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Jazzalbum des Monats Charles Lloyd: "Sacred Thread"

Der amerikanische Tenorsaxophonist, Flötist und Komponist Charles Lloyd ist mit seinen 84 Jahren nach wie vor ein unwahrscheinlich kreativer und produktiver Jazzmusiker. In diesem Jahr hat er eine Trilogie unterschiedlich besetzter Trios herausgebracht. Das dritte Album der Reihe heißt "Sacred Thread" und weist in Richtung Indien.

Bildquelle: Blue Note

Der CD-Tipp zum Anhören

Wenn Charles Lloyd seine Zeit damit verbringen wollte, könnte er nicht nur auf eine sehr lange, sondern auch außergewöhnlich erfolgreiche Karriere zurückblicken. Die begann gleich auf hohem Niveau, als er mit 22 Jahren musikalischer Leiter und Arrangeur der Band des bekannten Schlagzeugers Chico Hamilton wurde und im Anschluss in Sextett von Cannonball Adderley spielte. 1964 brachte er sein Debütalbum unter eigenem Namen heraus und landete schon zwei Jahre später einen millionenfach verkauften Hit mit dem live eingespielten Quartett-Album "Forest Flower". In seiner Band spielte damals unter anderem Keith Jarrett.

Lloyds künstlerisches Schaffen wurde vielfach geehrt

Trotz seines Erfolgs zog er sich in den 70er und 80er Jahren immer wieder über längere Strecken zurück – und tauchte da vor allen Dingen als Solist auf Platten der Beach Boys auf. 1989 dann begann seine fast 25-jährige Zusammenarbeit mit dem Münchner Label ECM, an die sich nahtlos eine, nun auch schon sieben Jahre währende Allianz mit Blue Note Records anschloss. Vielfach geehrt wurde sein künstlerisches Schaffen in den letzten 20 Jahren: Unter anderem wurde er 2019 zum "Chevalier des Arts et des Lettres" ernannt und 2022 wurde ihm der Deutsche Jazzpreis für sein Album "Tone Poem" verliehen.

Die Faszination der indischen Musiktradition

Der Faden, der zu seinem aktuellen Album "Sacred Thread" führte, wurde schon Ende er 1950er ausgelegt. Damals studierte Charles Lloyd in Los Angeles tagsüber Klassische Musik und abends spielte er in Jazzclubs. Als er zu der Zeit ein Konzert des genialen Sitarspielers Ravi Shankar besuchte, in dessen Ensemble auch der Tablameister Alla Rakha spielte, kam er das erste Mal in Berührung mit indischer Musik. Er war sofort fasziniert von deren Jahrtausende alten Tradition. Ihren "heiligen Faden", den "sacred thread" also, nimmt Charles Lloyd nun wieder auf. Nicht indem er versucht, selbst nach ihrem Regelwerk zu spielen, sondern in der improvisatorischen Begegnung mit ihr und seinen Mitmusikern. Das sind der gefeierte 35-jährige, kalifornische Gitarrist Julian Lage und der Sohn Alla Rakhas: der 71-jährige indische Tablameister Zakir Hussain. Mit ihnen spielt er eine beseelte Musik der gegenseitigen Annäherung und des verbindenden Trialogs, in der Harmonie und Klangschönheit das Sagen haben.

Eine Musik der gegenseitigen Annäherung

Die sieben eigenen Kompositionen auf "Sacred Thread" – vier davon von Charles Lloyd und drei von Zakir Hussain – hat das Trio live eingespielt während eines Videokonzerts ohne Publikum im September 2020, als die Corona-Maßnahmen keine andere Form des Auftretens erlaubten. Manche der Titel wirken allerdings nachbearbeitet, wenn etwa Teile überblendet werden. Und zwei Stücke enden seltsam unvermittelt. Das lässt beim Durchhören der CD den großen Bogen der musikalischen Dramaturgie etwas unrund erscheinen. Schön wären auch Erläuterungen zu den Texten von Zakir Hussain gewesen, die er bei seinen eigenen Stücken singt. Aber das war's dann schon an Kritik. Was vorherrscht, ist der Genuss, den diese beseelte Musik der gegenseitigen Annäherung und des verbindenden Trialogs bereitet, mit ihrer Harmonie und ihrer Klangschönheit.

INFOS ZUR CD

Charles Lloyd Trio: "Sacred Thread"

Charles Lloyd (Tenorsaxophon, Altflöte)
Julian Lage (Gitarre)
Zakir Hussain (Tabla, Percussion, Gesang)

Label: Blue Note

Sendung: "Leporello" am 08. Dezember 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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