Eine Weltersteinspielung verspricht der neueste Streich aus Reinhard Goebels New Mozart-Reihe mit dem Mozarteumorchester Salzburg. Neues von Mozart? Das Album hält, was es verspricht.
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Sie klingt hier ganz anders, als man sie im Ohr hat, die Klaviersonate in c-Moll, KV 457 von Wolfgang Amadeus Mozart. Reinhard Goebel hat sie mit dem Mozarteumorchester-Salzburg eingespielt. Der Kopfsatz der c-Moll-Sonate wird zum zweiten Satz einer großen Orchester-Fantasie, und zwar in voller, romantischer Montur. Die Bearbeitung stammt von Ignaz von Seyfried, einem Schüler Mozarts, der Anfang des 19. Jahrhunderts die Werke seines verstorbenen Lehrers bearbeitet und so neuen Publikumskreisen erschlossen hat. Allerdings greift er dafür tief in die Trickkiste: Seine Orchesterfantasien bastelt er aus teilweise transponierten Einzelsätzen verschiedener Mozart-Werke zusammen. Im zweiten Werk der Einspielung zum Beispiel, der Grande Fantaisie in f-Moll, geht das Klavierquartett in g-Moll KV 478 eine überraschende Verbindung ein mit der Orgel-Fantasie in f-Moll KV 608.
Es ist der altbekannte Mozart in ungewohntem Klang. "New Mozart" heißt die Reihe folgerichtig. Die Seyfried-Bearbeitungen sind schon Goebels zweiter Streich. Der 1. Band war vornehmlich einem Violinkonzert gewidmet, das trotz offizieller KV-Nummer nicht auf Mozart zurückgeht. Diesmal also seine Tastenmusik im Orchestergewand. Einmal mehr beweist Reinhard Goebel sein Gespür für das Außergewöhnliche. Denn zugegeben: auf den ersten Blick lässt Seyfrieds musikalisches Puzzlespiel, das er mit der unerschütterlichen Gleichmut des 19. Jahrhunderts durchzieht, den puristischen Mozart-Fan skeptisch zurück. Auch die werbewirksame Anpreisung als Weltersteinspielung hilft da nicht weiter. Aller Argwohn verfliegt aber, sobald man die Musik hört: Reinhard Goebel und das wunderbare Mozarteumorchester kennen ihren Mozart in- und auswendig und kitzeln ihn auch aus der Seyfried'schen Bearbeitungen ohne Probleme heraus. Musiziert wird auf modernen Instrumenten, aber das steht einer historischen Aufführungspraxis nicht im Wege. "Nicht das Instrument macht die Musik, sondern der Kopf", sagt Reinhard Goebel dazu. Da lehnt man sich als Mozart-Fan beruhigt zurück und genießt den Klangfarbenreichtum der vertrauten Melodien.
Beim Hören überkommt einen das überraschende Gefühl, am alten Mozart ganz neue Seiten zu entdecken. Was oft nach Floskel klingt, hat hier seine Berechtigung. Man darf also gespannt sein, was Reinhard Goebel für seine New-Mozart-Reihe als Nächstes ausgeheckt hat!
Ensemble: Mozarteumorchester Salzburg
Reinhard Goebel, Leitung
Label: Sony Classical
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 31. Juli 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK