Mit seinem Originalklangensemble "La Petite Bande", das er vor über 50 Jahren ins Leben rief, hat Sigiswald Kuijken die Alte Musik grundlegend revolutioniert. Am 16. Februar wird der belgische Geiger, Gambist und Dirigent 80 Jahre alt. BR-KLASSIK gratuliert.
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Selbstlos der Musik dienen: Das ist für den belgischen Geiger, Gambisten und Dirigenten Sigiswald Kuijken oberstes Gebot: als Musiker tritt er hinter dem Komponisten zurück und lässt die Musik sprechen, kraftvoll und tänzerisch, von Lully und Bach bis Mozart. "Was uns am Herzen liegt, ist der Moment, wo die Musik erklingt, dass der Hörer möglichst direkt ergriffen wird. Wenn dieser Funke überspringt, dann bin ich ganz zufrieden." So umschreibt der Musiker sein Credo.
Wir sind halt ein bisschen sturköpfig, aber das hat sich gelohnt.
Mit seinem Orchester "La Petite Bande" gehört Sigiswald Kuijken neben Gustav Leonhardt und Nikolaus Harnoncourt zu den Pionieren der Historischen Aufführungspraxis. Geboren am 16. Februar 1944 in Dilbeek bei Brüssel, beginnt für ihn alles mit einem "mittelalterlichen Fiedelchen", wie er sagt. Mit sieben Jahren entdeckt er die Diskantgambe – und die Liebe hält ein ganzes Leben! Das Gambenspiel bringt er sich neben dem Violinstudium mit seinem Bruder Wieland selbst bei. In den 1960er Jahren ist es an den Konservatorien in Brügge und Brüssel noch kein Studienfach. "Wir haben völlig doppelte Buchhaltung geführt, all diese Jahre hindurch", erinnert sich Kuijken. "Alles, was wir im offiziellen Musikunterricht lernten, war so völlig eine andere Welt als das, was wir für uns entdeckten. Und wir wollten uns das nicht nehmen und uns nicht beeinflussen lassen. Wir sind halt ein bisschen sturköpfig, aber das hat sich gelohnt."
Im Selbstversuch entdeckt Kuijken historische Techniken des Violinspiels, führt Werke des 17. und 18. Jahrhunderts auf und bildet eine neue Generation professioneller Barockgeiger und Barockgeigerinnen aus. Und er stellt 1972 für eine Aufnahme der Deutschen Harmonia Mundi ein größeres Ensemble zusammen: Dies ist der Beginn von "La Petite Bande", benannt nach Jean-Baptiste Lullys eigenem Orchester. Seit über 50 Jahre ist "La Petite Bande" eine feste Größe im internationalen Musikleben, auch mit Opern von Haydn und Mozart.
Sigiswald Kuijken mit dem Violoncello da Spalla | Bildquelle: Wikimedia Commons
Auf seiner Suche nach dem authentischen Klang spielt Sigiswal Kuijken die Violine frei, ohne Stütze und Kinnhalter, zur besseren Entfaltung der Resonanz. Er forscht in Archiven und Bibliotheken, lehrt Barockvioline in Den Haag und Brüssel und zieht eine neue Generation professioneller Barockgeiger heran.
Ein Coup gelingt ihm 2004 mit dem sogenannten Violoncello da spalla: Er spielt es um die Schulter gehängt und vor der Brust gestrichen. Bach hat für das Schultercello komponiert, Kuijken hat es wiederentdeckt und nachgebaut.
Und Sigiswald Kuijken revolutioniert auch die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Kantaten. Transparent, schlank, direkt. Mit einem Dutzend Instrumentalisten, ohne Chor, die Vokalsolisten übernehmen auch die Ensemble-Parts. So kommen für den großen Bach-Verehrer alle Details zum Zuge: "Religiosität sowieso – das ist die Basis, auf der Bach gearbeitet hat – sowie ein unglaubliches technisches Können und die perfekte Mischung von Text und Musik. Bei den Bach-Kantaten gibt es einige Werke, die der Perfektion sehr nahe kommen."
BR-KLASSIK Klassik-Stars: Zum 80. Geburtstag des Geigers und Dirigenten Sigiswald Kuijken, 16. Februar, 18:05 Uhr
Sigiswald Kuijken, der Forscher und Praktiker mit der markanten Prinz Eisenherz-Frisur, ist bis heute aktiv: Er spielt Geige, sein Violoncello da spalla, Gambe und sogar Clavichord. Und er gibt europaweit Workshops und Konzerte mit seinem Orchester "La Petite Bande". Alles Gute zum 80. Geburtstag! Auf dass dieser umtriebige Künstler mit seinen Ideen die Musikwelt noch lange aufmischen möge!
Sendung: "Allegro" am 16. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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