Das Vokalensemble Gothic Voices singt Chansons und Motetten der frühen Renaissance. Komponiert von den berühmten franko-flämischen Komponisten, aufgeführt und bewundert in der Stadt Florenz, der Wiege der Renaissance.
Bildquelle: © Linn Records
Eines der schönsten und zugleich beeindruckendsten Bauwerke der Welt: 1436 wurde der Dom von Florenz geweiht – damals die größte Kirche in ganz Europa. Zu diesem Anlass erklang auch besondere Musik.
Nuper rosarum flores, die prächtige und äußerst kunstvolle Motette für den Dom zu Florenz, komponiert von Guillaume Dufay. Die franko-flämischen Komponisten waren damals angesagt in ganz Europa. Auch hier, an der Wiegestätte der Renaissance. Diese berühmte Komposition bildet den Schlusspunkt des neuen Albums der Gothic Voices, nicht nur eine Würdigung, sondern fast schon eine kleine Liebeserklärung an die Stadt Florenz. Am Anfang steht ebenfalls ein Stück von Dufay, viel weltlicher allerdings, eine Huldigung an die schönen Töchter der Stadt.
Diese beiden Stücke sind der Rahmen für eine Mischung aus Chansons und Motetten, die Komponisten allesamt Franko-Flamen. Außer Dufay finden sich einige der üblichen Verdächtigen seiner Nachfolgegeneration wie Johannes Ockeghem, Loyset Compère und Antoine Busnois, aber auch seltener zu hörende sind vertreten, etwa Firminus Caron oder Hayne van Ghizeghem. Die Quellen für die meisten der Stücke sind zwei florentinische Musiksammlungen. Es ist ein erstaunliches Kuriosum, dass bei einer Kunstepoche, die wie keine andere von Italien und seinen einheimischen Dichtern, Malern, Bildhauern und Architekten geprägt wurde, in Sachen Musik die berühmten Komponisten von jenseits der Alpen eine so dominante Rolle spielten.
Stimmungsvoll und qualitativ hochwertig, eine Programmabstimmung von sensibler und verständiger Hand. Auf Gefallen stoßen auch – einmal mehr – die Gothic Voices. Die völlig unforcierte Gesangskunst ist klangschön, ohne auf schön zu machen, dank viel Ruhe und Raum wird die Musik nicht erdrückt, sondern kann sich ganz frei entfalten. Vielleicht an sich unspektakuläre Qualitäten, die aber ganze Welten eröffnen. Als gelegentliche Begleitung dient diesmal kein Lauteninstrument, sondern die manchmal wunderbar schnarrigen Harfenklänge von Andrew Lawrence-King.
Die Besetzung ist abwechslungsreich, vom begleiteten Solo-Lied über a capella-Stücke bis hin zu sechsstimmiger Üppigkeit ist alles vertreten. "Die Pracht von Florenz – mit einer burgundischen Resonanz", so der treffende Titel dieser CD. Während die eindrucksvoll große, komplett freitragenden Dom-Kuppel von Brunelleschi als Inbegriff der Renaissance gilt, stammt der Soundtrack aus Nordeuropa – zum Klingen gebracht von diesem grandiosen englischen Vokal-Ensemble.
Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem, Loyset Compère, Antoine Busnois, Firminus Caron, Hayne van Ghizeghem
Gothic Voices
Andrew Lawrence-King
Label: Linn Records
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 27. November 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK