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In Nomine Tradition kontrapunktischer Instrumental-Kompositionen

Da ist diese kurze Melodie in einer Messe der englischen Renaissance, die so schön ist, dass sie von vielen Komponisten zitiert und weiterverarbeitet wird – am Ende ist ein eigenes Instrumental-Genre entstanden.

Bildquelle: colourbox.com

John Taverner legte den Grundstein: in seiner Messe "Gloria tibi Trinitas", entstanden vor 1530, gab es einen eigenständigen Abschnitt zu den Worten "In nomine Domini", der schnell populär wurde und als Einzelsatz in Umlauf geriet. Taverner hatte hier das sechs-stimmige polyphone Geflecht auf vier Stimmen reduziert, den Cantus Firmus und drei begleitende Stimmen. Dadurch erreichte der Passus eine große Klarheit und konnte leichter für Instrumente eingerichtet werden – für andere Komponisten eine Gelegenheit, die eigene Kunstfertigkeit unter Beweis zu stellen, die sich gut von der bekannten Grundlage abheben konnte. So entwickelte sich – ausschließlich in England – die Tradition der so genannten In Nomine-Vertonungen.

AUSGANGSPUNKT FÜR KOMPOSITIONSPRAXIS

Der englische Musiktheoretiker Roger North beschrieb gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine enge Verbindung zwischen der Praxis des Choral-Gesangs mit den In Nomine-Kompositionen:

"Aber es ist sicher genug, dass es in der frühen Musikerziehung in England üblich war, mithilfe der Tonleiter einen Choral vom Blatt zu singen, und darüber hinaus dazu auch eine Begleitstimme zu erfinden. Und das nicht nur gesungen und aus dem Stegreif, sondern diese Übung wurde für ganze Instrumenten-Gruppen mit vier, fünf und sechs Stimmen feierlich und mit wundervoller Kunst und Erfindung komponiert, während eine der Stimmen (meist in der Mitte) den Choral wiedergab. Aber die "In Nomine" genannten Stücke waren noch beachtenswerter, weil hier nur die acht Noten, die mit den Silben "In nomine domini" übereinstimmten, den Ausgangspunkt bildeten."

REMINISZENZEN DAMALS…

Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden rund 150 In Nomine-Kompositionen, insgesamt 58 Komponisten sind verbrieft. Neben vielen anderen waren das Christopher Tye, der allein 24 In Nomines komponierte, Thomas Tallis, William Byrd, Orlando Gibbons, William Lawes und Henry Purcell. Die Verfahren der Komponisten waren unterschiedlich. Meist wurde der Cantus Firmus beibehalten und musikalische Figuren der Taverner-Linien zitiert und verarbeitet. Einige der In Nomine-Kompositionen wurden ihrerseits so bekannt, dass dann auch diese wieder aufgegriffen und weitergeführt wurden. Meist wurden die recht kurzen In Nomine-Stücke für Streicherbesetzungen geschrieben, seltener für Tasteninstrumente und im Ausnahmefall auch als eine der Farewell-Fantasien für Laute von John Dowland.

… UND HEUTE

In unseren Tagen wurde diese Praxis der In-Nomine-Vertonungen wiederbelebt. Das Freiburger Ensemble Recherche gab für das "Witten In Nomine Broken Consort Book" bei zahlreichen bekannten Komponisten der Gegenwart jeweils ein In Nomine in Auftrag – so entstand ein Kaleidoskop der zeitgenössischen Kompositionsansätze zu Beginn der 2000er Jahre.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 5. August 2012, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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