BR-KLASSIK

Inhalt

Kostprobe | 19.05.2024 Starke Stücke von starken Frauen

Musik des 17. Jahrhunderts von und über starke Frauen hat die stets einfallsreiche Lautenistin Christina Pluhar mit ihrem Ensemble L'arpeggiata aufgenommen: Eine brillante Einspielung mit vielen Überraschungen, virtuos und inhaltlich durchaus zeitgemäß und politisch.

CD-Cover: Wonder Women | Bildquelle: Erato

Bildquelle: Erato

Weil ihr Mann gewalttätig war, reichte sie die Scheidung ein, erfolglos. Daraufhin schlug sie sich von Venedig nach Paris durch, wo sie dann das große Los zog: Kein Geringerer als Ludwig XIV. wurde auf ihre Kompositionen aufmerksam, förderte deren Schöpferin und rückte sie in das Licht der Aufmerksamkeit. Das Leben der Komponistin Antonia Bembo, heute nur noch Spezialisten geläufig, nahm also schließlich doch noch eine gute Wendung in Richtung Erfolg. Nicht jede hatte so viel Glück. Die meisten starken und begabten Frauen des 17. Jahrhunderts hatten in einer fast ausschließlich männerdominierten Gesellschaft keinerlei Chance auf Anerkennung oder gar Karriere.

Ins Licht der Öffentlichkeit

In einer neuen Aufnahme macht sich die glücklicherweise unermüdliche Lautenistin und Ensembleleiterin Christina Pluhar zur leidenschaftlichen Anwältin ihrer Geschlechtsgenossinnen. Sie hat Werke von vergessenen Komponistinnen des Barock ausgegraben, die ihrerseits von Frauen, ihrer Gefühlswelt und ihren Schicksalen erzählen. »Wonder Women«, »Wunderfrauen« heißt die neue Einspielung mit Pluhars Ensemble L'arpeggiata, und Wunder gibt es da auch zu hören. Beispielsweise beeindruckende Musik der Venezianerin Barbara Strozzi, die einzige Komponistin der Veröffentlichung, die inzwischen einen gewissen Bekanntheitsgrad hat. Aber wer kennt schon Isabella Leonarda? Sie war eine komponierende Nonne, mit einem Wiegenlied singt sie das Jesuskind in den Schlaf.

Hinaus auf die Straße

Typisch Christina Pluhar: Auch in dieser hinreißenden neuen Produktion – natürlich wie immer perfekt musiziert – hält es sie nicht in der Eleganz barocker Palazzi. Denn auf der Straße, in der Volksmusik Italiens und Mexikos, wird ganz genauso von stolzen, starken Frauen berichtet, und zwar mit Schwung und mitreißendem Elan. Zwischen all dieser unbedingt hörenswerten Musik verbirgt sich bescheiden und unauffällig der geradezu erschütternde Höhepunkt dieser Sammlung. Eine italienische Canzone erzählt im Ton kindlicher Schlichtheit eine schockierende Geschichte:

Um ihren Geliebten Peppino aus dem Gefängnis zu befreien, gibt Cecilia dem Drängen eines Polizeihauptmanns nach, sich ihm hinzugeben. Als Gegenleistung soll Peppino auf freien Fuß kommen. Nach der Gewalttat fordert der Hauptmann Cecilia auf, aus dem Fenster zu blicken: Sie sieht, wie Peppino zur Hinrichtung geführt wird. Männliche Willkür, psychische Brutalität und Erpressung, erzwungene Opferbereitschaft, die mit Betrug honoriert wird. Auch dies ein Frauenthema, aktuell bis heute. Und in diesem Moment wird die Aufnahme plötzlich verdammt politisch.

Wonder Women

L'arpeggiata
Christina Pluhar, Leitung
Label: Erato

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 19. Mai 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player