Die renommiertesten Orchester spielen seine Werke, auf den Bühnen der großen Opernhäuser und internationalen Festivals war er Dauergast. Wolfgang Rihm, am 13. März 1952 in Karlsruhe geboren, der wichtigste deutsche Komponist seiner Generation, ist nun verstorben. Was bleibt, ist seine Musik – und die wird sicher auch nach seinem Tod das Konzertleben weiterhin prägen. Kristin Amme über einen Komponisten, der immer lieber seine Musik für sich sprechen ließ, als selber viele Worte zu verlieren.
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Manche Künstler brauchen guten Wein, anregende Gespräche, Literatur, Bilder oder andere Sinneseindrücke. Wolfgang Rihm brauchte vor allem eins: seine Ruhe. Und diese Ruhe verteidigte der Karlsruher Komponist vehement. Nicht einmal einen Computer hatte er. Kein Pling, kein Post, keine Prokrastination. Wenn man Kontakt zu ihm aufnehmen wollte, dann am besten per Brief. Oder Fax.
"Wir trauern um einen großen Komponisten unserer Zeit. Wolfgang Rihms Werk hat für Millionen Menschen musikalische Welten vom beschwingten Walzer bis zur großen wuchtigen Oper erschlossen – und es wird weit über seinen Tod hinaus wirken. Als Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst und Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste hatte er seit vielen Jahren eine enge Verbindung zum Freistaat und die bayerische Kulturwelt wird ihn stets in dankbarer und ehrender Erinnerung behalten."
Ich brauche keine Anregung von außerhalb. Die einzige Anregung, um die ich bitte, ist in Ruhe gelassen zu werden.
Selbst sein eigenes Wirken sollte ihm bloß nicht im Weg stehen, ihn ja nicht vom Arbeiten abhalten. Wolfgang Rihm war seit vielen Jahrzehnten der wohl produktivste deutsche Komponist zeitgenössischer Musik. In den Konzertprogrammen landauf, landab: überall Rihm, Rihm, Rihm. Seine Name tauchte derart oft auf, dass der Komponist selbst bei bester Gesundheit längst nicht jeder Aufführung hätte beiwohnen können.
2019 wurde Wolfgang Rihm für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Musikautorenpreis ausgezeichnet. Im Interview mit BR-KLASSIK sprach der Komponist über die Verbindung von Leben und Werk. Außerdem erzählte er auch offen von seiner Krankheit und verriet, was ihn dazu gebracht hat, Komponist zu werden. Hier geht's zum Text.
Wolfgang Rihm schrieb mehr als 500 Kompositionen. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Seine Lebenszeit verbrachte er damit, Stücke quasi aus dem Ärmel zu schütteln. Er komponierte in einer Geschwindigkeit, in der andere Partituren nur durchblättern. Immer mit höchstem Anspruch an Qualität und Ausdruck. Mehr als 500 Werke. Vom harmlos beschwingten Walzer bis zum sperrigen Schwergewichtsmusiktheater. Und ob die Kritik nun jubelte oder mäkelte – Rihm ging es nie darum, mit seinen Kompositionen irgendwelche Erwartungen zu erfüllen: "Ich frage mich natürlich nicht ständig: Liege ich richtig in der Zeit oder stehe ich richtig quer zur Zeit oder bin ich schön sperrig oder bin ich Gott sei Dank nicht sperrig oder was auch immer."
Ich handle ganz nach Intuition und Lust und Laune und sehr subjektiv.
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Karlheinz Stockhausen, bei dem Rihm Anfang der 1970er-Jahre studierte, nahm ihn nie richtig ernst. Machte nichts: Rihm war und ist zäh, beharrlich, schöpft Vertrauen aus sich selbst. "Ich bin in der glücklichen Situation, ein Naturell zu besitzen, das aus allem etwas lernt. Ich kann noch aus der hämischsten Ablehnung Gold machen", sagte er über sich selbst.
Seit er mit Anfang 30 Kompositionsprofessor in Karlsruhe wurde, ging es kontinuierlich bergauf: Neben vielen Stücken für kleinere Besetzungen komponierte Rihm ein erfolgreiches Bühnenwerk nach dem anderen. 1976 die Kammeroper Faust und Yorick, später folgten Die Hamletmaschine, Oedipus, und 2010 die Nietzsche-Oper Dionysos. Da mustte er längst niemandem mehr etwas beweisen: Als im Januar 2017 die Elbphilharmonie feierlich eröffnet wurde, stand nicht nur Beethoven auf dem Programm, sondern auch Rihm. Ein Millionenpublikum erlebte seine Musik damals im Radio, im Netz, vorm Fernseher.
Wolfgang Rihm ist der meistgespielte deutsche Komponist der Gegenwart. Und wird es wohl noch eine Weile bleiben. Sein Œuvre ist alles andere als ein One-Hit-Wonder. Sein Werkkatalog reicht jedenfalls gleich für mehrere Komponistenleben.
Wir würdigen den großen Komponisten mit einer dreistündigen Sondersendung - am 28. Juli ab 21:03 Uhr auf BR-KLASSIK.
Kommentare (4)
Sonntag, 28.Juli, 12:54 Uhr
Ellen Fischer
Wolfgang Rihm
Meine Aussage ist nicht wichtig.
Treffend und gut finde ich, was Stefan Baumann geschrieben hat.
Samstag, 27.Juli, 21:29 Uhr
Dieter Baumann
Wolfgang Rihm
Ein feiner Mensch. In seiner Genialität doch nahbar und freundlich.
Ein großer Humanist mit menschlichen Schwächen.
Samstag, 27.Juli, 17:34 Uhr
Stefan Baumann
Ein Phänomen..
Wie Wolfgang Rihm zum "bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten" werden konnte - rätselhaft. Was von ihm bleiben wird? Viele, viele Werke, die schon in wenigen Jahren nicht mehr aufgeführt werden! Dass er am Ende schwer krank war und jetzt verstorben ist tut mir dennoch leid, da mich sein Name seit 40 Jahren begleitet.
Samstag, 27.Juli, 14:36 Uhr
Störzel Alexander
"Komponist ohne Schubladen"
Möge er seinen ewigen Frieden finden.
Er war ein toller Mensch, ohne Arroganz oder Abgehobenheit.
"Tutuguri", "Oedipus", "Hamletmaschine", "Die Eroberung von Mexiko" nenne ich spontan.
Bei letzterem Werk konnte er in einer Inszenierung sogar Spaß verstehen, was von Größe zeugt.