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Album-Klassiker des Jazz vorgestellt im Gespräch - Vol. 21 Hören wir Classics und reden darüber

Unser Sende-Format "Hören wir Gutes und reden darüber" wurde in der Kategorie "Beste Sendung" mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Zu ausgewählten Terminen überraschen wir uns mit Album-Klassikern des Jazz.

Bildquelle: Prestige

BR-KLASSIK - Classic Sounds in Jazz

Hören wir Classics 31.05.23 Vol 21

"Hören wir Classics und reden darüber" hier zum Nachhören - mit aus rechtlichen Gründen gekürzten Musikstücken.
In dieser Sendung haben sich Beate Sampson, Ulrich Habersetzer und Roland Spiegel zum einundzwanzigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Album-Klassiker des Jazz wurde in der Sendung gesprochen.

John Coltrane: "Lush life", Prestige OJC 20131-2

John Coltrane war Anfang dreißig, als er 1957 und 1958 die Sessions für dieses Album aufnahm. Seine professionelle Laufbahn hatte er Mitte der 40er Jahre zunächst als Altsaxophonist beim populären Bebop-Trompeter Dizzy Gillespie begonnen, bevor er zum Tenorsaxophon wechselte. Er spielte schon sehr gut, als Miles Davis ihn 1955 zum ersten Mal in sein Quintett holte, aber die volle Entfaltung seines Potenzials begann, nachdem er den damals in der Jazzszene allgegenwärtigen Drogen vollständig entsagt hatte. Ab da arbeitete er bis zu seinem viel zu frühen Tod mit nur 40 Jahren daran, in seinem Spiel einen vollständigen Ausdruck des eigenen Seins zu erreichen, wie John Coltrane 1966 in einem Interview sagte. Relativ zu Beginn dieser Phase interpretiert er auf dem Album "Lush Life" neben einer sensationellen, knapp vierzehnminütigen Fassung des titelgebenden Stücks von Billy Strayhorn noch vier weitere Standards und spielt einen eigenen Blues. Bei drei Stücken wird er nur von Earl May am Bass und Art Taylor am Schlagzeug begleitet. Der gebuchte Pianist war einfach nicht im Studio erschienen, doch was zum Manko hätte werden können, erwies sich regelrecht als Glücksfall. Durch die Verzierungen, mit denen John Coltrane die Melodien umspielt, und die Tonführung seiner Soli bildet er die Stücke harmonisch umfassend ab. Mit der singenden Schönheit seines Sounds, hell und sonor zugleich, und der Varianz seiner Phrasierungen - sprudelnd und jauchzend im nie vorhersehbaren Wechsel mit genüsslich gedehnten und zugleich klar konturierten Tönen - bringt er so die, in den Songs "Like someone in love" und "I love you" enthaltenen Liebeserklärungen auch ohne Worte zum Klingen.

Randy Weston: "Get happy", Riverside RLP12-203

Cover - Randy Weston: Get Happy | Bildquelle: Riverside Bildquelle: Riverside Pianist Randy Weston war einfach überragend - in vielerlei Hinsicht: 2,03 Meter groß war er nach eigenen Angaben und seine Musikalität war im vergleichbaren Maße riesig.
1955, am Anfang seiner Karriere, noch keine 30 Jahre alt, nahm er im Trio mit Bassist Sam Gill und Schlagzeuger Wilbert Hogan das Album "Get Happy" für das Label Riverside auf. Gleich mehrere Stücke darauf sind bemerkenswert: Eine erdig-swingende Version des Gershwin-Klassikers "Summertime", in der Weston das Thema auf eine charaktervolle, aber nicht zu verfremdete Art interpretiert, der "Twelfth Street Rag", eine Ragtime-Komposition, die bei Weston nichts von ihrem ursprünglichen Drive verliert, aber an kernigem Swing dazugewinnt und ein Stück, das viele Jazzfans unter anderem Namen kennen: "Fire down there". Das ist eine traditionelle Calypso-Melodie, die Randy Weston mit seiner sehr prägnanten Mischung aus Kantigkeit und Eleganz interpretiert. Im Sommer 1955 nahm es Weston für das Album "Get Happy" auf, im Juni 1956 nannte es Saxophonist Sonny Rollins "St. Thomas" und spielte es bei der Aufnahmesession zu seinem Album "Saxophone Colossus". Unter diesem Namen wurde das Stück zum Jazzstandard, aber Randy Weston hatte die Melodie schon vorher in seinem Repertoire.
Westons Musik ist auf "Get Happy" noch nicht so stark von afrikanischen Klängen geprägt, wie auf seinen späteren Alben, viel mehr scheinen der harsche Piano-Stil Thelonious Monks und die harmonische Subtilität Duke Ellingtons durch. "Get Happy" ist ein früher Klassiker von Randy Weston, der unbedingt viel mehr gehört werden sollte!

Jimmy Smith: "Rockin‘ the boat", Blue Note Records 724357675529

Cover - Jimmy Smith: Rockin' the Boat | Bildquelle: Blue Note Records Bildquelle: Blue Note Records Sieben Jahre dauerte ihre Ehe und sie war durchaus ertragreich für beide Seiten! Von 1956 bis 1963 war Hammondorganist Jimmy Smith unter Vertrag beim Label Blue Note und in dieser Zeit wurden ungefähr 30 Aufnahmen von dem Jazzstar an der Hammondorgel veröffentlicht. Eine stolze Zahl, besonders aus heutiger Sicht. Jimmy Smith gilt als der bedeutende Hammondorganist im Jazz, immer noch werden alle Organistinnen und Organisten mit ihm und seinem süffigen und trotzdem reduzierten Stil verglichen. Eine seiner letzten Aufnahmen für Blue Note ist "Rockin‘ the Boat", ein gospelgetränktes Album mit gleich mehreren Ohrwürmern. 1953 hatte Sänger Harry Belafonte mit "Matilda" einen Hit. Zehn Jahre später auf "Rockin' the Boat" spielen Smith und seine Begleiter, Altsaxophonist Lou Donaldson, Gitarrist Quentin Warren, Schlagzeuger Donald Bailey und als Gast John Patton am Tambourin den Song stark angelehnt an Belafontes Version. Die Melodie ist da, der Groove ist da, aber alles wirkt noch eine Spur lässiger. Hier muss keiner die Muskeln spielen lassen und das ist der Zauber von "Rockin‘ the Boat": tolle Themen, entspannte Sounds und ein cooler, mitreißender Groove, der sich nicht groß ändert, aber genau deshalb so fasziniert: ein Blue-Note-Album für die Ewigkeit!

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