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Dominique Visse Französischer Countertenor, Ensembleleiter und Entdecker

Optisch schlägt er etwas aus der Art: wirres Haar, Lederjacke, Ohrringe. Musikalisch ist er breit aufgestellt: kontemplative Kirchenmusik findet sich genauso in seinem Repertoire wie der große Spaß auf der Opernbühne.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Ich war als Kind sehr gläubig und wollte eigentlich Priester werden. So war ich sehr häufig in der
Kirche, und der Priester dort brauchte jemanden, der Harmonium spielte - und so habe ich angefangen, Harmonium zu spielen, später Flöte. Und in der Kirche habe ich auch mit dem Singen begonnen.

erinnert sich Countertenor Dominique Visse daran, wie alles begann. Schon mit elf Jahren trat der 1955 in der Normandie geborene Sänger dann in den Chor der Kathedrale von Notre Dame in Paris ein, wo er sich sehr für die Musik aus Mittelalter und Renaissance begeisterte - und entdeckte, dass seine Stimme für diese Art des Repertoires hervorragend geeignet war.

BEGEGNUNG MIT ALFRED DELLER

Als er mit 20 Jahren den großen englischen Countertenor-Pionier Alfred Deller traf, beschloss er bald, ebenfalls Sänger in diesem Fach zu werden. Zwei Jahre hatte er Unterricht bei Deller und versetzte in der Folge als einer der großen Vorreiter seiner Stimmlage in Frankreich so manchen Hörer in Erstaunen:

"Anfangs fanden die Leute das sehr eigenartig. Einige Male machten sich auch welche lustig, aber das war mehr, weil es so exotisch klang. Aber ich hatte nie wirklich große Probleme, akzeptiert zu werden, denn wenn man als Sänger an sich glaubt und sich damit ganz sicher ist, dann ist es nicht schwer, das Publikum zu überzeugen."

ENSEMBLEGRÜNDUNG

1978 gründete Visse sein Ensemble Clément Janequin, weil er Antworten auf bestimmte musikwissenschaftliche Fragen suchte.

"Wie muss man die französische Musik des 16. Jahrhunderts interpretieren - die wurde bis dahin hauptsächlich von großen Chören mit 100 Personen gesungen, aber das funktionierte nicht. Ich habe das Ensemble also wirklich aus reiner Neugier gegründet. Als es dann gut lief und gut ankam, machten wir natürlich immer weiter. Aber am Anfang war es aus rein wissenschaftlichem Interesse, nicht aus sängerischem."

Dieses solistisch besetzte Vokalensemble widmet sich vor allem dem französischen Chanson aus Renaissance und Frühbarock, mit kleinen Ausflügen ins sakrale Repertoire, und ab und an auch in spätere Epochen. Besondere Kennzeichen: Häufige Repertoire-Neuausgrabungen und sehr oft auch eine halbszenische Darstellung des Gesungenen, die den Beteiligten stets ebenso viel Spaß zu machen scheint, wie dem Publikum.

OPERNBÜHNE

Daneben ist Visse jedoch auch auf Opernbühnen von Paris bis Salzburg, von München bis Mailand zu Gast - nicht nur in Werken von Monteverdi, sondern auch im späteren, bis hin zum zeitgenössischen Repertoire.

"Ich versuche immer ein Gleichgewicht zwischen den Opernproduktionen, der Musik mit meinem Ensemble und auch meiner musikwissenschaftlichen Forschung zu finden, denn es ist mir einerseits ein Bedürfnis, mich auf der Bühne auszudrücken, aber ich brauche auch die Strenge des Madrigals... Und ich brauche es auch, Tage um Tage ganz allein in irgendeiner Bibliothek zu verbringen und zu forschen. Voilà."

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 25. Mai 2014, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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