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Freitag, 01.11.2019

12:00 bis 12:30 Uhr

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Als Fahrradkuriere bei Deliveroo einen Betriebsrat gründen wollten, verloren sie stattdessen ihren Job. Mit der Kampagne „Liefern am Limit“ will Sarah Jochmann daher auf die Missstände der Lieferplattformen aufmerksam machen. Denn solche Plattformökonomien boomen, sie bergen allerdings auch Gefahren. | Bildquelle: BR

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Backstage Talks | Zündfunk Netzkongress 2018

Digitalisierung macht alles kaputt. Ist aber trotzdem geil!

Die Digitalisierung macht eine Tournee der Disruption durch sämtliche Bereiche: Sei es Datenschutz, der durch die drohende Gefahr von Sozialen Netzwerken wie facebook und Twitter, oder durch unser verstärkt öffentliches Konsumieren und Handeln im Netz, völlig neu erkämpft werden muss. Oder die gängigen Arbeitsbedingungen, die Dank Deliveroo, foodora und Co. um Jahrzehnte zurückbefördert scheinen, weil Ausbeutung in der Plattformökonomie in Mode zu sein scheint. Sogar der Fußball ist dank Big Data berechenbar und verliert vielleicht sogar seinen Charme. Und auch der Kapitalismus verliert durch die Digitalisierung seine Essenz: Das Kapital spielt kaum noch eine Rolle. Digitalisierung macht also alles kaputt. Warum Digitalisierung trotzdem geil ist, diskutieren Caro Matzko und Franziska Storz im Zündfunk Backstage Talk mit Max Schrems, Michael Seemann, Sarah Jochmann und Christoph Biermann.

Mitwirkende

 
Moderation Caro Matzko, Franziska Storz
Redaktion Armin Olbrich
Der Zündfunk Netzkongress 2018 stand unter dem Motto „Cashtag“ und warf die Frage auf, was uns das Netz wirklich kostet. Entsteht ein neuer digitaler Kapitalismus, oder wird das Netz Opfer des Turbo-Kapitalismus? Ist die Digitalisierung mit Algorithmen und künstlicher Intelligenz eine große Chance für unsere Gesellschaft, oder schafft sie einen Raum für noch mehr Ungerechtigkeit?

Im Backstage Talk sprachen Caro Matzko und Franziska Storz mit..
Max Schrems - Europas Datenschutz-Held und Facebooks mutmaßlich gefährlichster Gegner. Er glaubt, dass die EU die Privatsphäre ihrer Bürger auch gegen die Interessen der großen US-Internetkonzerne schützen kann - und damit in der digitalen Welt wichtige Standards sichern würde. Bei den österreichischen Big Brother Awards 2011 bekam Max Schrems als 24-Jähriger den Ehrentitel Defensor Libertatis. Forbes zählte ihn zu einem der 30 wichtigsten Menschen unter 30 Jahren. Schrems hat Facebook vor der zuständigen irischen Datenschutzbehörde verklagt und führt seit 2011 Prozesse gegen den Konzern. 2013 hat der österreichische Jurist und Datenschutz-Experte gegen die Weitergabe von Daten europäischer Bürger an US-Behörden geklagt. 2015 gab ihm der Europäische Gerichtshof Recht und erklärte das zugrundeliegende „Safe-Harbour-Abkommen“ zwischen USA und EU für ungültig.

Sarah Jochmann - Mit der Kampagne „Liefern am Limit“ will Sarah Jochmann auf die Missstände der Lieferplattformen aufmerksam machen. Denn solche Plattformökonomien boomen, sie bergen allerdings auch Gefahren. Die Anthropogeographie-Studentin schreibt derzeit ihre Masterarbeit zum Thema: „Plattformökonomie am Beispiel der Fahrradkuriere“. Und sie weiß, wovon sie da schreibt: „Liefern am Limit“ ist nicht nur der Name ihrer Facebook-Kampagne, sondern ihre persönliche Erfahrung. Sie setzt sich daher als ehrenamtliche Gewerkschafterin für bessere Arbeitsbedingungen für die prekär beschäftigten Kuriere ein. Denn wir sollen ruhig weiter bei Foodora, Deliveroo und Co. bestellen – nur ausgenutzt werden sollte dabei niemand.

Michael Seemann – Digitalexperte und Philosoph, Kulturwissenschaftler und Publizist. Seine These: Durch den digitalen Wandel verändern zentrale Kategorien des Kapitalismus radikal ihren Sinn. Wenn Uber kein einziges Fahrzeug braucht, um den Transportmarkt auf den Kopf zustellen, oder AirBnB keine einzige Immobilie, um weltweit Unterkünfte anzubieten, wie ändern sich dann die Spielregeln? Braucht ein Wirtschaftssystem, dem Kapital, Eigentum, Profit, Konkurrenz oder Arbeitskraft nichts mehr bedeuten, morgen noch Geld? Der Kapitalismus steckt nach Seemanns Diagnose in einer tiefen Identitätskrise. Selbst wenn er überlebt, wird er kaum wiederzukennen sein.

Christoph Biermann - Der Sportjournalist und Buchautor schreibt seit über dreißig Jahren über Fußball. Bei der taz, der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel (u. a.) schrieb er nicht nur über die Spiele, sondern auch über Fußballfans und Fußballtaktik. Er ist Chefredakteur des Fußballmagazins „11 Freunde“ und schreibt regelmäßig Bücher über sein Lieblingsthema. Big Data hat auch den Fußball erreicht. Zweikämpfe, Pässe, Laufverhalten: Alles ist messbar, analysierbar und optimierbar – dank der Daten. Macht das den Sport langweilig und berechenbar? Im Gespräch mit Caro Matzko erläutert er, warum Fußball helfen kann, die positiven wie negativen Folgen der Datennutzung kennenzulernen.

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