als Vorlage genommen und daraus seine Orchester-Suite geschrieben. Für den Satz "Il cuccù", der Kuckuck, benutzte Respighi eine Cembalo-Toccata von Bernardo Pasquini aus der Barockzeit. Doch was bei Pasquini steif wie ein Uhrwerk klingt, erwacht bei Respighi zum Leben. In seiner Orchesterfassung schallt der Ruf des Kuckucks durchs ganze Orchester – mit Celesta, Bläsern und Streichern.

Hühner | Bildquelle: picture alliance / Countrypixel | FRP In seiner Orchestersuite "Gli uccelli" stellt Respighi mit Streichern und Holzbläsern eine ganze Hühnerschar dar. | Bildquelle: picture alliance / Countrypixel | FRP Ein Gewusel und Durcheinander gibt es in dem Satz "La gallina", wo eine ganze Hühnerschar beschrieben wird. Während das Cembalo in Jean-Philipp Rameaus Vorlage unbarmherzig hackt, kommen die Hühner bei Ottorino Respighi etwas eleganter daher. Man sieht förmlich ihre Köpfe zucken, wie sie über den Boden staksen und nach Futter picken. Ein quirliges Gegacker zwischen Streichern und Holzbläsern. Am Schluss kräht bei Respighi ein Hahn und sorgt für Ruhe.

Ganz anders die Taube. Friedvoll, ruhig, fast klagend ist der Gesang der Oboe. Ihre Melodie, die von Jacques Gallot stammt, leuchtet über dem Orchester. Die Streicher gurren dazu und schlagen mit den Flügeln. Weich übernehmen Klarinette und Solo-Geige. Dann erhebt sich die Taube und flattert davon.

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Gli uccelli, P. 154: III. La gallina

Olivier Messiaen: Klavierzyklus "Catalogue d'oiseaux"

Wer sich mit Vogelstimmen in der Musik beschäftigt, kommt an Oliver Messiaen nicht vorbei. Er bezeichnete sich selbst als Ornithologe, also Vogelforscher. Und das zurecht: Anscheinend kannte er an die 700 verschiedene Vogellaute, von Alpendohle bis Zehenlerche. Ihm waren aber nicht nur die heimischen Vögel geläufig, er war auch ganz vernarrt in die Exotischen: etwa in die indische Mainate oder den Baltimoretrupial.

Alpendohle im Flug, Schweiz | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Marcus Siebert Die Alpendohle. Olivier Messiaen hat ihren Ruf in seinem 13-teiligen Klavierzyklus "Catalogue d'oiseaux" vertont. | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Marcus Siebert Schon als Jugendlicher machte sich Messiaen Gedanken, wie man die flirrend-zirpende Welt der Natur in Noten übersetzen könnte. Begann, mit Stift und Papier durch die Wälder zu streifen. Seine Notizbücher wuchsen und wuchsen, wurden zur Basis seines riesigen Vogel-Katalogs, dem "Catalogue d'oiseaux": ein Klavierzyklus von gut zweieinhalb Stunden Dauer. Eine Liebeserklärung nicht nur an die einzelnen Vögel, sondern ein Portrait ihres natürlichen Lebensraums.

Verbunden mit einer tief empfundenen, katholischen Religiostät, sah Olivier Messiaen die Vögel als Gesandte Gottes. Kein Wunder, dass er seine einzige Oper dem heiligen Franziskus widmete, der den gefiederten Brüdern und Schwestern eine Predigt hielt. Olivier Messiaen hat mit seiner ihm eigenen Vogel-Spiritualität viele nachfolgende Genrerationen geprägt, darunter den Pianisten Pierre-Laurent Aimard, der bei ihm studierte und auch den "Catalogue d'oiseaux" eingespielt hat: "Da ich das Privileg hatte, mit ihm zu reisen und auf dem Land zu sein im Sommer, konnte ich ihn beobachten, wie er auf Vogelgesang regierte: Wie ein Kind, mit Begeisterung, Reinheit und Transparenz."

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Messiaen: L'alouette lulu (Catalogue d'oiseaux) ∙ Pierre-Laurent Aimard

Sendung: Unsere Serie "Vogelrufe in der Musik" hören Sie in "Allegro" vom 10.-14. März ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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