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Blues-Sängerin Bessie Smith 125 Dollar für ihre erste Schallplatte

New York, 16. Februar 1923. Bessie Smith kommt ins Tonstudio der Columbia Gramophone Company. Die in Vaudeville-Shows äußert erfolgreiche Bluessängerin, Tänzerin und Performance-Künstlerin soll dem großen Label einen neuen Absatzmarkt erschließen: Musik von Schwarzen für Schwarze, sogenannte "Race Records". Kleine Start-ups verdienen bereits gut damit – nun wollen auch große Labels einsteigen. Die finanziell angeschlagene Columbia macht den Anfang.

Bildquelle: picture alliance/Everett Collection

Die Sendung zum Anhören

Die Aufnahmen sind mühsam: immer wieder singt Bessie Smith in den Tontrichter hinein. Immer wieder begleitet Clarence Williams sie am Klavier – beide wissen: Jeder Ton muss sitzen, Unterbrechungen oder gar Korrekturen sind unmöglich. Ebenso ein schnelles Hineinhören – die wachsbeschichteten Scheiben, die die Aufnahmen konservieren, müssen erst einmal in Schellackplatten umgewandelt werden – das dauert, mehrere Tage. Das Ergebnis: für Künstlerin und Label phänomenal. Die Platte verkauft sich bestens, für Bessie Smith, geboren 1894 in Chattanooga, Tennessee, der Auftakt zu einer großen Karriere – sie wird zum afroamerikanischen Superstar.

Bessies Ziel – Überwindung geltender Hierarchien

"Trouble, trouble, I've had it all my days" – der "Down Hearted Blues" erzählt aus weiblicher Sicht von Liebe, Gewalt und Diskriminierung. Erfahrungen, die auch damals schwarze Frauen millionenfach miteinander teilen: diskriminiert als Frau, als Schwarze und als Angehörige der Unterschicht. Persönliche Geschichte und kollektive Erfahrung verschmelzen in diesem Song, ein Grund für den Erfolg der Platte. Und für alle, die noch folgen werden. Am Schluss: die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben, Überwindung geltender Hierarchien: "I got the World in a Jug, the Stoppers in my Hand" – "ich hab' den Pfropfen in der Hand, der den Krug verschließt und halte ihn so lange fest, bis ihr, Männer, unter meiner Kontrolle seid".

Keine Tantiemen für Bessies erste Platte

Die Platte wird innerhalb weniger Monate zum Bestseller, überrascht stellen die Verantwortlichen bei Columbia fest: Auch Weiße kaufen sie, zu Tausenden. Schnell wird die Werbung angepasst, Bessie Smith zu einer der Starkünstlerinnen des Unternehmens mit Exklusivertrag. 125 Dollar pro Platte bietet Columbia, Bessie Smith unterschreibt – nicht ahnend, dass ein wichtiger Passus in ihrem Vertrag ausgelassen wird: Sie erhält nämlich keine Tantiemen – damals wie heute die übliche Erfolgsbeteiligung für Künstlerinnen und Künstler. Von den etwa 275.000 verkauften Exemplaren profitiert also nur das Label. Bessie Smith verdient daran exakt: 125 Dollar.

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Bessie Smith - Down Hearted Blues (Audio) | Bildquelle: BessieSmithVEVO (via YouTube)

Bessie Smith - Down Hearted Blues (Audio)

Was heute geschah

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Sendung: "Allegro" am 16. Februar 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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