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Jazzalbum des Monats – Camille Bertault & David Helbock: "Playground" Auf der Spielwiese

Die französische Sängerin Camille Bertault und der österreichische Pianist David Helbock sind bekannte Größen der europäischen Jazzszene. Auf ihrem ersten gemeinsamen Album setzen sie auf maximale Stilvielfalt und korrespondierende Kontraste.

Bildquelle: ACT

Der CD-Tipp zum Anhören

Wo Klavier und Gesang aufeinandertreffen, ist im klassischen Bereich in der Regel das Kunstlied nicht fern, und man konzentriert sich bei CD-Einspielungen auf einen Komponisten oder eine Gattung. Nicht so die französische Sängerin Camille Bertault und der österreichische Pianist David Helbock. Sie fächern die Genres breit auf. Und ja, eine Klassikreminiszenz gehört auch dazu: die Etüde in cis-Moll Opus 2, Nr. 1, die der russische Komponist Alexander Skrjabin als Teenager 1887 komponiert hat. Ihr sehnsuchtsvolles Schimmern der Melancholie macht sie zu einem der innigen Ruhepole auf dem Album namens "Playground". Hier sind Camille Bertault und David Helbock auf ihrer Spielwiese noch ganz versunken wie zwei Kinder in der Betrachtung einer faszinierenden Sache, doch auf dem Fuße folgt ein Temperamentsausbruch.

Die Kunst der korrespondierenden Kontraste

Camille Bertault und David Helbock beherrschen die Kunst der korrespondierenden Kontraste und kosten sie in sieben eigenen Stücken und fünf Interpretationen unterschiedlicher Provenienz genussvoll aus. Musik des brasilianischen Gitarristen Egbert Gismonti, ein Hit von Björk aus dem Film "Dancer in the dark" und zwei dezidierte Jazzklassiker führen sie mit ihrem eigenen Songmaterial zusammen und machen sie sich dabei ganz zu eigen. Das bluesige "Good morning heartache" und Thelonious Monks "Ask me now" hört man hier zum ersten Mal auf Französisch dank Camille Bertault. Sie ist nicht nur eine Virtuosin, die ihre Stimme geschmeidig durch alle Register moduliert und springende Läufe in waghalsigen Tempi federleicht erscheinen lässt, sie ist zugleich eine Frau des Wortes, eine Lyrikerin – romantisch, aber auch mit Lust am Skurrilen.

Hochproduktiv und kreativ

Der Pianist David Helbock ist, auch wenn er die Sängerin wunderbar begleitet, doch viel mehr als ein Klavierbegleiter. Er ist ein auf Transparenz bedachter Ausdeuter des harmonischen Gehalts der Musik, ein erstklassiger Rhythmiker zudem, der den Korpus und die Saiten seines Instruments perkussiv einsetzt, und ein experimentierender Klangschöpfer mit Hilfe elektronischer Effekte und Loops. Vor 20 Jahren veröffentlichte er sein erstes Soloalbum, insgesamt 19 Einspielungen, die seinen Namen tragen – als Bandleader, Co-Leader oder Solist –, gibt es inzwischen und etliche mehr, an denen er mitgewirkt hat. Er öffnet musikalische Horizonte für sich und sein Publikum, groovt sich durch vielfarbig leuchtende Klangwelten und verbeugt sich auch gerne dezidiert vor seinen Vorbildern von Dave Brubeck bis Joe Zawinul.

Herrlich leichtfüßige Ernsthaftigkeit

Camille Bertaults internationale Laufbahn begann 2015 mit einem Video, in dem sie John Coltranes leise im Hintergrund laufenden Klassiker "Giant Steps" samt halsbrecherischem Solo mitsingt. Damit landete sie einen riesigen YouTube-Hit und setzt sich seither mit Witz, sei es in Wort oder Darstellung, immenser Improvisationslust und einer herrlich leichtfüßigen Ernsthaftigkeit erfolgreich über alle Stilgrenzen hinweg. Drei Alben hat sie schon herausgebracht. Das letzte namens "Le Tigre" mit durchweg eigenen Kompositionen in Zusammenarbeit mit amerikanischen Musikern ist im September 2020 erschienen; leider fielen die vielen geplanten Release-Konzerte zum großen Teil der Covid19-Pandemie zum Opfer.

Starke Einzelpersönlichkeiten

2019 spielten Camille Bertault und David Helbock bei einem Festival zum ersten Mal zusammen. Die Chemie stimmte, und sie gingen in die Planung für ein gemeinsames Programm. Im Dezember 2021 nahmen sie es in Berlin auf. Und ihr Album "Playground" hält, was es im Titel verspricht. Sehr spielerisch gehen die Sängerin und der Pianist mit ihrem Material um. Nicht immer nehme ich sie dabei als Duo-Einheit wahr, sondern sehr stark als Einzelpersönlichkeiten, die sich begegnen und austauschen. Was die Sache aber nicht weniger spannend macht. Nur manchmal scheinen sie mir – auf allerhöchstem musikalischen Niveau allerdings – etwas zurückgenommen. Aber was doch deutlich überwiegt, ist der kreative Funkenflug ihrer herausragenden Musikalität.

Infos zur CD

Camille Bertault & David Helbock: "Playground"

Camille Bertault (Stimme)
David Helbock (Klavier, Percussion, Live-Loops, Effekte )

Label: ACT

Sendung: "Leporello" am 09. Juni 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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