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Bernard Haitink zum 90. Geburtstag Ruhestand sieht anders aus

Der Pianist Alfred Brendel nennt ihn ein "Vorbild an Integrität", der Musik-Journalist Norman Lebrecht hält ihn für den Meister einer "ausgefeilten, perfekten Interpretation". Am 4. März wurde der Dirigent Bernard Haitink 90 Jahre alt. Der immer noch aktive Holländer gilt als Phänomen, als Wunder, wie viele Zeitungen schreiben – ein Beweis dafür, dass Musik tatsächlich ein Jungbrunnen ist. Trotz seiner 65 Berufsjahre sind Haitinks Energie und Musizierlust bis heute ungebrochen.

Bildquelle: Todd Rosenberg

Das Porträt zum Anhören

Bernard Haitink ist ein Zurückhaltender, ein In-Sich-Gekehrter im eher extrovertierten Dirigenten-Gewerbe. Dennoch gilt der gebürtige Niederländer als einer der Größten seines Fachs. "Ehrlich gesagt, ich kann mir meinen Erfolg auch nicht erklären. Ich sage nicht viel, doziere nicht, kann keine Monologe halten. Oft denke ich: Die haben nicht viel von mir", hat Bernard Haitink sein Auftreten im Proben- und Konzertsaal einmal charakterisiert.

Karajan präsentiert uns Karajans Beethoven, Haitink dagegen Beethovens Beethoven.
The Guardian über Bernard Haitink

Völlig unerklärlich ist die Wirkung und Weltkarriere des "Vermeer auf dem Orchesterpodium", wie er von seinen Landsleuten auch genannt wird, jedoch nicht. Was ihn so außergewöhnlich macht, ist seine künstlerische Integrität, ehrliche Arbeit und die Suche nach der musikalischen Wahrheit. Die englische Zeitung "The Guardian" bringt es auf den Punkt: "Man könnte es so ausdrücken: Ein Dirigent wie beispielsweise Karajan präsentiert uns Karajans Beethoven, Haitink dagegen Beethovens Beethoven".

Zweite Geige am Pult

Bernard Haitink wird am 4. März 1929 in Amsterdam geboren. Sein Vater, Angestellter eines Elektrizitätswerks, wird während der deutschen Okkupation in einem KZ interniert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs studiert Haitink Violine und Dirigieren. Er fühlt sich vor allem zum Taktstock hingezogen, seinen ersten Job hat er allerdings als Geiger im Niederländischen Radio-Symphonieorchester. "Wäre ich nicht Dirigent geworden, hätte ich mein Leben am letzten Pult der zweiten Violinen verbracht", lautet eine der typischen Haitink-Bemerkungen, in der sich Bescheidenheit und Selbstironie verbinden.

Lange Jahre Chef in Amsterdam

Die große Stunde des Nachwuchs-Dirigenten kommt 1956, als sich das Amsterdamer Concertgebouw–Orchester händeringend an ihn wendet. Er soll für den verhinderten Carlo-Maria Guilini einspringen. Das Konzert ist der Beginn einer langen, intensiven Beziehung, die bis 1986 Bestand haben wird. Etwa zweieinhalb Jahrzehnte davon wird Haitink Hollands Spitzen-Orchester als Chefdirigent voranstehen. 1967 übernimmt er parallel zu Amsterdam das London Symphony Orchestra. Eine Berufung ans Opernfestival von Glyndebourne erfolgt 1977, zehn Jahre später wird Haitink Direktor des Londoner Opernhauses Covent Garden. Weitere wichtige Karriere-Stationen sind die Dresdner Staatskapelle und das Boston Symphony Orchestra.

Alle Dirigenten, mich eingeschlossen, haben ein Verfallsdatum.
Bernard Haitink

Von wegen Ruhestand ...

Bernhard Haitink, der Maestro ohne Starallüren: "Alle Dirigenten, mich eingeschlossen, haben ein Verfallsdatum", hat er kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag behauptet. Um seine Aussage anschließend durch sein Handeln zu widerlegen: 2018 hat Haitink mit einem seiner Lieblingsensembles, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mahlers Dritte Symphonie auf den Markt gebracht – eine Einspielung, die das BBC-Music-Magazine als "Record of the Year" ausgezeichnet hat. Im Sommer 2019 wird der Neunzigjährige mit den Wiener Philharmonikern beim Luzern-Festival auftreten. Ruhestand sieht jedenfalls anders aus.

Sendung: "Allegro" am 04. März 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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