Kirchenmusik ist manchmal eher kontemplativ und zurückgenommen, manchmal aber auch prachtvoll und erhaben – wie der Grand Motet, der Teil der Inszenierung Ludwig XIV., des Sonnenkönigs, war
Bildquelle: © Fine Arts Museum of Dijon
König Ludwig XIV., der selbsternannte Sonnenkönig, liebte die Inszenierung: seine Mahlzeiten wurden vor Publikum eingenommen. Auch seine Schlafkammer war Bühne, und selbst sein Stuhlgang soll von größter Bedeutung für seine Zeitgenossen gewesen sein. Wenn man nun bedenkt, wie viel Aufmerksamkeit solchen vermeintlichen Nebensächlichkeiten zukam, ist es nur logisch, dass Ludwig XIV. als Protagonist des "Grand Siècle" in die Geschichte eingehen sollte. Er ließ Schloss Versailles zu einem der größten und prächtigsten Schlösser Europas ausbauen, er scharte unzählige französische Adelige um sich. Er tanzte und machte Musik und holte die besten Sänger und Instrumentalisten an seinen Hof. Jean-Baptiste Lully wurde sein Lieblingskomponist und begründete die französische Barockoper.
Und auch die Etablierung des "Grand Motet" geht auf den Einfluss Ludwig XIV. zurück. Der "Grand Motet" ist die französische Ausprägung der Motette, wie sie zur Zeit Ludwigs XIV. und seines Nachfolgers komponiert wurde.
Der Schriftsteller Jean de La Bruyère zeichnete folgendes Bild des Kirchgangs: "Die Großen der Nation versammeln sich täglich in einem Tempel, den sie Kirche nennen; im hinteren Teil befindet sich ein Altar, der ihrem Gott geweiht ist und an dem ein Priester die Mysterien feiert. Die Großen bilden einen weiten Kreis am Fuße des Altars und haben die Gesichter zu ihrem König erhoben, den man auf einer Tribüne kniend sieht und dem sie ganz ihren Geist und ihr Herz zuzuwenden scheinen."
Die Zeremonie um das Gebet des Königs verlangte nach prachtvoller musikalischer Begleitung. Das "Te Deum" von Marc-Antoine Charpentier verdeutlicht ganz gut, wie strahlend und prächtig der "Grand Motet" sein konnte. Charpentier setzt hier Pauken und Trompeten ein, die traditionell eher in der Militärmusik zum Einsatz kamen. Der "Grand Motet" ist eine Motette für eine große vokale und instrumentale Besetzung.
Neben Charpentier war Michel-Richard de Lalande einer der erfolgreichsten Komponisten dieser Gattung. Der Theologe Treber-Antoine Laugier schwärmte von Lalande:
"Niemand hat es in der Kunst der Melodie und der Begleitung weitergebracht als er. Seine kräftigen, vollen und überaus dichten Harmonien erzeugen immer eine große Wirkung. Alles bei ihm ist Bewegung: die Instrumente und die Stimmen, die Akkorde und die Melodien sind bildhaft und voller Ausdruck und tragen gemeinsam zur Vollkommenheit des gesamten Werkes bei. Seine Chöre sind gewöhnlich äußerst gelungen: sie sind von erhabener Größe, sehr rhythmisch, der Ausdruck lebendig, und bei einer guten Ausführung sind sie einfach großartig."
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 13. März 2011, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK