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Alte Musik Musikstil und Repertoire-Begriff

Beethoven oder Schubert auf einem historischen Hammerflügel – ist das Alte Musik oder kann das weg?

Bildausschnitt aus: Hans Holbein d.J: Porträt der französischen Gesandten Jean de Dinteville und Georges de Selve am Hof von England | Bildquelle: gemeinfrei

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Alte Musik: Überbegriff für die Musikepochen Mittelalter, Renaissance, Barock und teilweise frühe Klassik, als Gegenbegriff zum seit dem 19. Jahrhundert etablierten klassisch-romantischen Konzertrepertoire.

Viele assozieren mit dem Begriff "Alte Musik" Schlager, Oldies oder Rockklassiker. Die Musik der Rolling Stones ist zwar vergleichsweise alt, aber Hildegard von Bingen zum Beispiel kann da nur müde lächeln. Tatsächlich ist die Definiton von Alter Musik nicht so ganz einfach. "Alles bis Bach" sagen die einen. "Alles vor Mozart", sagen die Anderen. Und wenn ich Beethoven oder Schubert auf einem historischen Hammerflügel spiele, ist das dann Alte Musik oder kann das weg?

Der Blick zurück

Sich mit Musik vergangener Epochen zu beschäftigen und im Konzert aufzuführen, das ist eine realtiv junge Idee aus dem 19. Jahrhundert. Dass sich  z.B. Mozart für die Werke von Bach und Händel interessiert hat, war damals eine Ausnahme. Mozart selbst wiederum war nie wirklich out und hat zusammen mit dem who is who der Klassik hat seine Musik die Konzertprogramme geprägt und zwar ausschließlich. Was nicht zum Kanon gehörte, wurde nicht gespielt. Komponistinnen zum Beispiel oder eben Alte Musik. Im Zuge des Historismus und der Mittelalter-Begeisterung rückte die Musik früherer Epochen wieder in den Fokus, allerdings durch die Brille der Romantik: Wagner komponierte Opern über mittelalterliche Sujets, Männergesangsvereine schmetterten Renaissance-Madrigale mit Falalala-Refrains in gut gemeinter Dynamik und Mendelssohn-Bartholdy führte die vergessene Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach wieder auf, allerdings mit einem ausladendem Chor- und Orchesterapparat, bei dem es dem barocken Großmeister wohl die Sprache verschlagen hätte. Doch diese Aufführungspraxis hat sich hartnäckig gehalten, gerne auch gepaart mit staatstragenden Tempi.

Abenteuer Alte Musik

Ende des 20. Jahrhunderts besann man sich ausgehend von den Niederlanden und Belgien auf den sogenannten Originalklang. Die romantische Patina kam ab: historische Instrumente wurden nachgebaut, Stimmungen und Spielanweisungen aus alten Musikhandschriften verwendet und es wurde nach Stücken abseits des üblichen Repertoires gesucht:

Es ist vielleicht auch das Abenteuer, das man sucht. Ein bisschen sich absetzen von dem Standard-Repertoire, das man immer hörte: Mozart, Haydn, Beethoven.
Jan Nuchelmans

Jan Nuchelmanns gehörte zu den Pionieren der Originalklang-Bewegung in den 1980er-Jahren. Zusammen mit Gleichgesinnten hat er das Oude Muziek Festival Utrecht gegründet, eines der ältesten und größten Festivals seiner Art. Inzwischen ist die Alte Musik längst an den Hochschulen angekommen. Troubadour-Chansons gehören genauso zum Repertoire wie Kunstlieder. Und auch romantische Musik durch die Brille der historischen Aufführungspraxis aufzuführen, hat sich längst etabliert. Erlaubt ist, was Spaß macht - zeitgenössische Musik auf historischen Instrumenten zum Beispiel. Heute steht die Szene vor ganz anderen Herausforderungen, sagt Eva-Maria Senns, Intendantin der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik:  

Dass man nicht zu einem Denkmal wird, sondern am Puls der Zeit bleibt. Und das ist das Schöne, finde ich, grade in der Alte Musik, denn Alte Musik wird vornehmlich und zu einem großen Teil von jungen Menschen gemacht.
Eva-Maria Senns

Sendungsthema aus Tafel-Confect vom 1. September 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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