Vor 14 Jahren starb der schwedische Jazz-Pianist Esbjörn Svensson nach einem Tauchunfall. Jetzt kann man seine Instrumentenstimme wiederhören, in für ihn untypischen Solo-Aufnahmen. "HOME.S" heißt das Album, das morgen im oberbayerischen Elmau vorgestellt wird.
Bildquelle: ACT
Ein Gruß von ganz weit her. Ein zarter, leiser, einsamer Gruß. Vor eineinhalb Jahrzehnten aufgenommen – und jetzt hörbar gemacht. Es ist ein Gruß des Pianisten Esbjörn Svensson. Vor 14 ½ Jahren ist dieser schwedische Jazzmusiker tödlich verunglückt. Nicht lange zuvor muss er, vermutet seine Witwe Eva, diese Solostücke eingespielt haben. Vor einiger Zeit entdeckte sie die Aufnahmen auf einer Festplatte. Zusammen mit dem Toningenieur Ake Linton klärte sie ab, ob sie in irgendeinem Aufnahmestudio entstanden sein konnten – oder ob Svensson sie in seinem Studio zuhause im Keller eingespielt hatte, wo er sich oft und lange alleine aufhielt. Sie kamen zu dem Ergebnis: Es waren Aufnahmen von zuhause, aus dem Keller. Esbjörn Svenssons Basement Files sozusagen.
Eva Svensson und Ake Linton waren, Evas Schilderung zufolge, zunächst völlig sprachlos, als sie die Aufnahmen hörten. Eva Svensson sagt: "Wenn ich diese Musik höre, ist es für mich so, als sei Esbjörns Stimme plötzlich im selben Raum. Es könnte gar niemand anders sein. Es ist seine Stimme."
Das deutsche Plattenlabel ACT, das Svenssons Musik weltweit bekannt gemacht hat, hängt die Veröffentlichung der Aufnahmen ganz hoch. Sie erscheinen zu einem Zeitpunkt, da das Label sein 30-jähriges Bestehen feiert. Svensson war ein besonders wichtiger Künstler für das Label, das eine ganze Reihe weltweit renommierter Jazzmusiker vertritt – von den Pianisten Joachim Kühn und Michael Wollny bis hin zu Schlagzeuger Wolfgang Haffner und Posaunist Nils Landgren. Einen Abend vor der Veröffentlichung des Albums gibt es im bayerischen Schloss Elmau bei Mittenwald sogar eine "Exklusive Präsentation" des Albums vor geladenen Gästen – und in Anwesenheit von Eva Svensson. BR-KLASSIK und anderen Medien lag das Album bereits etwas früher vor.
Esbjörn Svensson: Normalerweise ein Teamplayer, manchmal aber auch ganz allein, wie sein neues, posthum herausgegebenen Album "HOME.S" zeigt. | Bildquelle: Esbjörn Svensson Solo-Klavierstücke hätte man von Svensson eher nicht erwartet. Der Pianist war ein besonderer Teamplayer des Jazz. In seinem Trio e.s.t. mit Dan Berglund am Bass und Magnus Öström am Schlagzeug hatte er einen Sound geprägt, den man immer auch als seinen empfand. Ein zusammengeschweißtes Ensemble, das ungemein kompakt klang. Für Jazzfans, die dieses Trio erlebt haben, ist Svenssons Klavierklang einer, der besonders in der Verzahnung mit dem Klang seiner beiden Partner aufging. Im rhythmischen Drive schien der Klaviersound nicht ablösbar von der kraftvollen und doch filigranen Motorik von Magnus Öströms Schlagzeug und der wuchtigen, manchmal fast rockigen Power des Bass-Spiels von Dan Berglund. Und doch hat Svensson, ganz für sich, musikalische Alleingänge unternommen. Und hier sind sie nun: Töne, in denen er die beiden Partner gar nicht brauchte.
Es sind insgesamt nur 36 ½ Minuten. Aber solche von besonderer Schönheit. Sanft wie sonst selten. Zärtliche Momente eines sehr Empfindsamen. Er liebte Beethoven. Er liebte Bach. Und er liebte und schätzte auch Keith Jarrett, mit dem er mit Sicherheit auf keinen Fall verglichen werden wollte. Einige der Einflüsse hört man in einigen der neun Stücke, die einfach nur die Bezeichnungen griechischer Buchstaben von Alpha bis Iota als Titel tragen, klar heraus.
So wirken manche der Stücke wie kleine intime Mitteilungen an ganz private Adressaten. Wie etwa die Vorbilder. Die Familie auch. Die Mitmusiker von einst. Und treue Fans. In wenigen Momenten nehmen die Töne richtig Fahrt auf, ein Gedankenfluss, der den Musiker etwa im Stück "Eta" davonträgt und, über einem einzigen pulsierenden Ton wie im Part IIa von Keith Jarretts "Köln Concert", viel Drive entwickelt. Doch nach Momenten mit so viel Schwung und Vorwärtsdrang kommt alles wieder ganz anders. Zurückgenommen. Leise. Ganz introvertiert. Versonnene Momente eines Musikers, der zuhause im Keller dem musikalischen Alleinsein frönte und viele Augenblicke der Stille fand: des Flüsterns an den Tasten. Der leisen Schönheiten.
Diese leisen Töne mögen manchen Fans wie Vorboten des damals nahenden vollständigen Verstummens des für den Jazz besonders populären Musikers erscheinen. Fest steht: Es sind Töne von einem, den viele vermissen. Und Töne, das merkt man, wenn man sie immer wieder hört, die lange Zeit später und gerade in Katastrophenjahren wie 2022 viele Menschen besonders berühren können. Tröstende Sanftheit in Zeiten, in denen viele sie besonders gut brauchen können. So ist dieser Gruß von ganz weit her einer, der in der Lage ist, Zuhörenden ziemlich nah zu kommen.
Esbjörn Svensson: "HOME.S"
Veröffentlichung: 18. November 2022
Label: ACT, 2008
Kommentare (1)
Dienstag, 15.November, 21:21 Uhr
Beate Schwärzler
Esbjörn Svensson Home - in Schloss Elmau
hmm...
;;;;;;;;;;