Weybridge in Südengland, 25. September 1927: Colin Rex Davis wird geboren. Colin Davis war einer der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Dass er einmal unter anderem Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks werden sollte, darauf deutete zunächst nichts hin, als er 1927 als Kind einer armen Familie im südenglischen Weybridge zur Welt kam.
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Der Vater war ziemlich verstört aus den Schützengraben des Ersten Weltkriegs zurückgekehrt. Zwar fand er einen Job als Bankangestellter, doch die schnell wachsende Familie war verschuldet und lebte in ständiger Angst vor dem Gerichtsvollzieher. Colin war das fünfte von sieben Kindern. "Es gab kein Geld, das waren wirklich schlimme Zeiten", erinnert sich Sir Colin Davis später. In den ersten Jahren hatte die Wohnung nicht mal Strom. Wenn man Sir Colin, einen der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, nach seiner frühesten Erinnerung fragte, erzählte er von einem großen Kohlenofen und einer riesigen Zinkbadewanne, in der eine unübersichtliche Kinderschar herumplanschte.
Dann kam das Jahr 1940. Großbritannien lag im Krieg mit Nazi-Deutschland. Eines Tages brachte Howard, Colins älterer Bruder, eine Platte mit nach Hause, eine Aufnahme von Beethovens 8. Symphonie, gespielt von den Berliner Philharmonikern. Dirigiert wurde sie ausgerechnet von Hans Pfitzner, einem glühenden Deutschnationalen, der nicht ahnen konnte, dass er mit dieser Einspielung das Leben eines Teenagers in einer südenglischen Kleinstadt unwiderruflich prägen sollte. "Es war praktisch das Ende meiner Jugend. Ich war in die Musik verliebt", erzählt Sir Colin Davis. Wieder und wieder hörte der 13-jährige Colin die Platte, bis er sich zu einer folgenreichen Investition entschloss: Er sparte so lange, bis er sich die Partitur dieser Symphonie kaufen konnte. Er war fasziniert davon, dieses kleine Buch öffnen und sofort die Musik sehen zu können.
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BRSO: Sir Colin Davis dirigiert Max Reger (1991)
Bis die Karriere dann in Gang kam, dauerte es ziemlich lange. Aber nach all den Laienorchestern in der englischen Provinz kamen irgendwann eben doch die Flaggschiffe: Am Royal Opera House Covent Garden, wo Colin Davis sich unsterbliche Verdienste um die Wiederentdeckung der Opern von Hector Berlioz erwarb. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem er auch nach seiner Zeit als Chefdirigent von 1983 bis 1992 verbunden blieb. Und beim London Symphony Orchestra. Was war sein Geheimnis? "Alles muss auf dem Atem bleiben, dann ist es lebendig und im Körper", verrät Colin Davis. "Musik ist für uns ein lebendiges Etwas. Das muss man einfach spüren."
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Sendung: "Allegro" am 25. September 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK